„Mit Musik geht alles besser“, tönte es an diesem Oktoberwochenende durch die Kölner Musikhochschule. Ein bisschen ließ der Ufa-Filmschlager von 1943 schon an die alten Durchhalteparolen denken. Denn das Thema des diesjährigen Symposiums der Deutschen Gesellschaft für Musikphysiologie und Musikermedizin an der Kölner Musikhochschule lautete „Was hält Musiker gesund?“. Bisher hat sich die 1994 in Mainz gegründete Gesellschaft mit dem Kürzel DGfMM vor allem mit den Krankheiten der Musiker beschäftigt.
Doch nach Jahren der Forschung und Breitenarbeit sind die musikerspezifischen Symptome und Krankheitsbilder, von Auftrittsangst über ständige Verspannungen bis hin zu fokaler Dystonie, die manche Instrumentalisten und Sänger zur Aufgabe ihres Berufs zwingen, Ärzten und Therapeuten bekannt. Daher tauschten sich dieses Jahr die Fachleute in Vorträgen und Workshops weniger über Heilmethoden, sondern vor allem über Strategien des Gesundbleibens aus.
So fiel es der Psychoanalytikerin Luise Reddemann zu, das Symposium mit einem Vortrag zum Thema „Überlebenskunst“ zu eröffnen. Viele Musiker im Orchester, auf der Bühne oder an einer Musikschule schleppen unwillkommene Begleiterscheinungen ihres Berufs mit sich. Jahrelang eingeschliffene Fehlhaltungen oder der angestrengte Einsatz der Stimme können zu Bewegungsstörungen und Schmerzen bei den einen, zu Heiserkeit oder stimmlichem Kontrollverlust bei den anderen führen.
Doch gerade Instrumentalisten finden viel zu spät in die Sprechstunde, kritisiert die Physiotherapeutin Alexandra Türk-Espitalier, die beim Symposium einen Workshop in Sachen Körperbewusstsein und Haltungstraining leitete. Schon Jugendliche übten während der Vorbereitung auf das Musikstudium mehrere Stunden am Tag in immer der gleichen Haltung. Unter den Verspannungen leide aber – ein erstes Alarmzeichen – der Klang. Claudia Spahn und Bernhard Richter, die das Freiburger Institut für Musikermedizin leiten, belegten, dass außerdem der gestiegene Konkurrenzdruck, der Zwang zu ständiger feinmotorischer Höchstleistung und die zunehmende Unsicherheit des Arbeitsplatzes ihre Auswirkungen auf das persönliche Einstellungs- und Verhaltensprofil zeigten.
Das Zauberwort in diesem Zusammenhang heißt Resilienz: die psychische Widerstandskraft, die widrige äußere Bedingungen, Misserfolge und sogar traumatisierende Erlebnisse zu verkraften hilft. Diese Widerstandskraft könne ein kreativer Mensch vor allem aus seiner künstlerischen Tätigkeit entwickeln, so Eckart Altenmüller, seit 2005 Präsident der DGfMM. Schließlich blieben viele Musiker trotz unregelmäßiger Arbeitszeiten und psychischer Stressfaktoren bis ins Alter gesund.
Auch Anderes klang wohlbekannt: Der Berliner Psychoanalytiker Helmut Möller zählte zu den Resilienzfaktoren unter anderem Optimismus, die Befreiung aus der Opferrolle sowie das Aufbauen oder Erhalten von Freundschaften und Netzwerken, und der Psychologe Andreas Burzik widmete sich dem Flow, der selbstvergessenen Versenkung in eine Tätigkeit, etwa beim Üben.
Der Schwenk vom schädlichen Distress zum produktiven Eustress gelingt freilich nur, wenn eingefahrene Handlungs- und Denkmuster bewusst verändert werden. Und wie wichtig für eine stabile Psyche und Gesundheit auch Belohnung und Motivation von außen sind, beleuchtete zum Abschluss der gut aufeinander abgestimmten Vorträge und Workshops der Coburger Arzt und Forscher Tobias Esch.
Doch wenn äußere Stabilisatoren wie angemessene Bezahlung, sichere Anstellung und Anerkennung wegfallen oder ausbleiben und unregelmäßige Arbeitszeiten und Wochenenddienste das Familienleben oder die Pflege des Freundeskreises belasten, bleibt nur die Selbstbelohnung: nicht nur durch Musik, sondern auch ganz banal durch gutes Essen und körperlichen Ausgleich, im geistig-seelischen Bereich etwa durch Lektüre oder Meditation.
Und wer hält Musiker gesund? Erst einmal die Betroffenen selbst; denn auch für physiotherapeutische Vorbeugemaßnahmen in Sachen Gesundheit müssen sie vorwiegend alleine aufkommen, so viel wurde klar bei der von Theo Geissler moderierten Podiumsdiskussion, zu der sich Juristen, Musiker und Vertreter von Versicherungen sowie aus der Kulturwirtschaft zusammengefunden hatten. Bei aller schlüssigen Programmierung und optimistischen Grundhaltung des Symposiums eine bittere Pille für die anwesenden Berufsmusiker, Musikpädagogen und Musikstudenten.