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Foto: Jan Kreyßig
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Et in terra pax: Bach zu Pfingsten in Jerusalem

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Weimarer Studierende führten die h-Moll-Messe im Heiligen Land auf
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Friedvolle und inspirierende Tage verbrachten SolistInnen, ChoristInnen und Orchestermitglieder der Weimarer Musikhochschule in Israel. Gemeinsam mit Studierenden der Jerusalem Academy of Music and Dance gastierten sie zu Pfingsten mit einem Chorkonzert sowie der Aufführung von Bachs h-Moll-Messe beim Israel Festival. Dieses israelisch-deutsche Projekt Anfang Juni 2014 unter der Leitung von Konrad Junghänel fiel in eine Hoffnung stiftende Zeit, in der von der bevorstehenden Spirale der Gewalt nichts zu spüren war. Das Video zur Reise gibt es unter www.youtube.com/hfmfranzlisztweimar.

Beim Anflug auf Israel wird klar, dass dies keine gewöhnliche Reise ist. Das Gesetz verbietet den Fluggästen vor der Landung, die Bordtoilette zu nutzen. Lautstark widersetzt sich ein älterer Passagier den Regeln seines Heimatlandes und schiebt die Stewardess unsanft beiseite. Eine Israeli auf dem Nebensitz hört mit Freude, dass das halbe Flugzeug mit Chor- und Orchestermitgliedern aus Deutschland besetzt ist. Sie glaubt, dass in ihr eine heimliche Musikerin verborgen sei und offenbart, dass sie gern „Klassik bei Kerzenschein“ höre.

Papierfabrikant Omar, auf dem Rückflug von einer Berlinreise, erzählt derweil aus seinem komplizierten Leben: Als arabischstämmiger Israeli importiert er jährlich 50 Tonnen Holz aus China und kann gut von dessen Verarbeitung leben. Doch mit Palästinensern handele er nicht, und wegen seiner Abstammung habe er Angst, Kinder zu bekommen. Auch Reisen nach Jordanien und Ägypten gestalten sich schwierig. Er werde an der Grenze immer gleich verdächtigt, ein Mossad-Agent und Spion zu sein.

Doch die große Weimarer Reisegruppe merkt von diesen Spannungen nicht viel. Reibungslos rutscht sie durch die Einreisekontrollen am Flughafen in Tel Aviv. Niemand wird, wie in den Vorjahren, grundlos herausgefischt und befragt. Die Tourmanagerinnen Johanna Hartmann und Angela Keilholz lotsen die große Gruppe souverän zum Reisebus. Sonnig und friedlich breitet sich dann die Heimat des jüdischen Volkes beim Transfer zum Hotel in Jerusalem in die Ferne aus. Niemand ahnt, dass nur wenige Wochen später Hamas-Raketen auf die Hauptstadt zielen und die israelische Armee ihre Reservisten mobil machen wird.

Wechselseitiger Respekt

Im Gegenteil: Angekommen in Jerusalem, dieser „mixing bowl“ dreier Weltkulturen, erscheint die welthistorisch so begehrte und heilige Stadt in diesen Pfingsttagen wie ein Sinnbild vernünftigen Nebeneinanders. Entrückt pressen die orthodoxen Juden ihre Stirn gegen die Western Wall, im Volksmund Klagemauer genannt, während auf dem darüber aufragenden Tempelberg nur Muslimen der Zutritt zum prachtvollen Felsendom gewährt wird. Wenige Schritte entfernt beginnen die Kreuzweg-Stationen der Via Dolorosa, die die christlichen Pilger zu Jesu letzter Ruhestätte in die Grabeskirche führt.

Dass gerade Pfingsten ist, spielt für die jüdische Gemeinde keine Rolle. Sie feiert zur gleichen Zeit mit dem Schawuot-Fest den Empfang der zweiten Zehn Gebote. Dennoch herrscht allerorten ein großer, wechselseitiger Respekt zwischen Juden- und Christentum. Dies zeigt sich auch in den positiven Reaktionen des Publikums auf die Aufführung von Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe am Pfingstsonntag in der Jerusalemer Henry Crown Hall. Mit großer Offenheit wird die Vertonung des Messetextes als ein kompositorisches Wunderwerk von überkonfessioneller, universeller Bedeutsamkeit gewürdigt.

