Bundesweit gibt es einen eklatanten Mangel an Lehrkräften für das Fach Musik, der sich durch die Corona-Pandemie weiter verschärft hat. Dagegen will die Landesregierung Schleswig-Holstein mit einer ambitionierten Strategie steuern und neue Zugänge zum Einstieg in den Lehrberuf schaffen. Im Fokus stehen dabei aktuell Maßnahmen in Zusammenarbeit mit der Musikhochschule Lübeck (MHL), die insbesondere das Musiklehramt an Grundschulen neu profilieren.
Ein bildungspolitischer Paukenschlag
Damit das Grundschullehramt für Studierende attraktiver wird, sind zwei Aspekte von Bedeutung: Zum einen wurde die Besoldungsstufe von A12, wie an Gymnasien auf A13 angepasst, zum anderen an der MHL ein sogenannter Umstiegsmaster als neuer Studiengang eingerichtet, der zum Gesamtprojekt MusikPlus gehört.
Dieser ist, so Karin Prien (CDU), Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur in Schleswig-Holstein, „als neuer Baustein für die Grundschul-Musiklehramtsausbildung ein klares und deutliches Bekenntnis zur kulturellen Bildung in Schleswig-Holstein.“
Flexible Zugänge zum Grundschullehramt als Alleinstellungsmerkmal
Diese Umstiegsmöglichkeiten in die Grundschule sind ein bundesweit einzigartiges Modell und für die MHL ein Alleinstellungsmerkmal. Sie erweitern das Ausbildungsspektrum und ermöglichen es Studierenden, ihr Studium gemäß ihren Fähigkeiten und Neigungen flexibel zu gestalten. „Ein kulturpolitischer Paukenschlag“ sei das, meint MHL-Präsident Prof. Dr. Bernd Redmann, von dem er bundesweiten Nachhall erhofft. Nicht nur ein Umstiegsmaster, sondern auch ein grundständiger Bachelor- und Masterstudiengang sind nämlich für das Lehramt Grundschule in Lübeck geplant. „In einer finanzpolitisch schwierigen Situation investiert das Land 250.000 Euro zusätzlich in die kulturelle Bildung von Kindern im Grundschulalter − für mich eine Zukunftsinvestition in eine integrale und resiliente Gesellschaft.“ Dadurch kann nicht nur der Umstiegsmaster zum Wintersemester 24/25 eingeführt werden, sondern bald ein vollständiger Bachelor- und Masterstudiengang für das Lehramt an Grundschulen folgen, den es bisher an der MHL nicht gab.
„Da haben wir als einzige Musikhochschule in Schleswig-Holstein eine besondere Verantwortung“, ist Redmann überzeugt. „Unser Bereich der künstlerischen Ausbildung auf höchstem Niveau ist seit Jahrzehnten etabliert und gut aufgestellt und soll erhalten und weiterentwickelt werden. Und der Bereich Lehramt und Instrumentalpädagogik mit Wirksamkeit für die Breitenkultur und die regionale Musikförderung hat nun unsere besondere Aufmerksamkeit bekommen. Vonseiten der MHL wollen wir uns verstärkt um die Musikkultur in Norddeutschland kümmern, für die wir zusammen mit anderen Musikhochschulen zuständig sind. Wir wollen damit einen bildungspolitischen Gegenakzent zu Strömungen setzen, die das Fach Musik weiter schwächen.“
Studiengang zur Grundschul-Qualifikation
Dreh- und Angelpunkt der aktuellen Initiative ist MusikPlus, ein bis 2028 mit jährlich 82.000 Euro gefördertes Pilotprojekt an der MHL mit einem Studiengang, der mit dem „Handlungsplan Lehrkräftegewinnung“ der schleswig-holsteinischen Landesregierung und der „Allianz für Lehrkräftebildung“ entwickelt wurde. „In dieser Vernetzung von MHL, Schulen und anderen Bildungsträgern können sich Studierende aus künstlerischen und musikpädagogischen Bachelorstudiengängen in vier Semestern für das Grundschullehramt vorbereiten und qualifizieren“, erklärt Prof. Dr. Annette Ziegenmeyer, Musikpädagogin an der MHL, Leiterin des Zentrums für Lehrkräftebildung und Vorstandsmitglied in der Allianz für Lehrkräftebildung, die die Idee für dieses Studienkonzept entwickelt hat und seine Realisierung begleitet. Im Zuge ihrer aktiven Mitarbeit im Vorstand der Allianz für Lehrkräftebildung konnte sie auch eine neue Koordinationsstelle schaffen. Mit dem Ziel der Nachwuchsgewinnung in der Musiklehrkräftebildung trägt diese den Titel „Musik-Botschafter*innen“, denn ein Baustein dabei ist es, Musikstudierende an Schulen zu entsenden, um für den Musiklehrberuf zu werben. Hierbei kann die MHL auf das bestehende und ständig weiterwachsende Schulnetzwerk „MusiS“ zurückgreifen, das schon fast 50 beteiligte Schulen in Schleswig-Holstein umfasst. Die MHL ergänzt damit ihre bereits bestehenden Studiengänge für das Lehramt an Gymnasien, zu denen bereits auch ein Umstiegsmaster für Gymnasium und Gemeinschaftsschule gehört. Ab 2026 können die im Umstiegsmaster Grundschule ausgebildeten Lehrkräfte nach der neuen Qualifikation arbeiten. Der Bedarf an Musiklehrkräften ist groß: Insgesamt gibt es zurzeit rund 400 Musiklehrkräfte an schleswig-holsteinischen Grundschulen, 973 Musiklehrkräfte werden zusätzlich benötigt, doch lediglich 65 Personen an den schleswig-holsteinischen Hochschulen ausgebildet.
