Eigentlich ein normaler Donnerstag im Foyer der Kölner Musikhochschule. Eigentlich. Denn mittendrin machen sich Studierende in Trainingskleidung warm. Ein Schlagzeuger gibt den Rhythmus vor. Und dann sind da diese Kreppband-Aufkleber und Plakate. Zwei Worte stehen darauf: „und Tanz“. Das Motto der Protestaktion, das in einem Videomitschnitt im Netz zu sehen ist (siehe die Linkhinweise unten), spielt auf den Namen der Kölner Hochschule an: Seit 2008, als mit dem Eintritt in die Umsetzung der Bologna-Reform eine neue Grundordnung in Kraft trat, heißt sie „Hochschule für Musik und Tanz“ (HfMT).
Damit sollte die Bedeutung der Sparte unterstrichen werden, die seit 1996 an der Hochschule angesiedelt ist. Hervorgegangen war sie aus der 1961 an der berufsbildenden Abteilung der Rheinischen Musikschule eingerichteten Tanzausbildung. Mit der Umbenennung ging auch eine Reform einher – das „Zentrum für Zeitgenössischen Tanz“ (ZZT) wurde gegründet. Dort werden seither drei Studiengänge angeboten, wobei sich Studierende nach dem Bachelor Tanz zwischen den beiden Masterstudiengängen Tanzwissenschaft und Tanzvermittlung entscheiden können.
Ein Vermittlungsproblem hat derzeit vor allem der erst Ende April ins Amt eingeführte Rektor Heinz Geuen. Seine geplanten Einsparungen, die auch das ZZT treffen, stießen bei den Studierenden auf einhellige Ablehnung. Unmittelbarer Auslöser für den eingangs beschriebenen Protest, dem weitere Aktionen in der Kölner Innenstadt folgten, war der zwischenzeitlich ins Auge gefasste Plan, das ZZT mit der Tanzabteilung der Essener Folkwang Universität der Künste zu fusionieren. Auch wenn das Vorhaben schnell ad acta gelegt wurde – die Widerstände auf beiden Seiten waren zu groß – bleibt der Unmut über drohende Kürzungen bei Lehraufträgen. Diese „drastischen Sparmaßnahmen“ würden, so die Leiterin der Tanzabteilung Vera Sander, „zu einer raschen personellen Ausdünnung bzw. zur Abwicklung des ZZT führen“. Konkret geht es unter anderem um die Frage der Verlängerung zweier auf vier Personen verteilter Stellen, wobei Rektor Heinz Geuen auf Anfrage der nmz mitteilte, die beiden halben Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter würden kurzfristig verlängert, während über die Entfristung zweier halber Professuren im Bereich Tanzvermittlung noch nicht entschieden sei.
Gleichzeitig bestätigte er aber den Spardruck, der nicht nur den Tanz, sondern alle Fachbereiche betreffe. Hintergrund ist, dass der HfMT etwa eine halbe Million Euro im Lehrauftragsetat fehlen. Das Defizit hat sich im Laufe der vergangenen Jahre unter anderem dadurch angesammelt, dass die Hochschule über das vom Ministerium vorgesehene Volumen hinaus Lehraufträge eingerichtet hatte. Was einige Zeit im Rahmen des Globalhaushalts querfinanziert werden konnte, wurde in dem Moment zum Problem, als in NRW die lange fällige Erhöhung der Honorare wirksam wurde, die der Hochschule vom Ministerium aber nur in der Höhe erstattet wird, die dem ursprünglichen Haushaltsansatz entspricht. Weiterer Kostendruck entstand durch den nicht voll kompensierten Wegfall der Studiengebühren, durch bauliche Probleme des sanierungsbedürftigen Hauptgebäudes sowie einen Investitionsstau bei der instrumentalen Ausstattung. Auf die Frage, ob die Kölner Hochschule in den vergangenen Jahren möglicherweise über ihre Verhältnisse gelebt habe, räumt der neue Rektor aber auch ein: „Als vor etwa acht Jahren die Bachelor-Master-Umstellung begann, gab es eine gewisse Blauäugigkeit darüber, was das für die Ressourcen bedeutet. Das Erfinden und Aufstocken von Studiengängen wurde nicht als ökonomisches Problem gesehen.“
