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Susanne Rode-Breymann, Vizepräsidentin der HRK. Foto: HRK/Jürgen Scheere
Susanne Rode-Breymann, Vizepräsidentin der HRK. Foto: HRK/Jürgen Scheere
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Die kulturelle Dimension im Wissensviereck

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Susanne Rode-Breymann vertritt in der HRK die Belange der künstlerischen Hochschulen
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Im November 2021 wurde Prof. Dr. Susanne Rode-Breymann, Präsidentin der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover und Vorsitzende der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen (RKM), als Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) gewählt. Für das Hochschulmagazin der nmz hat Juan Martin Koch mit ihr über ihr Aufgabengebiet innerhalb der HRK gesprochen.

Ihr Schwerpunkt im Präsidium der HRK heißt „Kooperation und Vielfalt innerhalb des Hochschulsystems, Belange der künstlerischen Hochschulen“. Sind das zwei Themen oder gehören sie zusammen?

Es sind zwei Themen, die aber zusammengehörig gedacht sind, was ein ziemlicher Clou ist bei diesem neu geschaffenen Vizepräsidiumsplatz, finde ich. Es hat ja einen längeren Vorlauf, dass die künstlerischen Hochschulen sich in der HRK einen Platz ‚erobert‘ haben. Mein Vorgänger als Vorsitzender der RKM, Martin Ullrich, hat begonnen, ich habe es fortgesetzt. Lange Zeit wurde das von manchen Kolleg*innen nach dem Motto vorangetrieben: Wir werden nicht wahrgenommen, wir brauchen einen Sitz, um unseren Hochschultyp im HRK-Präsidium zu vertreten. Da gab es naturgemäß Widerstände; Peter-André Alt hat dann als HRK-Präsident einen anderen Kurs eingeschlagen: Im HRK-Präsidium sind ja nicht einfach einzelne Hochschultypen vertreten, sondern es geht um Ressorts und inhaltliche Arbeit. In Anbetracht der Tatsache, dass die Aufgaben in der Hochschullandschaft eher zunehmen, ist der Entschluss gefasst worden, das Präsidium zu vergrößern. Wir haben nun ein Ressort, das in einem Wissensviereck die kulturelle Dimension von Hochschulen und Universitäten ganz allgemein vertritt. Das ist im ersten Teil der Ressortbezeichnung aufgehoben. Es geht uns darum, das Dreieck der europäischen Bildungs-, Forschungs- und Innovationsgemeinschaft um die kulturelle Dimension zu einem Viereck zu erweitern. Das gilt für alle Hochschulen.

Wer sitzt da nun zusammen und woran wird konkret gearbeitet?

Es ist eine Arbeitsgruppe aus jeweils zwei Vertretern aus den Kunsthochschulen, den Musikhochschulen, den Fachhochschulen und den Universitäten. Hinzu kommen Cornelia Weber, die das DFG-Portal Sammlungen vertritt, und Peter-André Alt, der darum gebeten hat, über seine Amtszeit als HRK-Präsident hinaus, die zum 1. April 2023 endet, mitarbeiten zu dürfen. Wir werden bis zum November 2023 ein Papier entwickeln, in dem wir das durchdeklinieren: Was ist die kulturelle Dimension von Hochschulen, was sind Hochschulen als Kulturorte? Es gibt ja Musikausbildung auch an Universitäten, es gibt wunderbare Kunstdepartments an Fachhochschulen, und Universitäten sind immer auch Kulturanbieter innerhalb urbaner Gesellschaften. Das gesamte Spektrum  von performiertem, gezeigtem, ausgestelltem Wissen und Können wird in diesem Wissensviereck mitgedacht, wobei alle Hochschultypen mitgenommen werden sollen.

Was ist das Ziel dieses Papiers?

Es ist ein inneruniversitäres Ziel, dass – bildlich gesprochen – auch die unansehnlichste technische Fachhochschule auf dem Acker darüber nachdenkt: Was macht mich als kulturellen Ort aus, als Ort gesellschaftlicher Verständigung? Vielleicht stellt man fest, dass man nicht viel anzubieten hat, kann sich dann aber entscheiden, daran etwas zu ändern. Es soll nicht die alleinige Verantwortung für alles Schöne an die Kunsthochschulen abgegeben werden. Das ist ja auch eine Lehre von Corona: Kultur kann ganz schnell weg sein…

Und außeruniversitär?

Es muss auch eine spezifische Förderung folgen. Es müssen Programme in diese Richtung aufgelegt werden. Das muss sich dann an unser Papier anschließen und in die Wissenschaftsorganisationen hineingegeben werden.

Kommen wir zum zweiten Thema Ihres Ressorts: „Belange der künstlerischen Hochschulen“. Was versprechen Sie sich davon?

Das Gute daran ist, dass die Wege für uns nun kürzer sind – ein Beispiel: Seit 2015 haben wir den Wettbewerb D-bü konzipiert, mit mehreren Bundesregierungen ausgehandelt, neu aufgestellt und sind dann tüchtig in Corona hineingerasselt. Diesen auf innovative Formate ausgerichteten Wettbewerb möchten wir möglichst in eine Dauerförderung bekommen. Wir stehen als Musikhochschulen ja schnell als die Traditionsbewahrenden da, wir machen aber längst auch Neues, Innovatives. Das Kreative, das Erfinden, das neu Konzipieren: Diese Seite, die uns oft gar nicht zugetraut wird, die sollte dann auch langfristig gefördert werden. Hier kommt die HRK ins Spiel, die uns dabei unterstützt, was in den neuen Arbeitszusammenhängen viel besser geht als noch vor acht Jahren.

