Im Jänner 2017 versammelte das italienische Fachmagazin Classic Voice mehr als 100 ExpertInnen aus ganz Europa, um die wichtigsten Kompositionen des 21. Jahrhunderts zu ermitteln. Daraus ergab sich ein Ranking der bedeutendsten zeitgenössischen KomponistInnen, das mehrere österreichische oder mit Österreich verbundene KünstlerInnen an prominenter Stelle anführt. So sehr sich deren künstlerische Positionen unterscheiden, eines haben die meisten von ihnen gemeinsam: Sie lehren an der Kunstuniversität Graz.
Mit Beat Furrer, Georg Friedrich Haas, Gerd Kühr, Bernhard Lang oder Klaus Lang finden sich prägende Künstlerpersönlichkeiten der musikalischen Gegenwart unter den Kompositions-Lehrenden in Graz. Zudem hat das einst von Beat Furrer gegründete Klangforum Wien hier eine kollektive Professur für Performance Practice in Contemporary Music (PPCM) inne. Dabei geht es um informierte Aufführungspraxis – für die Klangwelt der Gegenwart. Im Zusammenspiel von Komposition und Interpretation ist so ein einzigartiges Labor für Neue Musik entstanden. Georg Friedrich Haas – übrigens Erstplatzierter im zitierten Classic-Voice-Ranking – hat, als er in den USA auf diese bedeutende österreichische Komponistengeneration angesprochen wurde, sogar den Begriff einer „Ersten Grazer Schule“ in den Raum gestellt.
Eben dieser widmet sich seit vergangenem Studienjahr ein ganz besonderes Projekt der Kunstuniversität Graz. In Verbindung mit der Veranstaltungsreihe „Im Porträt“ entsteht ein „Archiv der Gegenwart“. Als Kooperation des Universitätsarchivs mit dem Institut 1 – Komposition, Musiktheorie, Musikgeschichte und Dirigieren wird das Schaffen von an der Kunstuniversität Graz wirkenden Komponistinnen und Komponisten in Form einer jeweils individuell gestalteten Porträt-Veranstaltung mit Musik, Gesprächen und Diskussionen präsentiert: eine Begegnung in Wort und Ton. Die künstlerische Leitung der Veranstaltungsreihe obliegt Dimitrios Polisoidis, der mit PPCM-Studierenden den musikalischen Teil der Veranstaltungen gestaltet.
Die Reihe „Im Porträt“ ist Basis für eine multimediale Dokumentation und erfährt im Sinne eines „Archivs der Gegenwart“ ihre Präsentation im Universitätsarchiv auf einer eigens für das Projekt erstellten Homepage: www.ausstellung-kug.at/archiv-der-gegenwart
Bisher porträtiert wurden Klaus Lang (24. Jänner 2017), Joanna Wozny (13. Mai 2017), Jennifer Walshe (4. Dezember 2017) und Gösta Neuwirth (15. Dezember 2017). Am 15. Mai 2018 folgt nun ein Im-Porträt-Abend zu Georg Friedrich Haas. Die Moderation des Konzertes übernimmt mit Veronica Kaup-Hasler die vormalige Intendantin des Festivals steirischer herbst.
Übrigens: Dem Komponisten Georg Friedrich Haas ist im laufenden Studienjahr noch ein weiterer Konzert-Abend gewidmet: Zum Semesterende lädt die vierte Ausgabe der Reihe „Scan“ zur intensiven Auseinandersetzung mit seiner Musik ein. Mit „Scan“ präsentiert das Klangforum Wien im großen György-Ligeti-Saal der Kunstuniversität Graz spartenübergreifende künstlerische Forschung. PPCM-Studierende untersuchen – dieses Mal im Verein mit KollegInnen aus dem Institut Saiteninstrumente – die Essenz von Kompositionen. Diese werden gespielt, „eingescannt” und in ein neues musikalisches Ereignis transformiert. Bisher geschah dies mit Musik von Bernhard Lang, Klaus Lang und Berat Furrer.
Am 20. Juni 2018 werden Werke von Georg Friedrich Haas gescannt.