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Der Pyramide hat bislang die Spitze gefehlt

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Jörg-Peter Weigle im Gespräch über den neuen Weiterbildungsmaster Chorleitung in Berlin
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Die Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin bietet in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Chorverband ab Februar 2014 ein Weiterbildungsstudium für Chordirigenten/-innen an. Die nmz sprach mit dessen Leiter, Prof. Jörg-Peter Weigle.


neue musikzeitung: Herr Prof. Weigle, wie kamen Sie auf die Idee, einen Weiterbildungsmaster für Chordirigenten ins Leben zu rufen?

Jörg-Peter Weigle: Seit zwanzig Jahren beschäftige ich mich intensiv mit der Weiterbildung junger Dirigenten, unter anderem als erster Vorsitzender des Beirats für das Dirigentenforum des Deutschen Musikrats, wo ich auch an der Integration der Chordirigenten in das Programm beteiligt war. Und dabei fiel mir auf, dass nur wenige der Chordirigenten ihrem Beruf in einer festen Anstellung nachgehen, der größte Teil von ihnen ist freischaffend tätig. Auch wurden die wenigsten in einem grundständigen Studium ausgebildet, sondern haben Chorleitung höchstens als Zweit- oder Nebenfach studiert. Dabei sind Chordirigenten wesentliche Kulturträger unserer Gesellschaft! Hier gibt es also in der Ausbildungssituation einen Missstand, auf den wir mit dem Weiterbildungsmaster antworten. Am liebsten wäre mir natürlich, wenn es genügend grundständige Studiengänge für Chorleitung gäbe, dann bräuchten wir einen solchen Weiterbildungsmaster gar nicht anbieten.

nmz: Woran liegt es denn Ihrer Ansicht nach, dass es an grundständiger Ausbildung für Chordirigenten mangelt?

Weigle: Ein Grund ist sicherlich, dass diese in Deutschland gegenüber ihren Kollegen von den Orchestern oft das Ansehen von Dirigenten zweiten Grades haben – anstatt sie als Spezialisten zu sehen. In anderen Ländern wie England, Schweden oder Holland wird zwischen Orchester- und Chordirigenten kein großer Unterschied gemacht – bei uns werden letztere dagegen oft abschätzig als Chorleiter bezeichnet.

nmz: Sie kündigen den Studiengang seit Mitte September an – wie ist die Resonanz?

Weigle: Erstaunlich groß! Vor allem bin ich positiv überrascht, dass ich Rückmeldungen aus ganz Deutschland bekomme. Das freut mich sehr, denn wir haben uns ja für die Struktur von vier kompakten Arbeitsphasen von je vier Tagen genau aus dem Grund entschieden, möglichst vielen Interessenten die Teilnahme zu ermöglichen. Bislang haben wir nur einen kleinen Flyer produziert sowie unsere eigenen Netzwerke genutzt – wenn wir jetzt noch die größeren Medien nutzen, bin ich mir sicher, dass es ein großes Echo und entsprechend viele Bewerber geben wird.  

nmz: Hierfür nutzen Sie als Multiplikator auch den Deutschen Chorverband, der als Kooperationspartner maßgeblich an der Konzeption des Studienganges mitgewirkt hat. Wie kam es zu dieser eher ungewöhnlichen Zusammenarbeit von Hochschule und Laienverband?

Weigle: Wir wussten von Anfang an, dass wir diesen Studiengang mit einem Partner aus der Chorszene machen wollen – und der DCV war sowohl personell als auch von seiner Ausstrahlung und Philosophie her einfach der erste logische Ansprechpartner. Als ich dort dann auf offene Ohren für die Idee gestoßen bin, haben wir uns zunächst über bereits bestehende Ausbildungsstrukturen für Chordirigenten ausgetauscht. Denn wir wollten auf keinen Fall bereits bestehende Angebote verdoppeln, sondern diese sinnvoll ergänzen. Weiterbildungsangebote für Chordirigenten in Form von Seminaren etwa an den Bundes- und Landesmusikakademien gibt es schließlich schon viele. Was aber bislang fehlte, ist die professionelle Weiterbildung in Form eines Studiums. Wenn man die Weiterbildungsstruktur für Chordirigenten in Deutschland als Pyramide sieht, fehlte dieser bislang gewissermaßen die Spitze – und genau dort sehen wir uns mit dem Weiterbildungsmaster.    

nmz: Wie sieht denn der Idealtypus eines Bewerbers für Ihren Weiterbildungsmaster aus?

Weigle: Der ideale Bewerber hat ein Musikstudium absolviert, das er bereits vor einigen Jahren erfolgreich abgeschlossen hat. Seitdem hat er reichlich Erfahrung bei der Leitung von klassischen, gemischten Chören im Bereich der „E-Musik“ gesammelt und möchte sich nun neue Anregungen holen – in der Probentechnik und Interpretation ebenso wie beim sich über mehrere Jahrhunderte erstreckenden Repertoire. Je mehr Praxiserfahrung ein Bewerber hat, desto effektiver wird er den Kurs für sich nutzen, ihn aber auch mit seinen eigenen Fragen und Anregungen bereichern können. 

nmz: Wenn Sie über den neuen Studiengang sprechen, wirken Sie sehr begeistert – er scheint auch ein bisschen eine Herzensangelegenheit von Ihnen zu sein …

Weigle: … das ist er auf jeden Fall! Und ich freue mich sehr auf den künstlerischen Austausch, die Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen und die Berichte unterschiedlicher Erfahrungen aus dem Arbeitsalltag der Dirigenten. Zu unterrichten ist schließlich keine Einbahnstraße: Ich selbst nehme auch immer sehr viel mit und profitiere von meinen Studierenden – und das hat mich auch bei der Konzeption dieses neuen Studienganges angetrieben.

Das Interview führte Daniel Schalz, Pressesprecher des DCV

Der Studiengang umfasst vier Arbeitsphasen zu je vier Tagen zwischen Februar und Oktober 2014.

Bewerbungsschluss ist der 1. Dezember 2014. Infos und Bewerbung unter www.hfm-berlin.de/studium/studienangebote/weiterbildung

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