Bisher war es fast ein wenig still rund um das 75-jährige Bestehen der heutigen Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK). Das liegt zum einen an der noch immer anhaltenden Corona-Pandemie, andererseits hat die Universität bewusst einen anderen Weg gewählt, um dieses Jubiläum zu begehen. Die Entstehungsgeschichte der Institution wurde in einem langjährigen Prozess wissenschaftlich aufgearbeitet, die Geschehnisse vor, während und nach dem Nationalsozialismus kritisch reflektiert. Die Ergebnisse werden und wurden rund um das Jubiläumsjahr präsentiert.
„Bewusste Erinnerungskultur ist seit gut zwei Jahrzehnten ein konstituierendes Element der Kulturstadt Wien. Anlässlich ihres 75-jährigen Bestehens stellt sich auch die einzige Universität im Eigentum der Stadt Wien verantwortungsvoll ihrer Vergangenheit. Dadurch wird nicht nur ein wertvoller Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung des Hauses geleistet, sondern auch eine lange bestehende Forschungslücke geschlossen“, hält Rektor Andreas Mailath-Pokorny fest.
Die Anfänge nahm das wissenschaftliche Forschungsprojekt „Hausgeschichte—Zeitgeschichte“ bereits im Jahr 2014. Ab da begann die Universität, zuerst in Einzelveranstaltungen, später systematisch die bis zum Zeitpunkt unklar formulierte Gründungsgeschichte der heutigen MUK aufzuarbeiten. Rund um Susana Zapke (MUK) und Oliver Rathkolb (Universität Wien) hat sich ein engagiertes Team gebildet, um die Vergangenheit der Institution, vor allem in der Zeit von 1938 bis 1945, zu beforschen. Diese Bestrebungen mündeten in der 300 Seiten starken Publikation unter dem Titel „Die Musikschule der Stadt Wien im Nationalsozialismus: Eine ‚ideologische Lehr- und Lerngemeinschaft‘“.
Nur wenige Monate nach dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich erfolgte im August 1938 die öffentliche Bekanntgabe der Gründung der Musikschule Wien. Das im Jahr 2020 erschienene Buch reflektiert die ideologische Gleichschaltung des Wiener Musikschulwesens während der NS-Herrschaft und untersucht die inhaltlichen Auswirkungen der NS-Ideologie auf die Kulturszene Wiens. Im Zuge dieser Recherchen wurde zudem ein Online-Gedenkbuch zur Erinnerung an Lehrende und Studierende, die unter dem NS-Regime verfolgt wurden, aufgebaut. Das Gedenkbuch wird noch im Dezember dieses Jahres freigeschaltet, ist als interaktive Seite konzipiert und wird durch laufende Forschungsergebnisse ergänzt.
Die Vergangenheit in Erinnerung rufen
Das Wissen aus dem für die Uni wertvollen Aufarbeitungsprozess bildet auch Basis einer mehrsprachigen Gedenktafel, die an der Fassade der MUK am Standort Johannesgasse 4a im Ersten Wiener Gemeindebezirk angebracht wurde. Die Tafel erinnert an eine Zeit, die so lange im Dunkeln blieb und soll das Bewusstsein für die Geschichte bei Studierenden, Lehrenden und Mitarbeiter*innen sowie in der breiten Öffentlichkeit verankern. Im Rahmen einer Gedenkveranstaltung wird auch die persönliche Übergabe eines Buchs an die rechtmäßigen Erben erfolgen.
Im Herbst 1945 erfolgte durch die neu konstituierte Stadtregierung die Gründung der Musiklehranstalten der Stadt Wien, bestehend aus dem Konservatorium, den Musikschulen und der Kindersingschule. Damit wurde der Regelbetrieb am Standort Johannesgasse nach dem Krieg wieder aufgenommen. Die Broschüre „75 Jahre MUK – Eine Keimzelle der Kulturstadt Wien“ von Georg Leyrer schließt mit ihren Erzählungen und Anekdoten direkt an diese Zeit an und widmet sich der Entwicklung der Musik und Kunst Privatuniversität von 1945 bis heute. Der Autor und Redakteur erzählt von Menschen und ihrer Haltung, die diese Institution in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich geprägt haben. Die MUK blickt auf eine Zeit großer Veränderungen zurück — vom Konservatorium zur Universität. Nach einem kritisch-reflektierten Blick auf die Geschichte folgt nun ein freudig gestimmter auf die Zukunft.