Woran bemisst sich eigentlich die Qualität einer Musikhochschule? An der Zahl der Wettbewerbsgewinner, der in Spitzenorchestern aufgenommenen oder an international bedeutenden Bühnen engagierten Instrumentalisten und Sänger? Am Starprofessoren-Anteil im Lehrkörper? Oder an möglichst exotischen, „deutschlandweit einmaligen“ Studiengängen, die seit der Bologna-Reform als „Alleinstellungsmerkmale“ Studierende anlocken sollen? Dass die Beantwortung dieser Frage ein gutes Stück weit komplexer ist, dürfte sich herumgesprochen haben, nicht zuletzt an jenen Hochschulen, die selbst schon einmal Evaluationen durchgeführt haben. In den kommenden Jahren will nun das von zwölf Hochschulen gegründete „Kompetenznetzwerk Qualitätsmanagement und Lehrentwicklung“ das Thema in einem größeren Zusammenhang angehen.
Nach ersten Kontakten mit den Hochschulen in Weimar und Lübeck, so Hans Bertels, Kanzler der HfM Detmold, habe man sich auf eine Ausschreibung des Bundesbildungsministeriums hin entschlossen, einen Verbund zum Thema Qualitätsmanagement und Lehrentwicklung zu gründen. Mit einer Eröffnungsfeier in Detmold, an der unter anderen auch der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Prof. Dr. Dr. Hippler und Prof. Dr. Arend Oetker, Präsident des Deutschen Stifterverbandes für die Deutsche Wirtschaft (per Videobotschaft) teilnahmen, startete das Netzwerk offiziell, die Arbeit selbst ist schon seit einigen Monaten angelaufen.
Zwölf Partner, somit also die Hälfte der in der Rektorenkonferenz organisierten deutschen Musikhochschulen, bilden das neue Netzwerk. Neben Detmold, dem Sitz des Zentrums, sind ihm die Hochschulen in Bremen, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Freiburg, Hamburg, Hannover, Köln, Lübeck, Saarbrücken, Weimar und Würzburg beigetreten. Das Netzwerk ist bis Ende 2016 mit einer Fördersumme von 6,4 Mio. Euro ausgestattet (es besteht eine Verlängerungsoption bis 2020), wobei die Hälfte in die Detmolder Zentrale, der Rest in die einzelnen Hochschulen fließt, wo sich jeweils eine 3/4-Stelle um die interne Umsetzung kümmern wird.
Handlungsfelder
Die vier wissenschaftlichen Stellen am Sitz des Netzwerks in Detmold sind den vier „Handlungsfeldern“ zugeordnet, in die sich der Verbund sein Aufgabengebiet aufgeteilt hat, wobei jede Hochschule eines davon zu ihrem Schwerpunkt machen wird:
Das Feld „Qualitätsmanagement“ nimmt seinen Ausgangspunkt bei gemeinsam entwickelten Befragungen von Studierenden und Absolventen. Durch die größere Zahl der Befragten erhofft man sich allgemein gültige Rückschlüsse auf die Qualität des Studiums und der Studienbedingungen. Als mögliche Fragestellungen nennt das Netzwerk unter anderem folgende: „Welches sind die Bestandteile dieser Wissensvermittlung? Unter welchen Bedingungen werden diese optimal eingesetzt? Durch welche Störfaktoren wird die an den Musikhochschulen praktizierte exzellente Lehre beeinträchtigt? Was muss die Hochschule tun, um beste Bedingungen für die Lehre zu gewährleisten?“
Mit dem Handlungsfeld „Beratung und Projekte“, will das Netzwerk unter anderem Ergebnisse aus den Befragungen zu Qualitätsmanagement und Lehrentwicklung aufgreifen. Die Hochschulen sollen – etwa durch externe Berater oder in Form von Best-Practice-Beispielen – dabei unterstützt werden, aus den Befragungsergebnissen heraus Optimierungsmaßnahmen zu identifizieren und durchzuführen. Der Verbundcharakter soll dabei helfen, gute Ideen und Erfahrungen in die Mitgliedshochschulen einzubringen. Aber auch „Prozess-analysen hochschultypischer Vorgänge sowohl in der Lehre, als auch in der Verwaltung, zum Beispiel Berufungsverfahren oder Aufnahmeprüfungen“ sollen, so Bertels, „in diesem Handlungsfeld durchgeführt und mit Empfehlungen zur Optimierung versehen werden“. Darüber hinaus sind Angebote zu Coaching oder Supervision denkbar.
