Die Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden kann im Jahr 2006 auf eine 150-jährige wechselvolle Geschichte zurückblicken. Die Studierenden und Lehrkräfte möchten dieses Jubiläumsjahr gemeinsam mit Ehemaligen, mit Partnern aus Kultur und Wirtschaft, mit Gästen und mit ihren Konzertbesuchern würdig feiern.
Als vor etwa zwei Jahren die Überlegungen für das Jubiläum der Dresdner Hochschule für Musik Carl Maria von Weber begannen, waren viele Fragen zu klären: Lädt man sich zur Eröffnung der Feierlichkeiten Ehemalige als Gäste zu einem Gala-Konzert ein? Sollte es eher ein ambitioniertes Programm sein? Wer von den Hochschulensembles darf dann die Ehre der Mitwirkung haben? Wie lässt sich zu den Dresdner Musikinstitutionen eine Brücke schlagen? Welche Rolle soll der Namenspatron der Hochschule spielen?
Die Jubiläumsmatinee am 5. Februar in der Dresdner Semperoper versucht, all diesen Gedanken Rechnung zu tragen: Mit Webers „Oberon“ steht ein selten zu hörendes Werk im Mittelpunkt. Für Dresden dürfte die Gegenüberstellung zur „Euryanthe“, die wenig später in der Semperoper Premiere hat, darüber hinaus ein besonders interessanter Aspekt sein. Mit Gun-Brit Barkmin hat eine ehemalige Studentin und heute international gefeierte Solistin die Partie der Rezia übernommen, während Martin Homrich als Hüon von der Semperoper kommt. Die übrigen Partien werden von Studierenden der Hochschule gesungen – eine wundervolle praktische Erfahrung und Chance für die jungen Künstler! Den anspruchsvollen Chorpart wird der Hochschulchor gemeinsam mit der Singakademie Dresden gestalten. Im Orchester wird es eine Begegnung zwischen Heutigen und Ehemaligen geben: Neben der hochschuleigenen Besetzung wirken Absolventen aus verschiedenen Spitzenensembles mit. Ingo Zimmermann hat die interessante Aufgabe übernommen, die Dialoge in einen Prosatext umzuwandeln. Gelesen werden sie von einem Ensemblemitglied des Staatsschauspiels Dresden.
Webers geniale Musik von 1826, kurz vor seinem Tod geschrieben und in London uraufgeführt, gehört zum Großartigsten, was er neben dem „Freischütz“ hinterlassen hat. Die ganze Welt der Romantik findet sich in diesem Stück wieder: von der Welt der Feen und Geister über die Orientalismen bis hin zur Dramatik der berühmten Arien von Rezia und Hüon. Das Werk gehört zur Moderne des beginnenden 19. Jahrhunderts und führt deutlich ein Spezifikum Dresdner Musikgeschichte vor Augen und Ohren: Die prägenden Komponisten und Musiker Dresdens waren allesamt Neuerer und haben die Musikgeschichte entscheidend vorangetrieben – von Schütz über Weber, Schumann bis hin zu Wagner. An diese Tradition zu erinnern und vor allem anzuknüpfen, soll uns gerade im Jubiläumsjahr Verpflichtung sein: So wird sich das Jahr im Dezember mit der Uraufführung einer Oper von Wilfried Krätzschmar runden. Alt und Neu werden auch in den Konzerten und Veranstaltungen dazwischen die Eckpfeiler sein und eine kontrastreiche Vielfalt sowie ein kreatives Bild unseres Ausbildungsinstituts vorstellen.