Und welche gemeinsamen Themen gibt es mit Kunsthochschulen?

Hier wäre die Künstlerische Forschung zu nennen, auch wenn wir hier keine deckungsgleichen Vorstellungen haben.

Tut sich da in Deutschland nun etwas? Es wird ja schon lange darüber gesprochen…

Ja, da sind wir nun ein erhebliches Stück weitergekommen. Bei diesem zähen Weg durch die Instanzen braucht man einfach auch das Vertrauen, in der HRK integriert zu sein. Entscheidend ist hier der neue Hochschulqualifikationsrahmen, der 2017 durch die HRK und die Kultusministerkonferenz (KMK) gegangen ist, was mich heute noch wundert… Damit haben wir nun den rechtlichen Rahmen, um einen solchen dritten Studienzyklus anzubieten. Die Soloklasse ist ja ein eingeführtes Format, den Dr. phil. wollen wir auch weiterhin, aber was ist das Dritte dazwischen? Es hat sich in vielen Diskussionen auch innerhalb der RKM herauskristallisiert, dass wir darunter eine hybride Form verstehen, die von Kunst und Wissenschaft betreut wird. 2021 gab es dazu Empfehlungen des Wissenschaftsrates, womit wir sozusagen schon in der Königsklasse angekommen sind. Die Tendenz ist, das Ganze lieber an weniger Standorten, dafür aber nachhaltig aufzubauen. Jede Hochschule kann nun überlegen, ob sie das will und wie es an ihrem Haus aussehen soll. Derzeit erarbeitet die KMK auf der Grundlage der Wissenschaftsrats-Empfehlungen Rahmenbedingungen. Wir hoffen, dass die KMK einen Zyklus von drei und nicht nur zwei Jahren empfiehlt, was dann auch für entsprechende Stipendien und Graduiertenkollegs gelten müsste. Denn es ist schön, so etwas anzubieten, aber es muss auch finanziert werden.

Wie wollen Sie verhindern, dass Artistic research eine Art Schmalspurmusikwissenschaft wird?

Ja, die einen sehen die Gefahr, dass es zu wenig Kunst und zu viel Nachdenken ist, die anderen befürchten eine „Musikwissenschaft light“. Das darf es natürlich nicht sein. Es muss eine eigenständige Forschungsleistung sein, die nur in diesem hybriden Bereich zwischen Beidem entstehen kann, unter Einsatz von Methoden, die nachvollziehbar und plausibel sind, um die jeweilige künstlerisch-wissenschaftliche Fragestellung zu bearbeiten.

Wie soll am Ende die Präsentationsform aussehen: ganz frei oder mit verpflichtendem schriftlichen Anteil?

Auch das wird immer wieder diskutiert. Da komme ich auf das Wissensviereck zurück. Denn es geht auch hier um die performierten Wissensbestände: Körperwissen oder Aufführungswissen sind ja nicht sprachlich vermittelt. Es muss also am Ende kein Buch herauskommen. Einen entscheidenden Anteil muss aber die Disputation ausmachen. Da wird ja nicht einfach die Arbeit verteidigt, sondern das gesamte Themenfeld reflektiert; das muss in Sprache passieren. Das Verfahren muss aber nicht an jedem Ort gleich sein, es kann sich auch vom Profil der jeweiligen Hochschule ableiten.

Was sind weitere Baustellen?

Die Bundeskulturstiftung wollte das Thema Inklusion an künstlerischen Hochschulen mit uns auf den Weg bringen, was ich für ganz wichtig halte. Zunächst hieß es, es stehe Geld dafür zur Verfügung und wir hatten sehr gute Diskussionen. Dann ist aber die finanzielle Unterfütterung des Ganzen ausgeblieben.

Ihr Elan wurde also ausgebremst?

Ja, es war ein toller Auftakt, aber dann ging das Geld verloren. Man kann das natürlich an einzelnen Hochschulen ausprobieren und tut dies auch, aber wir hätten gerne einen Verbund mit Erfahrungsaustausch aufgebaut und einen Expertenpool gebildet, um das auf eine professionelle Ebene zu bekommen.

Wie erfolgt eigentlich der inhaltliche Austausch zwischen RKM und HRK?

Wir heißen ja „Die Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen in der HRK“. Unsere strukturelle Verankerung in der HRK war also immer da, wir haben sie aber nicht immer wirklich gelebt. Martin Ullrich hat damit begonnen, das aufzubauen. Konkret sind Sprecher*innen der Kunst-und Musikhochschulen immer in den Senatssitzungen der HRK dabei und haben nun auch noch den Präsidiumssitz. Was die Mitgliederversammlung der RKM angeht, so kommt die eine Hälfte der Musikhochschulvertreter zur HRK, die andere geht zur AEC, zur Association Européenne des Conservatoires, Académies de Musique et Musikhochschulen. Es gibt also einen geregelten Austausch auf nationaler wie internationaler Ebene. Auch in den weiteren ständigen Ausschüssen und Arbeitsgruppen der HRK werden die Kunst- und Musikhochschulen berücksichtigt. Das ist übrigens auch ein Signal an die Musikinstitute von Universitäten, die qua Satzung ja nicht Mitglied der RKM werden können: Sie können sich nun an mich in meiner Funktion als Vizepräsidentin der HRK wenden!

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