Wie sehr Kreativität an die zugrunde liegenden Bedingungen geknüpft ist, veranschaulicht die aktuelle Situation deutlich: die COVID-19-Regelungen stellen gewohnte Orte der Produktion und der Rezeption von Kunst und damit gewohnte Kreativprozesse auf die Probe. Neben der Umstellung auf distance-learning und damit verbunden der Etablierung neuer digitaler Formate werden vielerorts neue Inhalte aus der Krise geschöpft, die für eine reflektierte künstlerische Umsetzung fruchtbar gemacht werden.
„Content Follows Function“ – wie sich neue Inhalte etablieren
So widmete sich unter dem Titel „Ersatzhandlungen ohne Körperkontakt. Musizieren in Quarantäne“ das Seminar der Kompositionsklasse von Volkmar Klien, Leiter des Instituts für Komposition, Dirigieren und Computermusik (IKD), dem Musizieren in Medienräumen – einem Projekt musikalischer Substitution von Paquito Chiti, Martina Claussen, Isabella Forciniti, Volkmar Klien, Tobias Leibetseder, Michael Mikolasek, Kamran Moharramzadeh, Katharina Roth, Astrid Schwarz und Peter Trabitzsch. „Ursprünglich für dieses Seminar geplant war eine Auseinandersetzung mit der Rolle von Technologie und damit verbunden ihre Auswirkungen auf die kompositorische Arbeit und den Werkbegriff in der Praxis“, erklärt Klien. Die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus, die persönliche Treffen oder gemeinsame Proben gänzlich verunmöglichten, spitzten diese Vorgabe noch weiter zu. In einer Welt, in der Kommunikation außerhalb des eigenen Wohnungsverbundes praktisch nur mehr in Form von Telepräsenz stattfindet, ereignet sich gemeinsames Musizieren in Medienräumen. Dort kann man, ortsunabhängig, von überall und mit allen zusammenkommen und doch bleibt das Medium zwischen menschlichen Körpern als Ermöglichung dieser Kommunikation stets undurchdringliche Membran. Sie erlaubt gemeinsames Musizieren in Quarantäne, erlaubt Ersatzhandlungen ohne Körperkontakt und Ansteckungsgefahr, wird aber gerade in diesen Ersatzhandlungen selbst thematisch. Denn das Ohr ist schnell und das Netz oft langsamer als es scheint. In dieses Bio(techno)top begaben sich die 10 Akteur*innen des Seminars, und damit an die Schnittstellen und Bildschirme, wo sie den leicht verzögerten Aktionen der anderen lauschten, darauf reagierten, um schließlich Substitutionslösungen für den Rausch gemeinsamen Musizierens zu suchen und zu encodieren. Die Ergebnisse des Kompositionsseminars wurden in einer Radiosendung der Öffentlichkeit präsentiert.
Musizieren mit Körperkontakt
Noch über den Sommer wird das Ensemble drei Mal in der Alten Schmiede in Wien als das Telharmonische Residenzorchester mit zugeschalteten Gästen auftreten, außerdem gastiert es im September beim Ars Electronica Festival in Linz. Auf ein Live-Publikum darf das Institut für Komposition, Dirigieren und Computermusik bei der fünften Auflage des Festivals für Aktuelle Musik „Leicht über Linz“ hoffen, das sich vom 30. November bis 3. Dezember mit zahlreichen Uraufführungen von Studierenden, Absolvent*innen, Professor*innen sowie internationalen Gästen dem umfassenden Musikschaffen der Gegenwart widmet. Zu Gast sind unter anderem das Künstler*innenkollektiv Ensemble Schallfeld und die Komponistin Clara Iannotta.