Die Hochschulleitung will nun, so Heinz Geuen gegenüber der nmz, unter anderem dadurch gegensteuern, dass im Bereich von künstlerischen Studiengängen, die im Hauptfach vornehmlich von Lehrbeauftragten unterrichtet werden (dies betrifft insbesondere die Standorte Aachen und Wuppertal), für das Wintersemester weniger Studierende aufgenommen werden. Auf lange Sicht sollen laut Geuen die Aufwendungen für Lehraufträge von derzeit 3,8 Millionen um zirka 15 Prozent auf 3,3 Millionen Euro gesenkt werden. Diese Pläne veranlassten einige Dozenten, die Orchestervereinigung zu mobilisieren, die in einer Pressemitteilung unter dem Titel „Musikhochschule Köln untersagt Neuaufnahme von Studenten“ den Rektor aufforderte, den „Stopp von Neuaufnahmen in den künstlerischen Studiengängen (Bachelor bzw. Master of Music Instrument) zu revidieren“ und auf die Erwartungen des doppelten Abiturjahrgangs in NRW und die besonders betroffenen Lehrbeauftragten hinwies. „Der Aufnahmestopp“, so die DOV weiter, „würde für viele der seit Jahren in prekären Arbeitsverhältnissen tätigen Lehrbeauftragten eine deutliche Reduzierung oder sogar das endgültige Aus ihrer Lehrtätigkeit bedeuten“.
Einen Tag nach den ersten Protesten der Tanzstudierenden machte somit das Stichwort vom Kölner „Aufnahmestopp“ die Runde. Die Hochschule stellte umgehend klar, dass man vielmehr für das Wintersemester 2013/14 „mit zirka 400 Neuaufnahmen“ rechne. Diese Zahl entspreche „etwa den – im Vergleich zu Vorjahren gesteigerten – Neuaufnahmen des vergangenen Wintersemesters 2012/13.“ Zudem hätten sich die Bewerberzahlen trotz doppelter Abiturjahrgänge „nicht nennenswert erhöht“, auch seien diese „in künstlerischen Studiengängen, für die sich zum Beispiel auch zahlreiche junge ausländische Bewerber melden, kaum spürbar“. Heinz Geuen spricht in diesem Zusammenhang von einer „Konsolidierung“, bei der sich im Rahmen einer in etwa gleich bleibenden Zahl an Neuaufnahmen „die Gewichtung zuungunsten bestimmter künstlerischer Fächer“ verschiebe.
Stutzig macht eine weitere Formulierung in der Stellungnahme: „Das Rektorat der Hochschule berücksichtigt in diesem Jahr verstärkt, dass die Kapazitäten der Professorinnen und Professoren ausgeschöpft werden…“ Eine „missverständliche Formulierung“ sei das, so Geuen, die aber einen wahren Kern habe: „Es gibt Professoren, die über den Hauptfachunterricht hinaus weitere Fächer unterrichten, also Orchesterliteraturspiel, Kammermusik und andere Projekte. Dies führt mitunter dazu, dass Hauptfachunterricht in Lehraufträge verlagert wird. Das kann im Einzelfall qualitativ in Ordnung sein, aber wir wollen hier Wildwuchs vermeiden. Das Kerngeschäft der Professoren ist der Hauptfachunterricht.“
Für die Hochschulstandorte Aachen und Wuppertal sucht man in Köln derzeit ohnehin langfristige Konzepte, die sich von der Vorstellung einer „Miniaturmusikhochschule“ wegbewegen sollen. In Aachen sieht Rektor Geuen, der sich ausdrücklich zur Idee einer „regionalen Hochschule“ bekennt, mit der Opernausbildung ein zukunftsträchtiges Standbein und verweist auf die erfolgreichen Produktionen in Kooperation mit dem Theater Aachen. Für das verkehrstechnisch günstig gelegene Wuppertal kann er sich ein Zentrum für Weiterbildung vorstellen, das – ähnlich dem Orchesterzentrum in Dortmund – auch den anderen NRW-Musikhochschulen zugute käme. Hier könnten nicht nur Weiterbildungs-, sondern auch kostenpflichtige Zertifikatsstudiengänge angeboten werden. Für die arg gebeutelte Stadt Wuppertal müsse das keinen kulturellen Verlust bedeuten, gibt sich Heinz Geuen optimistisch. Entscheidend sei ein gutes Konzept, ein hochkarätiges Angebot und die Frage, mit welchen Veranstaltungen der Hochschulstandort nach außen auftrete. Als Beispiel für einen Masterstudiengang, der gut in Form einer Weiterbildung angeboten werden könnte, nennt Geuen den Master „Singen mit Kindern“, der nicht wie geplant im Wintersemester starten wird. Dies hat zwar offenbar nur indirekt mit den Kürzungen der Lehraufträge zu tun, passt aber zusammen mit der sehr kurzfristig erfolgten Absage der entsprechenden Aufnahmeprüfung zum schlingernden Eindruck, den die HfMT derzeit abgibt.