Bach zu Pfingsten in Jerusalem: Dieses chorsinfonische Projekt unter der Gesamtleitung von Konrad Junghänel bildete einen kleinen Kontrapunkt zu den großen Projektphasen des Young Philharmonic Orchestra Jerusalem Weimar, das – finanziell unterstützt vom Land Thüringen – im Zweijahresrhythmus erst 2015 wieder auf Deutschland- und Israel-Tournee gehen wird. Doch auch diese israelisch-deutsche Begegnung Anfang Juni 2014 führte wieder Studierende der Jerusalem Academy of Music and Dance und der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar zusammen, dabei erstmals auch die Kammerchöre der beiden Hochschulen.„Ich bin noch nie in Israel gewesen“, verriet HfM-Chorleiter Prof. Jürgen Puschbeck vor dem Abflug und zeigte sich gespannt auf die Hörer mit ihrem „anderen kulturellen Hintergrund“. Eine erste Kostprobe der wohlgesonnenen Reaktionen gab es bei einem gemeinsamen Chorkonzert am Samstag vor der Aufführung der großen h-Moll-Messe. Auf dem Programm im Konzertsaal des YMCA standen unter anderem Motetten von Schein, Bach und Mendelssohn, aber auch drei zeitgenössische Werke israelischer Komponisten. 32 Choristinnen und Choristen der Jerusalem Academy unter der Leitung von Stanley Sperber und dem 48-köpfigen HfM-Kammerchor gelang das Kunststück, mit einer einzigen Probe ein fulminantes abendliches Konzert zu gestalten.

Gemeinsames Erbe

Beeindruckt von diesem Auftritt im Rahmen des Israel Festival zeigten sich auch die beiden Präsidenten der Partnerhochschulen: Während Prof. Yinam Leef von einem „sehr bewegenden, wunderschönen Konzert mit einer wunderbaren Repertoire-Auswahl“ schwärmte, verwies Prof. Dr. Christoph Stölzl von der Weimarer Musikhochschule auf das gemeinsame Erbe der beiden Kulturtraditionen. „Das Alte und das Neue Testament vereinen sich in der europäischen Kunstmusik und der israelischen Neuen Musik“, so Stölzl. „Es gibt gemeinsame religiöse Grundwurzeln.“

Für den Höhepunkt der Israelreise brachte der Tourbus den Weimarer Kammerchor dann am Sonntagmorgen in die Henry Crown Hall, die Spielstätte des Jerusalem Symphony Orchestra. Dort probten die Sängerinnen und Sänger mit dem deutsch-israelischen Kammerorchester, dass sich unter Konrad Junghänels Leitung für die h-Moll-Messe zusammengeschlossen hatte. Zwar gab es auch hier für das abendliche Konzert nur eine einzige Probe, doch hatten alle Studierenden die Messe Ende April bereits im Rahmen der Thüringer Bachwochen in der Weimarer Herderkirche aufgeführt – es galt also an bereits Geübtes anzuknüpfen.

Im betulichen Inneren der Crown Hall mit ihrer braun-beigen Farbgebung setzte der temperamentvolle Maestro Konrad Junghänel deutliche Akzente. „Wir sind im Gloria dynamisch zu sehr im Mittelfeld“, ließ er die sieben israelischen und 24 deutschen Studierenden im Orchester wissen. Auch dem Kammerchor verlangte er in Bachs virtuosestem Chorwerk alles ab. Die Messe sei „dauerhaft High End“, formulierte es Kammerchor-Tenor Tillmann Steinhöfel schmunzelnd. Doch nach drei intensiven Stunden war Junghänel zufrieden. „Ganz, ganz großartig“, lobte er strahlend in die Runde. Der Jubel in der fast ausverkauften Crown Hall nach dem abendlichen Konzert sollte ihm mehr als recht geben. Überraschungsgäste waren Rabbiner Prof. Walter Homolka vom befreundeten Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam und der Thüringer Spitzenpolitiker Bodo Ramelow.

Sieben Solistinnen und Solisten gestalteten die verschiedenen Arien und Duette der h-Moll-Messe, unter ihnen auch Franziska Roth. Die Sopranistin studiert in der Weimarer Gesangsklasse von Prof. Siegfried Gohritz und Sabine Lahm. Es sei ihr ein persönliches Anliegen, in Jerusalem mitzusingen: „Das Polyphone in Bachs Musik spiegelt sich in der Vielstimmigkeit Israels.“ Auch für Mezzosopranistin Michaela Schneider, im zehnten Diplomsemester bei Prof. Hans-Joachim Beyer, war es keine „normale Konzertreise“: Es sei eine wunderbare Gelegenheit, an die Quelle der Texthandlungen der Messe zu kommen und die Orte greifbar erleben zu können.

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