Händels „Amadigi“
Sex sells: ein Motto, das schon den Opernunternehmern des 18. Jahrhunderts bestens vertraut war. Denn keineswegs sind die Spielarten der Liebe, die Händel und seine Kollegen auf die Bühne brachten, so vornehm und züchtig, wie es dem historisch informierten Publikum scheinen mag. Der Erfolg rechtfertigte schon damals (fast) jedes Mittel, und allzu kompliziert darf die Story, die sie erzählen, daher auch nicht sein: Es waren einmal ein Mann (Amadigi) und eine Frau (Oriana), die nicht zueinander kommen konnten, weil sie eine Rivalin (Melissa), die alle Tricks kennt, und ein Kumpel des Protagonisten (Dardanus), der vor nichts zurückschreckt, daran hindern.
Natürlich scheitern alle Versuche, die Partner einander zu entfremden und sich als geeigneteres Objekt der Zuneigung zu präsentieren: Den Mann, der sich einer anderen zuwendet, ermorden zu wollen, führt ebenso wenig zum Ziel, wie die Frau, die sich nicht hingeben will, zu betäuben. So finden trotz drinks and drugs, Psychoterror und Martern aller Arten die Liebenden letztlich doch zueinander. Eine Geschichte, so realistisch wie eine Soap. Das Leben – ein Traum? Aber ja doch, und hier mit Musik von Händel, der keinen Zweifel lässt, was schöner Schein ist und bewirkt. Really lovely.
Am Sonntag, dem 12. Februar 2006 – zum Abschluss der Festwoche – findet die Premiere von Händels „Amadigi“ im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden statt. Mit Axel Köhler hat sich die Musikhochschule nicht nur einen Künstler mit besonderem Format, sondern auch einen so genannten Alumnus, einen ehemaligen Studenten, ins Boot der Festwoche geholt. Als ehemaliger Student ist Köhler der Dresdner Musikhochschule sehr verbunden. Auch und vor allem dem Leiter der Opernklasse Andreas Baumann, der ihn, wie er einmal sagte, neben Regisseuren wie Konwitschny, Alden und Kupfer im besonderen Maße in seiner sängerischen Entwicklung prägte. Von 1987 an hat sich Köhler als Countertenor in Titelpartien zahlreicher Händel-Opern einen Namen gemacht. Die Verleihung des Preises der Händel-Festspiele und die Ernennung zum Kammersänger folgten. Im Jahr 2000 gelang ihm mit der Aufsehen erregenden Aufführung von Monteverdis „Krönung der Poppea“ am Opernhaus Halle das Debüt als Regisseur.
Seither fährt Köhler zweigleisig und gut dabei: „Ich empfinde ein Glücksgefühl für meine berufliche Situation, singen zu können und auch Regie zu führen, denn diese beiden Prozesse ergänzen sich wunderbar und man lernt sehr viel vom einen für das andere.“ (2001)
Durch seine Erfahrungen in beiden Bereichen – Regie und Gesang – sowie durch seine Affinität zu Händels Musik ist Köhler geradezu prädestiniert für die Inszenierung der Oper „Amadigi“ mit der Opernklasse der Dresdner Musikhochschule.
Lange Nacht der Töne
Eine Lange Nacht der Töne steht am Beginn des Jubiläumsjahres 2006. Die Musikhochschule präsentiert sich den Besuchern hier auf eine ganz ungewöhnliche Art: als Klanghaus, in dem mit Klängen experimentiert und gespielt wird, in dem gezeigt wird, welche Wirkung Musik in der Wahrnehmung hat.
So gibt es Klanginstallationen, videogesteuert und den Besucher unbemerkt einbeziehend, aber auch als Maschine und Einladung, Tonfolgen zu bestimmen und abzuspielen. Besucher können selbst Klänge erzeugen, auf den verschiedensten Instrumenten, in einer Gongstraße oder mit ihrer eigenen Stimme in Projekten wie: „Unter der Loope“ und im Wettstreit mit der Kanona-Geige. Wissenswertes kann man über das Hören erfahren: Durch das Hören von Sportwagenmodellen und der Zuordnung von passenden Düften entdeckt man, wie Nase und Ohr miteinander kommunizieren. Andere Projekte versuchen Klänge sichtbar zu machen: als Bewegung, Struktur und Farbe.