Das Semester hatte noch nicht begonnen und dennoch waren die Räume der Musikhochschule Carl Maria von Weber Dresden (HfM) Mitte September bereits von zarten Klängen erfüllt. Den Auftakt für das Studienjahr gaben diesmal in der Erstsemesterwoche die Dresdner Meisterkurse Musik, bei denen sich rund 80 Teilnehmer aus 17 Nationen von namhaften Dozenten zu Höchstleistungen anspornen ließen.
Nicht immer ging es dabei allein um die beste musikalische Interpretation. Die englische Klarinettistin Emma Johnson beispielsweise verfolgt in ihren Kursen einen ganzheitlichen Ansatz und lehrt ihren Meisterschülern auch, wie sie auf die Bühne kommen und mit Ausstrahlung überzeugen, bevor überhaupt der erste Ton gespielt ist.
Der Meisterkurs Improvisation von Jazzlegende Günter Baby Sommer wagte mit einem Experiment einen besonders weiten Blick über den musikalischen Tellerrand. Die jungen Musiker brachten nicht nur Gitarre, Geige, Klavier, Schlagzeug und allerlei andere Gegenstände in spontanen Einklang, sondern wurden von drei Studenten der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) in ihrer Performance erstmals akustisch wie optisch verstärkt. Die drei jungen Künstler Antje Meichsner, Simon Hillme und Felix Ermacora studieren an der HfBK bei Prof. Carsten Nicolai mit Schwerpunkt auf digitale und zeitbasierte Medien. Die Teilnahme am Meisterkurs Improvisation war für sie Herausforderung und spannende Erfahrung zugleich. „Wir spielen alle auch Instrumente und trotzdem war es nicht ganz leicht, innerhalb kurzer Zeit zwei verschiedene Welten zusammen zu bringen“, sagt Felix Ermacora. Während die fünf Musiker Tina Laube (Geige), Judith Beckedorf (Gitarre), Hannes Rauschelbach (Schlagzeug), Ioanna Tripodianaki (Piano) und Ievgenia Shelestova (Klangschale) an der klanglichen Improvisation arbeiteten, versuchten die Künstler das Soundkonzept vor allem räumlich anzugehen.
Das Ergebnis dieser spannungsvollen Kooperation wurde bei einem Workshop Concert präsentiert und kam einer Uraufführung im Rahmen der Dresdner Meisterkurse Musik gleich. Im dunklen Raum der Probebühne an der HfM gipfelte dies in einem mitreißenden Zusammenspiel von Instrumenten mit elektronischen Lauten und einer Videoinstallation der Künstler. An die Wand projizierte Strahle und Buchstabenreihen korrespondierten mit phantasievollen Klangwelten und schufen eine geheimnisvolle Atmosphäre. Egal ob in „Zufallsminiaturen“ oder Tutti-Improvisationen, Kunst und Musik fanden hier auf faszinierende Weise zu einem gemeinsamen Ausdruck.
Da Kunst in der Realität aber nie – wie hier – im geschützten schwarzen Kasten, sondern am hart umkämpften Markt stattfindet, sind Gesprächsangebote zur Karriereplanung in einer solchen Woche wohl mindestens genauso wichtig wie die künstlerische Bildung im Meisterkurs. Entsprechend gut besucht waren Veranstaltungen wie die Diskussion „Musikstudium und was dann?“, bei der die Studenten im vertrauten Rahmen mit Kursdozenten und Florian Uhlig, Prorektor für Künstlerische Praxis an der HfM, Erfahrungen austauschen.
Mit der Mischung aus interdisziplinären Angeboten, künstlerischer Bildung und genreübergreifenden Experimenten sind die Dresdner Meisterkurse Musik längst ein Raum für kreative Entdeckungen und spannungsvolle Begegnungen geworden. Dies zu entwickeln, wäre die Aufgabe einer neuen Hochschulleitung und könnte gewiss auch positiv auf die Stadt ausstrahlen. Am Ende des sechsten Jahrgangs muss man vor dem Hintergrund sukzessiver Kürzungen besonders jenen danken, die die Meisterkurse Musik mit viel Herzblut und Engagement am Leben halten.
Oder anders gesagt: Die Organisation von 80 Studenten in sieben Meisterkursen inklusive fünf Konzerten und neun Vorträgen/Workshops an sechs Tagen lag dieses Mal in der Hand von nur zwei Mitarbeitern. Ungeachtet dessen stand zum Abschluss dieser spannenden sechs Tage im finalen Konzert noch einmal ganz und gar die Kunst im Mittelpunkt. Die Kursteilnehmer präsentierten im Konzertsaal der HfM die Ergebnisse einer intensiven Arbeitswoche.
Erschienen in den Dresdner Neuesten Nachrichten, Nr. 222/2018, Ausgabe 22./23.09.2018