Spannend wird es auch beim Handlungsfeld „Lehrentwicklung“, das Hans Bertels zufolge „besonderes Fingerspitzengefühl“ verlangt, gelte es doch, „gemeinsam mit den Lehrenden viele Fragen unmittelbar um den Unterricht zu klären: Was wird benötigt, um Unterricht optimal gestalten zu können? Wie bereitet man Studierende auf unsichere Karrierewege vor? Wie lassen sich individuelle Lernbiographien unterstützen?“ Mittels einer interviewgestützten Bedarfs- und Machbarkeitsanalyse will man hier zunächst „nicht nur die Bedürfnisse der Lehrenden und Studierenden, sondern auch deren individuelle Auffassungen von Lehre kennen lernen“.
Das vierte Handlungsfeld ist schließlich das Netzwerk selbst, das die Arbeit koordinieren, wissenschaftlich begleiten und die Kommunikation unter den Teilnehmern nicht zuletzt auch mit Tagungen oder themenspezifischen Foren sicherstellen soll.
Im Gespräch betont der Detmolder Kanzler die positive Herangehensweise an das Thema: „Qualitätsmanagement bedeutet nicht, Fragebögen zu verteilen, in denen es darum geht, wer was falsch macht, sondern anhand einer Bestandsanalyse, für die die Instrumente zum Teil noch zu entwickeln sind, Bedarfe innerhalb der Studien- und Lehrbedingungen zu erkennen. Aus den Ergebnissen können dann andere Handlungsfelder angespielt werden, zum Beispiel der Bereich Beratung und Projekte.“ Über erste Rückmeldungen zeigt er sich erfreut. So habe eine erste Ist-Analyse ergeben, dass es auch im Bereich der Hochschulleitungen Bedarf an Coaching gebe. Bertels dazu: „Dass diese Bereitschaft so deutlich kommuniziert wird, belegt die Offenheit aller am Netzwerk Beteiligten.“ Insgesamt konstatiert er, auch in Bezug auf die im Rahmen der Eröffnungsfeier stattgefundene Podiumsrunde samt „World Café“-Diskussionen, eine „gespannte Neugier“ – die Studierenden und Lehrenden zeigten sich „positiv abwartend und neugierig“.
Erfolgsrezepte systematisieren
Möglichen Einwänden von Skeptikern, die eine praxisferne, von oben diktierte Herangehensweise befürchten könnten, nimmt Hans Bertels von vornherein den Wind aus den Segeln: „Das Netzwerk macht gerade die besonders erfolgreiche Arbeit der Hochschullehrerinnen und -lehrer zum Gegenstand ihrer Untersuchung und will daraus die für alle teilnehmenden Hochschulen wichtigen Erfolgsrezepte und Erkenntnisse erarbeiten, um auf dieser Basis Strukturen und Systematiken erfolgreichen und professionellen Unterrichts zu erkennen und zu entwickeln. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen helfen, dass die erfolgreiche Arbeit auch künftig optimal fortgeführt und weiter entwickelt werden kann und darüber hinaus Antworten auf die aktuellen Fragen in der täglichen Ausbildungs- und Unterrichtssituation einer Musikhochschule gefunden werden. Damit werden auch individuelle Erfolgsrezepte in den einzelnen Hochschulen zu Empfehlungen für den gesamten Verbund. Der Vorteil einer großen Gemeinschaft liegt einfach darin, dass jeder seinen Teil zum Gelingen des Ganzen beitragen kann.“