Im Jahr 2005 wurde auf Initiative der Musikhochschule Mannheim die Orchesterakademie Rhein-Neckar gegründet. Seitdem hat sie sich sehr erfolgreich als ein wesentlicher Baustein der Berufsvorbereitung entwickelt und unverzichtbar gemacht. Aus diesem Anlass sprach Anca Vulpe mit Prof. Ehrhard Wetz, dem Vizepräsidenten der Hochschule über die Ausbildung von Studierenden der Orchesterinstrumente in Mannheim.
Herr Prof. Wetz, Sie sind Vizepräsident und Professor für Posaune an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim. Was können Sie über die Orchesterausbildung an Ihrer Hochschule berichten?
Die Orchesterabteilung unserer Hochschule sieht sich der großen Tradition der „Mannheimer Schule“ verpflichtet, die die Entwicklung der europäischen Orchesterkultur entscheidend geprägt hat. Deshalb ist es uns ein besonderes Anliegen den Hauptfachunterricht für alle Orchesterinstrumente durch hauptberufliche Professoren anzubieten. Ich freue mich sehr darüber, dass dies in Kürze erreicht sein wird.
In wenigen Wochen werden wir in den Fächern Tuba und Harfe erstmals Berufungsverfahren abschließen und haben dann auch dort strukturell einen Standard erreicht, wie er bei allen anderen Orchesterinstrumenten schon seit Jahrzehnten selbstverständlich ist.
Neben dem Hauptfachunterricht, der in den künstlerischen Studiengängen durch umfangreiche und mit eigenen Leistungspunkten ausgestattete Lehre in Orchesterstudien ergänzt wird, nimmt natürlich die Arbeit im Hochschul-Sinfonieorchester einen zentralen Platz in unserer Orchesterausbildung ein. Hier werden regelmäßig unter professionellen Bedingungen sinfonische Programme in öffentlichen Konzerten präsentiert. Darüber hinaus werden große Teile des Standardrepertoires im Überblick in Proben erarbeitet. Zum Kernbereich des Orchesterspiels an der Hochschule gehört auch die Aufführung von Opern, sei es in Zusammenarbeit mit dem Institut für Musiktheater der Hochschule oder im Zusammenwirken mit professionellen Sängern des Nationaltheaters Mannheim und unter der Leitung des stellvertretenden Chefdirigenten des Hauses. Unser Hochschulorchester hat bereits mehrfach in diesem traditionsreichen und namhaften Theater gespielt, beispielsweise „Hänsel und Gretel“ und „Carmen“. Für die nächste Saison ist der „Barbier von Sevilla“ geplant.
Gibt es auch spezielle Studienangebote, mit denen Studierende der Orchesterinstrumente auf den Berufsalltag gezielt vorbereitet werden?
Neben den Studiengängen Bachelor und Master haben wir als besonderes Studienangebot im dritten Zyklus das Zusatzstudium „Orchestersolist“. Hier wird in vier Semestern ausschließlich auf das Berufsziel Orchestermusiker hingearbeitet. Neben dem Hauptfachunterricht ist wöchentlich eine Stunde Einzelunterricht in Orchesterstudien vorgesehen. Zusätzlich zur Mitwirkung im Hochschulorchester wird Kammermusik, Probespieltraining und Mentales Training angeboten. In den beiden Abschlussprüfungen werden ausschließlich „orchesterspezifische Inhalte“ bewertet, also die Aufführung der üblichen Probespielkonzerte, vieler Probespielstellen sowie die Leitung von Satz- bzw. Stimmgruppenproben.
Wie praxisnah ist diese Ausbildung? Haben die Studierenden beispielsweise auch die Möglichkeit Erfahrungen in den professionellen Klangkörpern der Region zu sammeln?
Selbstverständlich, das ist uns enorm wichtig. Vor 10 Jahren, im Jahr 2005, haben wir die Orchesterakademie Rhein-Neckar gegründet, eine Kooperation mit den vier professionellen Orchestern der Metropolregion Rhein-Neckar. Dies sind die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, das Orchester des Nationaltheaters Mannheim, das Philharmonische Orchester der Stadt Heidelberg und das Kurpfälzische Kammerorchester. Die Studierenden sammeln in dieser Akademie Erfahrungen in allen drei Orchestersparten, nämlich im Kammerorchester, im großen Sinfonieorchester sowie im größeren und im mittleren Opernhaus bzw. Theater. Nach Möglichkeit wird der Umfang der Mitwirkung der Akademisten in diesen Klangkörpern gleichmäßig gestaltet. So erleichtern wir auf besonders nachhaltige Weise den Übergang vom Studium in den Beruf und verbessern damit die Chancen unserer Absolventen deutlich. Eine solche Orchesterakademie, in der eine Musikhochschule mit vier Orchestern von unterschiedlichem Profil zusammenarbeitet, ist meines Wissens europaweit einzigartig. Die Hochschulrektorenkonferenz empfiehlt deshalb den anderen Musikhochschulen die Orchesterakademie Rhein-Neckar als ein beispielhaftes Modell guter Praxis (Good Practice) zur Nachahmung.
Ein Erfolgsmodell also, das in diesem Jahr sein 10-jähriges Jubiläum feiert. Welche Zukunftsperspektiven und Entwicklungspotenziale gibt es darüber hinaus für die Musikhochschule Mannheim?
Unsere Musikhochschule bewirbt sich im Zuge der Neustrukturierung der baden-württembergischen Musikhochschulen um ein „Landeszentrum“ für Dirigieren. Die Ausbildung im Bereich Orchester-Dirigieren wird vielleicht in Zukunft nur noch an einer Hochschule in Baden-Württemberg angeboten. Wir versprechen uns von einem solchen „Dirigierzentrum“ auch positive Impulse für unsere Orchesterabteilung. Sicherlich wird dadurch die Zusammenarbeit mit den Orchestern der Region noch weiter intensiviert. Auch auf dem Gebiet der Leitung von Blasorchestern wollen wir, wenn wir den Zuschlag zum geplanten Dirigierzentrum erhalten, unser Angebot erweitern. Wir bieten ja bereits das Hauptfach „Leitung von Blasorchestern“ im Bachelor an, eine Erweiterung im Master wäre durchaus sinnvoll.