Eckart Runge war 30 Jahre der Cellist des Artemis Quartett, jetzt leitet er seit wenigen Monaten den Bereich Kammermusik für Streicher an der Robert Schumann Hochschule. Er wird den geplanten neuen Master-Studiengang maßgeblich mitgestalten.
Die Aura des Ensembles erspüren
Das Wort „professoral“ will einem zu Eckart Runge nicht gerade einfallen. Zu unserer Verabredung in dem schicken neuen Klassenraum des neuen Professors für Streicher-Kammermusik im Souterrain des Gebäudes E an der Georg-Glock-Straße kommt er straffen Schritts mit dem Cellokasten über der Schulter von der U-Bahn-Haltestelle.
Freundliches Winken schon von Weitem, ein verbindlicher Händedruck. Blaugraue Augen blicken irgendwie herzlich mitten aus diesem kahlen Schädel, der den 56-Jährigen als klar konturiert und nahbar zugleich charakterisiert. Zwischen zwanglos zusammengestellten Stühlen entwickelt sich dann schnell ein Gespräch über das, was war, was ist, was sein wird. Eckart Runge war und ist die Traumpersonalie des neuen Rektors der Robert Schumann Hochschule, Thomas Leander, für eins seiner Herzensprojekte: die Kammermusik an der Robert Schumann Hochschule als Master-Studiengang auf Exzellenz zu bürsten.
Und Runge macht keinen Hehl daraus, dass ihn genau das, nämlich etwas Neues mitaufzubauen, gereizt hat, als er sich auf die Stelle bewarb. „Die Dynamik der Hochschule mitzugestalten, das ist eine tolle Sache“, sagt er. Dass dann alles ganz schnell ging, dass er seine Professur an der Universität der Künste in Berlin Hals über Kopf kündigen konnte, seit April schon in Düsseldorf unterrichtet, das alles scheint sich glücklich in seine augenblickliche Lebensphase zu fügen.
Musik ist Leidenschaft
30 Jahre, seit der Gründung bis zu seinem Ausscheiden 2019, war Eckart Runge Cellist des Artemis Quartett und so etwas wie das Gesicht dieses Ensembles, das schnell zu dem deutschen Streichquartett wurde. In unserem Gespräch nehmen die Anekdoten und Erlebnisse mit der, wie Runge es zuletzt immer drückender erlebt hat, „Quartett-Maschine“, breiten Raum ein. Er kann ungemein farbig erzählen, wie im Artemis Quartett gearbeitet wurde, welche Art der Diskussionskultur zu welchen musikalischen Entscheidungen führte, welche Sonnenseiten eine internationale Karriere bereithält, welche Zwänge sie auf der anderen Seite erzeugt. Der Lust, einzigartige Programme zu kreieren, immer wieder den Bogen zu spannen zwischen den Klassikern und der Moderne, stehe die Notwendigkeit des Business gegenüber, regelmäßig Neues „liefern“ zu müssen. „Wir waren schon ganz schön divers unterwegs“, fasst er diese musikalische Lebensphase zusammen. Seit ein paar Jahren aber macht Runge frei von diesen Zwängen Musik, verfolgt seine Solisten-Karriere weiter, ist aber mit mindestens so viel Herzblut in freieren Formaten auf den Podien der Welt unterwegs. Genreübergreifende Programme pflegt er in verschiedenen Besetzungen, gerade sehr intensiv mit seinem Duo-Partner Jacques Ammon am Klavier oder in einer eigenen Bearbeitung der Goldberg-Variationen für Saxophon, Cello und Akkordeon beim Rheingau-Musikfestival. Literatur, Tango, Jazz... „Musik ist Leidenschaft“, strahlt Runge.
Senden als Essenz
Als Kammermusik-Lehrer gibt Runge seit vielen Jahren seine Erfahrungen an Studierende weiter. Und wenn er nach einem Leitmotiv seiner pädagogischen Arbeit gefragt wird, antwortet er: „Ich will mich als Lehrer überflüssig machen.“ Und meint damit, seine Ensembles mit dem Rüstzeug auszustatten, dass sie sich selbst die richtigen Fragen stellen und ausdiskutieren können. Klar, seine Aufgabe zunächst sei es, in die Ensembles hineinzuhören, ihre Aura zu erspüren, zu erfassen, wer welche Rolle im Gefüge übernehmen kann. Da sei auch mal der Psychologe Runge gefragt. Es sei sicher auch ganz praktisch, wenn er mal einen Fingersatz empfehlen könne. So nach dem Motto: „Wenn du nach einer Stunde im Konzert Beethovens Große Fuge auf dem Pult hast, dann sollten die Finger im Schlaf funktionieren.“ Er sehe seine Aufgabe aber vor allem darin, seinen Schülern das große Privileg zu vermitteln, das sie als Musiker haben. „Die Essenz unseres Berufes ist: senden.“ Musik sei dazu da, dass sie das Publikum erreicht: „Das musst Du wissen und die Ohren immer im Saal haben: dass das, was Du sagen willst, auch in Reihe 15 verstanden wird.“
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