Wettbewerbe als wichtiger Baustein der musikalischen Ausbildung haben an der Hochschule für Musik Detmold eine langjährige Tradition. Nicht weniger als fünf hochschulinterne Wettbewerbe werden jährlich in Detmold ausgelobt, vom klassischen Kammermusik-Wettbewerb bis hin zu innovativen Formaten wie „Musik & Vermittlung“ oder „Unternehmen: Musik“, in denen neben überzeugenden künstlerischen Darbietungen auch Kompetenzen in Konzertmoderation beziehungsweise Kulturmanagement gefragt sind. Mit dem „Brahms-Klavierwettbewerb Detmold“ öffnet die Hochschule im September 2017 nun erstmals ihre Türen für Studierende aus allen deutschen, österreichischen und schweizerischen Musikhochschulen.
Initiator und Künstlerischer Leiter des Wettbewerbs ist der Pianist Jacob Leuschner, der seit zwei Jahren eine Klavierprofessur an der HfM Detmold bekleidet. Als Kooperationspartner und Förderer stehen ihm die Julius Blüthner Pianofortefabrik und die Alfred-Reinhold-Stiftung zur Seite, durch deren finanzielles Engagement auch der zweite und dritte Durchgang des Wettbewerbs in den Jahren 2019 und 2021 schon jetzt gesichert sind.
Maximal 30 Teilnehmer werden 2017 in Detmold in insgesamt drei Wettbewerbsrunden antreten – das Finale findet als öffentliche Abendveranstaltung im Konzerthaus der Hochschule statt. Den Preisträgern winken Preisgelder in Höhe von 10.000 Euro sowie Anschlussengagements. Mit dem ersten Preis ist darüber hinaus das Angebot verknüpft, im renommierten Erich-Thienhaus-Institut der Hochschule eine Solo-CD aufzunehmen, die von Tonmeister-Studierenden im Rahmen eines Praxis-Seminars unter fachkundiger Anleitung professionell produziert wird.
Durch eine direkte Ansprache der vielfach persönlich bekannten Fachkollegen aus den deutschsprachigen Hochschulen erhofft sich Leuschner, dass der Wettbewerb von Anfang an Unterstützung erfährt: „Man kann der Meinung sein, die Welt habe genügend Klavierwettbewerbe, auch auf höchster und seriösester Ebene. Aber die Kombination von Zielgruppe, Repertoire und regionaler Ausstrahlung im Sinne eines kleinen Klavierfestivals scheint mir das Format eines Wettbewerbs deutlich zu rechtfertigen.“
Das Repertoire rankt sich – nomen est omen – um den Komponisten Johannes Brahms, der in den Jahren 1857-59 jeweils mehrere Monate in Detmold verweilte und hier auch im Fürstlichen Palais unterrichtete, in dem seit 1946 die Musikhochschule beherbergt ist. Vertreten sind neben freien Elementen Werke von Brahms aus allen Schaffensperioden, kontrapunktiert von wesentlichen Vorläufern insbesondere der Wiener Klassik sowie von durch Brahms beeinflusste Komponisten wie der Zweiten Wiener Schule, Reger und Hindemith. Die Auswahl des Repertoires erfolgte sehr bewusst: „Brahms fordert – wie sonst vielleicht nur wenige andere Komponisten – eine hervorragende, aber stets dezente, ‚dienende‘ Klaviertechnik, mehr noch aber ausgeprägte analytische Fähigkeiten und die Bereitschaft zu demütiger Hingabe und Versenkung in die Musik. Seine Kompositionen entlarven jegliche Form der Selbstdarstellung sofort. Darüber hinaus ist die Vielfalt seines Schaffens – von den herausfordernd jugendlichen Sonaten über die hochvirtuosen Variationswerke der mittleren Periode bis zu den abgeklärt-visionären Alterszyklen – so nur noch mit Beethoven vergleichbar und bietet jedem Pianisten höchst vielseitige Aufgaben“, erläutert Jacob Leuschner.
