Das Forschungsprojekt LIPS hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, das gemeinsame digitale Musizieren zu perfektionieren und hat in den Musikhochschulen Hannover und München experimentierfreudige Praxispartner gefunden.
Am Freitag, dem 16. Oktober, fand der „virtual final workshop“ des Projektes LIPS, „Live Interactive PMSE Services“, statt und man konnte ihn über einen Livestream auf YouTube verfolgen. PMSE steht für Programme Making and Special Events, sprich: die Veranstaltungsbranche als Ganzes.
Die Forschungsergebnisse des LIPS-Projektes sind ein Schritt hin zu vernetzten Produktionen und damit auch zur Professionalisierung der digitalen Konzertbühne, bei der sich die Zeitverzögerung in musikfreundlichen Maßen hält. Die Idee einer Zusammenarbeit an diesem Ziel wurde schon vor der Coronakrise im April 2018 von den sieben Projektpartnern Sennheiser, ARRI, TVN Group, Smart Mobile Labs, Fraunhofer Heinrich Hertz Institut, Leibniz Universität Hannover und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg verwirklicht. Wie aktuell dieses Thema nun gerade in unseren Zeiten ist, berichtete unsere Zeitung bereits im Mai dieses Jahres im Artikel „Noch ruckelt die digitale Konzertbühne“.
Der Höhepunkt der Veranstaltung war ein kleines Konzert, in dem Studenten der Hochschule für Musik und Theater München und der Hochschule für Musik und Theater Hannover trotz geografischer Entfernung von 500 km über Video und Audio miteinander verbunden gemeinsam musizierten. Dies funktionierte einwandfrei und die in der Besetzung der Blues-Brothers auftretenden Jazzmusik-Studenten hatten sichtlich ihren Spaß bei den zwei Nummern. Der Bass-Spieler und der Pianist spielten von München aus, während Bild und Ton aus Hannover, wo Gitarrist, Keyboard-Spieler und Schlagzeuger mit einem Bildschirm und Lautsprechern zusammensaßen, in ihren Raum übertragen wurden. Der Pianist resümierte: „It feels like the musicians are only a few meters behind the screen.” Bei den Proben soll die Technik wohl auch schon ganz gut, mit Ausnahme leichter Verzögerungen des Videos, funktioniert haben. Dem Schlagzeuger kam hier eine entscheidende Rolle als Taktangeber und „personalisiertes Metronom“ zu. Leider fehlte den Kameras, die das Konzertgeschehen filmten, die professionelle Blickführung und sie fingen zum Beispiel bei Soli kaum die Solisten, sondern eher Nebensächlichkeiten ein. So konnte man das Konzert als virtueller Zuschauer mehr auditiv als visuell genießen.
In den vorhergehenden neun Minivorträgen stellten die sieben Projektpartner, die an LIPS beteiligt sind, ihren jeweiligen Beitrag hin zum virtuellen Musizieren, bei dem die Latenz über den digitalen Weg nicht größer als die Latenz der Schallwellen im Raum sein soll, vor. Die Vortragenden des gesamten Workshops waren bis auf eine Frau ausschließlich männlich und die Nutzung der englischen Sprache verlieh dem Ganzen neben einer internationalen Note auch etwas Gezwungenes. Fachlich konnte man vor allem bei den Vorträgen der Leibniz-Universität Hannover, der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg und dem Fraunhofer Heinrich Hertz Institut, aber auch von Sennheiser und ARRI, die für Ton und Bild zuständig sind, etwas dazulernen. Ein Ziel ist es, die Verzögerung auf 20 bis 30 Millisekunden zu reduzieren, da das Ohr des Musikers diesen Wert noch ausblenden kann. Die Leibniz-Universität Hannover hat im Rahmen des Projekts einen Raum kreiert, in dem eine die ganze Wand einnehmende Leinwand, ein sehr gutes Lautsprechersystem und eine 3-D-Brille den Eindruck vermitteln, dass man in ein virtuelles Fenster eintaucht. Schade, dass dieser Studioraum nicht für das Konzert genutzt wurde. Zum Nachhören und -schauen ist der „final workshop“ auf lips-project.de zu finden.
Das LIPS-Projektvolumen liegt bei 6,6 Millionen Euro, wovon das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 3,8 Millionen Euro übernimmt. Prof. Bernd Redmann, der Präsident der Hochschule für Musik und Theater München, die neben der Musikhochschule Hannover einer der beiden Praxispartner des Projekts war, sagt: „Das LIPS-Projekt erforscht eine Schlüsseltechnologie zukünftiger musikalischer Praxis. Für unsere Studierenden war die Mitarbeit an den ersten Testläufen eine spannende Erfahrung. Ich sehe hier ein riesiges Potenzial für unseren zukünftigen Schwerpunkt Digital Arts und für neue, international vernetzte Ausbildungsformen.“
Dass herkömmliche Konzerte noch Vorteile haben, hielt der Gitarrist fest: Ihm fehle mitunter der direkte Austausch mit dem Publikum. Klar ist jedoch, dass sich mit den Ergebnissen des Forschungsprojektes neue Möglichkeiten für Proben, Vorspiele, Unterricht und letztendlich auch Konzerte ergeben werden.