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Ein Abschied vom 19. Jahrhundert ist überfällig

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Plädoyer für eine Reform der Instrumentallehrerausbildung an den Hochschulen
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In den Ausgaben April und Mai 2001 der neuen musikzeitung hat Christoph Richter Wege zu einer Strukturreform des Musikstudiums gewiesen. Beim diesjährigen VdM-Kongress in Leipzig referierte Michael Koch zum Thema „Lehrer lernen von ihren Schülern“. Dabei beleuchtete er auch die Ausbildungssituation der künftigen Instrumentallehrer und zeigte Aspekte einer inhaltlichen Reform des Studiengangs Instrumentalpädagogik auf. Dieser Abschnitt findet sich, geringfügig überarbeitet, im Folgenden abgedruckt.

In den Ausgaben April und Mai 2001 der neuen musikzeitung hat Christoph Richter Wege zu einer Strukturreform des Musikstudiums gewiesen. Beim diesjährigen VdM-Kongress in Leipzig referierte Michael Koch zum Thema „Lehrer lernen von ihren Schülern“. Dabei beleuchtete er auch die Ausbildungssituation der künftigen Instrumentallehrer und zeigte Aspekte einer inhaltlichen Reform des Studiengangs Instrumentalpädagogik auf. Dieser Abschnitt findet sich, geringfügig überarbeitet, im Folgenden abgedruckt.Das Studium der Instrumentalpädagogik ist auch heute noch wesentlich davon gekennzeichnet, dass derjenige Studierende der bessere ist, der sein Instrument besser spielt als seine Mitstudierenden, nicht derjenige, der besser unterrichtet – seit eh und je absurd für einen Studiengang, der in erster Linie künftige Lehrer ausbildet und nicht konzertierende Künstler. Das solistische Instrumentalspiel besitzt also nach wie vor den höchsten Stellenwert im Studium. (Nicht umsonst heißt es dort meist noch „Hauptfach“!)

Um diese Zustände zu ändern, das Studium also vom Kopf auf die Füße zu stellen, braucht es eine Werteverschiebung: Nicht mehr der lehrende Künstler darf das Idealbild sein, sondern der als Musiker kompetente Lehrer muss es werden. Im 21. Jahrhundert also endlich Abschied vom 19.!

Es hat den Anschein, dass eine solche Werteverschiebung in den Ausbildungsinstituten bereits begonnen hat: Dort kommt es seit Jahren mehr und mehr in Mode, Studierende unter Anleitung das Unterrichten in der Praxis üben zu lassen. Dabei scheint das favorisierte Modell des Unterrichtspraktikums das Mentorenmodell zu sein: Das Unterrichten-Üben der Studierenden wird in die Musikschulen der Umgebung „ausgelagert“, überantwortet den dort als Mentoren fungierenden Musikschullehrern. Auf solche Weise können sich Ausbildungsinstitute den eigentlich wesentlichen Inhalt des Studiums der Instrumentalpädagogik – das Unterrichten-Lehren – weiterhin vom Hals halten; Künstler und Theoretiker werden in ihrem Elfenbeinturm nicht gestört. Dort findet zwar nach wie vor Allgemein- und Fachdidaktik statt, doch die Verknüpfung mit dem Unterrichtspraktikum der Studierenden gerät im Einzelfall mangelhaft: Denn Didaktiker und Mentor sind verschiedene Personen, die örtliche Trennung der Veranstaltungen tut ein Übriges.

Es ist klar, was an dieser Situation verändert werden muss: Das Unterrichtspraktikum als das eigentliche Hauptfach gehört zur Gänze in die Verantwortung der Ausbildungsinstitute; Didaktiker und Mentor müssen die gleiche Person sein, diese sollte, um nicht die Bodenhaftung zu verlieren, in gewissem Umfang auch Musikschulunterricht erteilen müssen (Instrumentalunterricht auf Hochschulebene zu geben scheint für diese Lehrkraft nicht so zwingend geboten); alle Theorieveranstaltungen im pädagogischen Bereich müssen mit dem Unterrichtspraktikum so eng verzahnt werden, dass ihre Inhalte ohne größere Zeitverzögerung in das Praktikum transferiert werden können. (Denn Theorie, die nicht alsbald in die Praxis einfließen kann, wird vergessen. Jeder in der Ausbildung Tätige weiß, dass Transfer ein frommer Wunsch bleibt, wenn er nicht unter Anleitung und zeitnah geschieht.)

Das bedeutet nicht zuletzt, das Unterrichten-Üben der Studierenden im Studium zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzen zu lassen – nicht erst nach drei, vier oder noch mehr Semestern, wenn der Studierende sich endlich „künstlerisch gefunden“ hat. Natürlich darf das nicht auf Kosten der Ausbildungsqualität in den übrigen Fächern gehen. Allerdings gehört die Praxisrelevanz so mancher Studieninhalte (nicht unbedingt vorrangig der Instrumentalfächer) einmal gehörig hinterfragt...

Nach ihrem Studium müssen Instrumentallehrer nicht nur allgemein- und fachdidaktisch kompetent, sondern selbstverständlich auch fähige Musiker sein. Um ihr Können und Wissen aber „an den Schüler zu bringen“, benötigen sie in ganz besonderem Maß Unvoreingenommenheit sowie gut entwickelte Wahrnehmungs- und Kommunikationsfähigkeit.
Kommunikation umfasst weit mehr als Stimmbildung oder Sprecherziehung. Aber auch sie kann geübt werden. In den Studiengang Instrumentalpädagogik gehören demzufolge entsprechende Stundenkontingente.

Darüber hinaus benötigen die Studierenden Zeit und Gelegenheit für die angeleitete Reflexion der eigenen Lernbiografie. Denn wer als Instrumentallehrer das eigene Werden als Instrumentalist nicht rückblickend durchdacht hat, wird immer wieder in die Falle tappen, das Unterrichten seiner Lehrer nachzubilden. Eine solche Auseinandersetzung mit dem eigenen Werdegang ist grundlegend in Bezug auf die Ausbildung von pädagogischer Wahrnehmungsfähigkeit.

Und was die Unvoreingenommenheit anlangt: Alle, die Instrumentalschüler und damit potenzielle Lehrer unterrichten, lassen in diesen ein Bild vom Instrumentallehrer und seiner Arbeit entstehen. Schön, wenn dieses Bild entsprechend geprägt wird!

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