Wer an der HfMDK Frankfurt ein musikbezogenes Studium absolviert, kommt an der Musikwissenschaft nicht vorbei: Sie ist ein Querschnittsfach, fest verankert in der Lehre. Die Vorlesungen und Seminare sind dabei nicht nur für die fachliche Ausbildung essentiell, sondern fördern auch die Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden.
Forschend lehren, lernend forschen
Zwei Aspekte spielen eine wesentliche Rolle: Erstens ist es für angehende Künstler*innen und Pädagog*innen von entscheidender Bedeutung für den späteren beruflichen Erfolg, musikgeschichtliche Hintergründe, Repertoire- und Bildungs-Kanons sowie den aktuellen Musikbetrieb zu verstehen. Diese Kenntnisse helfen den Studierenden dabei, eigene Positionen zu definieren, Nischen zu entdecken und innovative Ansätze auszuloten. Zweitens werden grundlegende Kompetenzen einer fundierten Recherche, des mündlichen Präsentierens und des Schreibens über Musik in Seminaren geübt und vertieft. Interdisziplinäre Zusammenarbeit gehört ebenso dazu: Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen, von Lehramt über künstlerische und kirchenmusikalische Ausbildung, historische Interpretationspraxis bis hin zu Gesang und Komposition, kommen in den musikwissenschaftlichen Veranstaltungen zusammen. Die Gelegenheit zu einem solchen übergreifenden Austausch bietet sich im Hochschulleben sonst nur in Projekten und den großen Ensembles Chor und Orchester.
Seit geraumer Zeit verändert sich insbesondere die Historische Musikwissenschaft: Sie öffnet sich beispielsweise Fragen der Diversität (Gender, Race, Class) und orientiert sich globaler. Musikgeschichte wird stärker als Sozial- und Kulturgeschichte sowie als Technik- und Mediengeschichte gedacht, statt sich nur auf herausragende Werke und „große“ Komponist*innen als heroische Figuren zu fokussieren. Dieser Ansatz fordert Forschende dazu auf, ihre eigenen Vorannahmen und Methoden transparent zu machen und dabei kritisch zu hinterfragen, was vom eigenen Standpunkt aus möglicherweise nicht wahrgenommen, in den Hintergrund gerückt oder gar ausgeblendet wird. Für die Lehre lässt sich diese Haltung übertragen: Welche Aspekte und Dimensionen von Musikgeschichte nehmen Studierende wahr, welche würden sie gern entdecken? Wie lässt sich Musikgeschichte aus verschiedenen Perspektiven (neu) erzählen? Wer Fragestellungen und herausfordernde Hypothesen entwickeln will, muss selbstverständlich den kritischen Umgang mit Quellen und Forschungsliteratur trainieren.
Die HfMDK Frankfurt verfolgt das Ziel, musikwissenschaftliche Lehre nicht nur an tradierten Erzählungen von Musikgeschichte festhalten zu lassen, sondern sich gemeinsam mit den Studierenden auf neues Terrain zu begeben. Dabei hilft ein praxisnaher Bezug zur aktuellen Forschung: In Frankfurt und der Region bieten zahlreiche Archive umfangreiche Bestände vor Ort, die nicht nur in Forschungsprojekten aufgearbeitet, sondern unmittelbar in Lehrveranstaltungen einbezogen werden. So wurde in einem Seminar der Nachlass des Frankfurter Komponisten und Konservatoriumsdirektors Bernhard Sekles gesichtet, der an der HfMDK verwahrt wird. In einer weiteren Lehrveranstaltung wurden die historischen Aufführungsmaterialien des Mainzer Nationaltheaters untersucht, die sich in der Universitätsbibliothek Frankfurt erhalten haben. Unterrichte vor Ort führen in die Archive der Musikverlage André, Schott und Breitkopf & Härtel, ins Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, zum Deutschen Rundfunkarchiv, ins Musikarchiv der Deutschen Nationalbibliothek sowie zum Archiv des Hessischen Rundfunks. Eine kontinuierliche Kooperation besteht zudem mit dem Archiv „Frau und Musik“, in dem Studierende selbst zu Werken und anderen Quellen von Komponistinnen arbeiten können. Sie finden dabei neues Repertoire für Konzerte und konzipieren wissenschaftliche Beiträge wie Poster für Tagungen. Im Idealfall werden die Studierenden selbst zu Forschenden und entwickeln neue Perspektiven auf das Repertoire und ihre eigene Zukunft.
Artikelautorin Dr. Christina Richter-Ibáñez ist Professorin für Musikwissenschaft mit den Schwerpunkten Performance Studies, zeitgenössische und populäre Musik an der HfMDK Frankfurt. Prof. Dr. Fabian Kolb hat die Professur für Historische Musikwissenschaft an der Hochschule inne.
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