Anforderungen für das Lehramt Musik
Nun sind diese Wahlmöglichkeiten für ein Lehramtsstudium Musik nicht beliebig, sondern müssen mittels einer Fach-Eignungsprüfung mit hohen Anforderungen validiert werden. Diese Hürde, weiß Jan-Christian Wagner, MHL-Student im fünften Fach-Semester Bachelor of Arts „Musik vermitteln“, aus eigener Erfahrung, kann mit Vorbereitungsprogrammen überwunden werden. Hier hat die MHL einen Impuls gesetzt und zusätzliche kostenlose Vorbereitungsformate für Bewerberinnen und Bewerber (Online sowie Kompaktwochenende in Präsenz) ins Leben gerufen. Viele der Teilnehmenden beginnen dann tatsächlich im Anschluss ein Studium an der MHL. Im Ganzen findet Wagner die „Ausbildung in Lübeck aufgrund der Vielseitigkeit und Durchlässigkeit der Studiengänge spannend und für die Studierenden enorm anspornend.“
Im Umstiegsmaster ist auch eine Qualifikation für die Fächer Deutsch und Mathematik vorgesehen. So sollen neue Zielgruppen für das Lehramt rekrutiert, die Zugangsfrequenz zu den Grundschulen erhöht und deren Versorgung langfristig gestärkt werden. Der Umstiegsmaster kann auch eine Chance für Aspiranten aus einem Migrationskontext sein, sodass mehr kulturelle Diversität entstehen kann.
An der MHL ist − im Unterschied zu anderen Ausbildungsstätten − Musik als Doppelfach zentral, die Eintrittskarte in eine ungeschmälerte A13-Besoldung an der Grundschule. Sie erlaubt es auch, das verantwortungsvolle Amt der Klassenleitung zu übernehmen. Die Zertifikate für Mathematik und Deutsch können in von der Landesregierung genehmigten Kursen an der Universität zu Lübeck und dem Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH) erworben werden, sodass Studierende ihren Umstiegsmaster komplett vor Ort absolvieren können. Die Grundschulmusikpädagogin Dr. Anna Unger-Rudroff hat das Konzept für den Umstiegsmaster MusikPlus entwickelt und beschreibt das Profil: „Mit dem Abschluss Master of Education haben die Absolvent*innen die Zulassungsvoraussetzungen zum Vorbereitungsdienst im Doppelfach Musik. Aufgrund der differenzierten Vorkenntnisse können sich solche Lehrkräfte situativ auf die Grundschulkinder einstellen, auf deren Wahrnehmungen adäquat reagieren und ihre Begeisterungsfähigkeit stärken.“ Elemente des Unstiegsmasters sind Nachweise der Fertigkeiten an einem Begleitinstrument (Klavier oder Gitarre), dazu Gesang und Stimmbildung, Ensembleleitung − zum Beispiel eines Kinder-Chores −, Kenntnisse in Erziehungswissenschaften mit Fokus auf das Grundschulalter ebenso wie in Musikpädagogik und Fachdidaktik. Die Verzahnung von Theorie und Praxis ergibt sich im Master-Praktikum sowohl an Einzeltagen als auch im Block. Den Abschluss bildet eine Masterarbeit.
Erwartungen und Fazit
Anna Unger-Rudroffs Tochter Valerie ist in der dritten Klasse einer Lübecker Grundschule und benennt stellvertretend für ihre Altersgruppe, welche Erwartungen sie an eine optimale Musiklehrkraft hat: „Sie soll sich gut auskennen und uns alles gut erklären können; sie soll die richtigen Lieder, die uns gefallen, aussuchen. Sie soll ein Instrument spielen, damit sie uns begleiten kann. Sie soll schön singen können, damit wir ihr gerne zuhören und auch schön singen lernen. Sie soll Ideen der Kinder einbringen, damit der Unterricht motivierender ist. Wir wollen auch manchmal tanzen und Musik erfinden. Jedes Kind soll ein Instrument spielen und wir wollen auch Aufführungen machen.“
Diesen Erwartungen komme die MHL zielgenau entgegen, indem das Musik-Lehramt an Grundschulen nicht nur die genannten Qualifikationen umfasst, sondern auch die in der Elementaren Musikpädagogik verankerten Themen wie Musik in Bewegung, szenische Aktion und Tanz, präzisiert Bernd Redmann. Und Ministerin Karin Prien ist sogar überzeugt, dass der Lübecker Umstiegsmaster eine Blaupause für andere Zielgruppen in Mangelfächern wie zum Beispiel Mathematik werden könnte, mit dem Ziel Studienstrukturen weiter zu flexibilisieren. So kann die MHL ein starker Motor werden, um den Mangel an Lehrkräften in den Schulen zu beheben – vielleicht nicht nur im Fach Musik.
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