Bei den angefragten Juroren – es konnten unter anderen Hochschulprofessoren aus Wien, München und Frankfurt gewonnen werden – aber auch beim Detmolder Kollegium waren die Reaktionen auf Wettbewerb und Repertoire tatsächlich durchweg positiv. Offensichtlich scheint das Projekt einen bislang unbesetzten Raum zu öffnen. Das mag am Standort Detmold liegen, aber auch daran, dass Brahms als Wettbewerbsschwerpunkt noch nicht seiner Bedeutung entsprechend repräsentiert ist.
Für die Wertungsspiele steht ein Flügel der Firma Blüthner als Leihgabe zur Verfügung, was Leuschner entschieden befürwortet: „Die herausragende Qualität der heutigen Blüthner-Flügel werden dem großen Ruf der Firma in ihrer Blütezeit in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gerecht. Die Instrumente eignen sich hervorragend für die Durchführung eines Wettbewerbs.“ Diese Einschätzung teilt auch der Pianist und Hochschuldozent Christian Köhn, der als Klavierbeauftragter für die Erfassung und Bewertung des Tasteninstrumentariums der HfM Detmold verantwortlich ist und auch den Einsatz der rund 100 hochschuleigenen Flügel koordiniert: „Der typische Blüthner-Flügel hat einen sehr warmen Klang mit einer äußerst differenzierten Klangfarbenpalette gerade im unteren Dynamikbereich. Von diesem warmen und sinnlichen Ideal kann die Musik von Johannes Brahms nur profitieren.“
Das Wettbewerbsinstrument wird im Anschluss an die Wertungsspiele noch einige Zeit in Detmold verbleiben, damit sich Studierende und Lehrende der Hochschule mit ihm vertraut machen können. Christian Köhn begrüßt dieses Vorhaben, denn auch wenn derzeit auf den meisten Konzertpodien der Welt nach wie vor Steinway-Flügel stehen und sich diese Tatsache auch im Instrumentarium der Hochschule widerspiegelt, hält er es für vorteilhaft, gerade in der Ausbildung auf Instrumenten unterschiedlicher Marken zu spielen: „Die Studierenden erlernen hierdurch eine Flexibilität, die ihnen in ihrer späteren Berufstätigkeit helfen wird.“
Tatsächlich ist der reine Konzertpianist als idealtypischer „reisender Virtuose“ ein Modell, das heute bekanntlich nur noch selten existiert. Die Lebensform eines Pianisten nach dem Hochschulabschluss ist in der Regel eher eine Mischform aus pädagogischer Arbeit, freiberuflichen Konzerten, kammermusikalischer Tätigkeit, Korrepetition und genreübergreifenden Aktivitäten. Und so ist es auch nicht der sportliche Aspekt des Wettstreits, der beim Brahms-Klavierwettbewerb im Vordergrund stehen soll. Neben den Preisen soll der Reiz einer Wettbewerbsteilnahme vielmehr in der intensiven Beschäftigung mit dem Repertoire liegen. Die lebendige Kunst der Interpretation weiterzutragen und weiterzuentwickeln, durch das Zuhören bei den Mitbewerbern eigene Stärken und Schwächen besser einschätzen zu können und womöglich lebenslange Kontakte zu knüpfen – dies sind die Ziele, die die Hochschule an die Etablierung des Wettbewerbs knüpft. Dass daneben auch Marketing-Aspekte eine Rolle spielen, gibt Rektor Prof. Dr. Thomas Grosse gerne zu: „Die Ausbildungsqualität in unserer Klavierabteilung ist exzellent, und die Hochschule würde sich natürlich freuen, wenn Detmold bei der Wahl des Studienortes hochbegabter junger Pianistinnen und Pianisten durch den Wettbewerb eine noch größere Bekanntheit erlangen könnte. Denn immer wieder erleben wir: Wer einmal hier war, kommt gerne wieder!“
Informationen und Anmeldung:
www.brahmscompetition-detmold.de
Anmeldeschluss: 30.04.2017