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In einer der größten Musikschulen Europas, der Leo-Borchard-Musikschule in Steglitz-Zehlendorf herrscht derzeit die pure Existenzangst. Der Etat der Bildungseinrichtung wurde auf magere 30.000 Euro jährlich zusammen gestrichen, wegen wiederholter Haushaltssperren konnten in der Saison 2001/2002 keine neuen Schüler aufgenommen werden.
„Uns ist ein ganzer Jahrgang weggebrochen“, schlägt Lehrer-Vertreterin Pia Offermann Alarm und warnt: „Wenn wir keine Schüler nehmen dürfen, ist das eine bildungspolitische und wirtschaftliche Katastrophe für uns.“ Der Steglitz-Zehlendorfer Kulturstadtrat Erik Schrader(FDP) hat nun Konsequenzen gefordert: „Wir verlangen vom Senat ein Zeichen, dass Honorarverträge von den Haushaltssperren ausgenommen werden.“ Neben den ohnehin deprimierenden Zahlen wird dir Belegschaft durch Gerüchte weiter verunsichert. So will Schulleiter Joachim Gleich davon gehört haben, dass der Leo-Borchard-Musikschule 2005 der Geldhahn endgültig zugedreht wird.„Derweil weist man bei der Senatsverwaltung für Finanzen die Verantwortung für die Misere der Musikschulen weit von sich. Jeder Bezirk kann seine Prioritäten auf Grundlage des zugewiesenen Globalbudgets selbst festlegen. Das heißt auch, dass der Bezirk selbst entscheiden muss, wie er seine Musikschule ausstattet“, sagt die Referentin von Finanzsenator Thilo Sarrazin(SPD), Sandra Hildebrandt. Vor Ort argwöhnt man, dass das Bezirksbudget gezielt um die Kosten der Musikschule gekürzt wird. Das Problem ist auch in anderen Bezirken bekannt.
Rund 10.000 Stellen sind in den vergangenen 5 Jahren in den Berliner Musikschulen gestrichen worden. In Reinickendorf wurden erst kürzlich auf einen Streich die Verträge von 40 Honorarkräften nicht verlängert. „Ich weiß definitiv, dass Sarrazin die Musikschulen abwickeln will“, behauptet Christian Höppner, Leiter der Musikschule in Charlottenburg-Wilmersdorf und Präsident des Landesmusikrates Berlin. Außerdem attackiert er Bildungssenator Klaus Böger(SPD): „Der engagiert sich als zuständiger Fachsenator in keiner Weise.“ Eine gute Nachricht gibt es immerhin: Im laufenden Jahr brauchen die Musikschulen keine Haushaltssperre mehr zu fürchten. „Die Bezirke haben ihren Konsolidierungsbeitrag für 2002 im Rahmen des zugewiesenen Globalbudgets bereits erbracht“, versichert Hildebrandt.
Quelle: Der Tagesspiegel, 9. September 2002