Haftet dem Musiklehrerberuf heutzutage ein verstaubtes Image an? Diese Frage treibt viele Musikhochschulen um, wenn sie auf die stagnierenden Bewerberzahlen ihres Studiengangs „Lehramt Musik“ blicken. Prof. Dr. Ortwin Nimczik, Professor für Musikpädagogik und Studiengangsleiter an der Hochschule für Musik Detmold weiß um diese Problematik und macht auch in Bezug auf seine eigene Hochschule eine Bestandsaufnahme.
Kein „Quintenzirkel-Kreide-Prinzip“, sondern ein lebendiger, vielschichtiger und handlungsorientierter Musikunterricht muss heutzutage in den Schulen herrschen. Doch dies geht nur, wenn die Voraussetzungen stimmen. Gemeint ist u.a. die Ausstattung an Schulen mit den entsprechenden Bedingungen, die ein optimales Arbeiten für angehende Musiklehrerinnen und -lehrer möglich macht. Ferner müssten Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung bestehen und der gesellschaftliche Stellenwert des Musiklehrerberufs in seiner Gänze gefestigt werden. Hier ist auch der Politik eine wichtige Rolle zuzuschreiben. Erst wenn ein Netzwerk unterschiedlicher Player aus Politik, Schule und Ausbildung ineinandergreift, wird auch die Musiklehrerbildung wieder attraktiver. Hier ist zwar in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren etwas passiert, auf die Gesamtheit bezogen liegt aber noch einiges im Argen, konstatiert Nimczik.
Ihn beschäftigt das Thema auch im Rahmen seiner Funktion als Präsident des Bundesverbands Musikunterricht (BMU). Dort spricht er von Spannungsfeldern: „An vielen Schulen gibt es durchaus hervorragende Bedingungen zu arbeiten, an anderen sind diese aber durchaus verbesserungsbedürftig.“ Sich des Problems anzunehmen, bedeutet also Arbeit am Gesamtdurchschnitt. Der Bundesverband Musikunterricht, der sich wiederum in 16 eigenständige Landesverbände gliedert, hat im September letzten Jahres die wichtigsten Ziele der Musiklehrerbildung von morgen in einem Grundsatzpapier – der „Agenda 2030“ – festgehalten. Einiges ist seit der Verabschiedung bereits passiert.
Nimczik hat mit seinem Verband die Schulministerien und die Kultusministerkonferenz angeschrieben. „Wir sind mittlerweile immerhin von neun Ministerinnen und Ministern, zum Teil mit persönlichem Feedback, angeschrieben worden. Das hat uns sehr gefreut und zeigt uns, dass die Aufgabe der schulmusikalischen Bildung ernst genommen wird“, sagt er. Weiterhin hebt er hervor, dass an vielen Hochschulen wie in Detmold der Weg von einer rein künstlerisch geprägten Aufnahmeprüfung hin zu einer berufsbezogenen Eignungsprüfung erfolgreich bestritten wird. Die pädagogische und wissenschaftliche Exzellenz darf im Rahmen der Lehrerbildung der künstlerischen nicht nachgeordnet sein. Die bisherigen Anforderungen der Eignungsprüfung für Schulmusiker sind nicht ausreichend auf die Erfordernisse des Lehrerberufs zugeschnitten gewesen. In Detmold bildet neben den traditionellen Prüfungsteilen eine berufspraktische Situation ein wesentliches Element der Eignungsprüfung. „Wir möchten sehen, wie es um die Kommunikationsfähigkeit und die Anleitungsfähigkeit von Gruppen des entsprechenden Bewerbers steht“, so Nimczik. Der Kandidat arbeitet mit einer kleinen Gruppe an Studierenden, mit denen er einen Kanon oder ein Warm-Up einstudieren muss. Beurteilt wird dabei seine Fähigkeit, Kontakte aufzubauen, welches Standing er vor der Gruppe einnimmt. Das Künstlerische gerät dabei selbstverständlich nicht aus dem Blickwinkel.
Die entsprechende Dosierung ist es, worauf es ankommt. Ein gutes Beispiel ist auch das Fach „Schulpraktisches Klavierspiel“. Hier ist der künstlerische Aspekt genauso wichtig wie der funktionale. Als integratives Fach hat es somit eine positive Auswirkung auf die Liedbegleitung sowie die Unterstützung beim Singen und bei der Chorarbeit in der Schule. Praxisbezug und Handlungsorientierung vom ersten Semester an – was dies betrifft, so ist Detmold seit Langem gut aufgestellt. Die Hochschule verfügt über ein intaktes Netzwerk an Partnerschulen, eine gut funktionierende Kooperation mit der Universität Paderborn sowie eine eigene Professur für Bildungswissenschaft. Lehrerinnen und Lehrer der örtlichen Schulen sind über Lehraufträge wiederum an die Hochschule gebunden. „So können Nachfolgegenerationen von deren Erfahrungen profitieren“, meint Nimczik. „Wir haben gleichzeitig den Ort, an den wir unsere Studierenden für Praktika entsenden können und sie können wiederum neue Ansätze in die Schulen tragen.“ Ein Geben und Nehmen, von dem beiderlei Seiten profitieren. Die Betreuung erfolgt individuell. Der Unterricht wird gemeinsam vor Ort gründlich vorbereitet. In der Zusammenarbeit mit dem Detmolder Studienseminar ist zudem der Bezug zur zweiten Ausbildungsstufe gegeben. In Kombination mit einem reichhaltigen musikpraktischen Angebot ergeben sich so für alle Interessenten vielfältige Chancen, ein attraktives Musiklehrerstudium anzugehen.