Was den Tanz betrifft, so betont der Kölner Rektor, man nehme für das Wintersemester 12 bis 14 neue Studierende auf. Man wolle die Arbeitsfähigkeit des Studienangebots bewusst erhalten und garantiere den Neuen auch die vierjährige Ausbildung. Dieses Signal sieht die Studierendenvertreterin Lisa Gallon positiv: „Da haben wir etwas in der Hand und können es auch einfordern, weil für diese Studierende die Infrastruktur da sein muss. Außerdem ist es ein Zeitfenster, mit dem man planen kann.“ Strittig bleibt die Frage nach der räumlichen Situation. Das Tanzzentrum ist in einem alten Schulgebäude im Kölner Stadtteil Nippes untergebracht, das nicht mit Schwingböden ausgestattet ist. Dass dies in der Vergangenheit von den Studierenden immer wieder moniert wurde, will Lisa Gallon nun aber nicht in dem Sinne interpretiert wissen, am ZZT sei kein ordnungsgemäßes Studium möglich: „Im zeitgenössischen Tanz, der hier den Schwerpunkt bildet, findet mehr auf dem Boden statt, hohe Sprünge spielen keine so große Rolle. Es ist nicht perfekt, aber wenn die Schließung die Alternative ist…“
Rektor Heinz Geuen will nun das Gespräch mit allen Beteiligten, aber auch mit möglichen Sponsoren und Kooperationspartnern suchen, um die Zukunft des ZZT, dessen Arbeit er ausdrücklich lobt, zu sichern. Dieses kann sich auf eine breite Unterstützung in der Szene stützen. Die nach Bekanntgabe der Fusionspläne gestartete Online-Petition sammelte in kurzer Zeit über 3.000 digitale Unterschriften und jede Menge Solidaritätsbekundungen, die das Ausbildungskonzept als unverzichtbar für die deutsche Tanzlandschaft bezeichnen.
Immerhin kann Heinz Geuen beim Amtsantrittsgespräch mit der nmz auch Positives vermelden: Die Planungskosten in Höhe von 4,5 Millionen Euro für einen Zweitbau mit neuer Bibliothek und einem Konzertsaal mittlerer Größe sind genehmigt, ein Architektenwettbewerb wird vorbereitet. Für 2018/19 kann die Hochschule somit darauf hoffen, ein kernsaniertes Haupt- und ein neues Nebengebäude beziehen zu können. Kommendes Jahr stehen außerdem neue Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit dem Ministerium an. Neben dem Umbau und der Profilschärfung der Standorte Aachen und Wuppertal und einer leichten Reduzierung der Studierendenzahlen um 100 bis 150, will Heinz Geuen die Studienprogramme „deutlicher auf ihre Sinnhaftigkeit“ überprüfen: „Wir müssen uns – um einen Begriff aus der Bologna-Kritik aufzugreifen – von einer Tendenz zu ‚over-protection‘ verabschieden. Nicht alles muss in Modulen und Modülchen reguliert werden. Wir sollten den Studierenden den von ihnen geforderten Freiraum zugestehen.“ Der eine oder andere finanzielle Freiraum dürfte wohl auch nicht schaden.
Siehe auch den Kommentar auf Seite 1 dieser Ausgabe.