Banner Full-Size

Grenzenlos musikalisch

Untertitel
Universität Mozarteum Salzburg
Publikationsdatum
Body

Mit 26 Jahren ist er Konzertmeister des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, mit seinem Cuarteto SolTango zugleich auf einer „Misión Tango“. Vor Kurzem hat der gebürtige Rosenheimer Thomas Reif (30) eine Professur für Violine an der Universität Mozarteum angetreten.

Mit 26 Jahren Konzertmeister des Symphonieorchesters des BR. Wie war das für dich?

Konzertmeister wollte ich immer schon werden, insofern habe ich darauf hingearbeitet und es war natürlich großartig, als es geklappt hat – aber auch intensiv. Wir waren damals gerade auf Tour mit Cuarteto SolTango und mussten ein Konzert um einen Tag verlegen, damit ich die Audition in München spielen konnte. Nach drei Tango-Konzertabenden hatte ich das Hearing – und am nächsten Tag spielten wir dann ein Tango-Konzert im Bayrischen Rundfunk. (lacht) Das war ein lustiger Zufall und natürlich super, aber auch stressig.

Du bist in der Klassik zu Hause, überwindest musikalische Genregrenzen dennoch mühelos. Wie gelingt dir das?

Spielerisch. (lacht) Tatsächlich hat das in meiner Kindheit begonnen. Ich habe nie nur Klassik gemacht, da ich immer schon Interesse an verschiedenster Musik hatte. Den argentinischen Tango der Goldenen Ära, also den, der vor Astor Piazzolla entstanden ist, kannte ich nicht, als das Cuarteto SolTango 2016 auf mich zukam. Doch Martin Klett (Piano), Karel Bredenhorst (Cello) und Andreas Rokseth (Bandoneon) sind großartige Musiker, deshalb musste ich es versuchen – und bis jetzt macht mir der Tango wahnsinnig Spaß, weil es tolle Musik ist. Aber auch Barockmusik interessiert mich sehr und ich lerne dieses Repertoire Stück für Stück kennen. Jedenfalls bin ich kein Geiger, der nur das eine oder das andere spielt. Ich bin Geiger, und ich mache Musik.

Würdest du dir einen liberalen Zugang zu Musik generell wünschen?

Naja, auch ich habe mein ganzes Studium traditionell das gemacht, was viele andere auch tun und anstreben. Dass mein Weg funktioniert hat, ist natürlich ein Glück. Besonders alternativ ist er aber nicht, auch wenn ich mit SolTango ein wenig ausreiße. Sich seine Freiheiten zu nehmen, möchte ich meinen Studierenden jedenfalls vermitteln. Man muss während des Studiums nicht jedes Jahr einen Wettbewerb spielen, um dann entweder solistisch unterwegs zu sein oder ins Orchester zu gehen. Man kann sich auch anderen Dingen widmen. Es geht im Grunde darum, auch in der klassischen Musikkunst andere, neue Konzepte anzudenken, durchaus auch fächerübergreifend und interdisziplinär. Dieses „Aufbrechen“ beginnt aber schon dort, wo es auch ein Wettbewerb zulässt, etwas anderes als Bach zu spielen, oder wo die Zwischenprüfung etwas anderes erlaubt, oder wo der Professor eben nicht darauf besteht, nur Bach zu spielen. Tango ist dafür ein gutes Beispiel.

Wie hast du deine musikalische Karriere selbst empfunden? Gab es besondere Höhepunkte oder umgekehrt, hattest du auch Krisen?

Ja und ja. Aufregend war es jedenfalls immer. Und es kamen nach und nach großartige neue Dinge dazu, wie jetzt die Professur an der Universität Mozarteum. Aber als ich den Bachelor abgeschlossen und den Master in Berlin begonnen habe, gab es durchaus eine Zeit der Sinn- und Spielkrisen, weil ich mich wie ein Waschlappen fühlte, der noch einmal so richtig durchgewrungen wird. Ich war nur noch am Üben und hatte gleichzeitig das Gefühl, nicht mehr spielen zu können. Um von hier nach dort zu kommen, muss man durch dieses Tal. Man muss alles aufbrechen und analysieren und es wird erst einmal schlechter, während sich das Gehör sensibilisiert. Das ist furchtbar anstrengend, aber enorm wichtig, weil es sich lohnt. Das habe ich im Master gelernt – und davon zehre ich heute noch.

Was wünschst du dir für die Zukunft der klassischen Musik, auch für deine eigenen Konzerte?

Es sollte in der Klassik erst einmal darum gehen, konservative Schubladen und Etiketten aufzubrechen. Wenn das Publikum zum Beispiel zwischen den Sätzen klatscht, dann freue ich mich – weil das die ehrlichste und schnellste Reaktion ist, die man mir entgegenbringen kann. Jedenfalls sind das Regeln, die meine Freunde scheuen – sie fühlen sich den ganzen Abend lang unwohl, obwohl sie die Musik eigentlich schön finden. Ich würde behaupten, dass viele junge Menschen klassische Konzerte nur deshalb langweilig finden, weil sie der Rahmen abschreckt, in dem sie stattfinden. Den Inhalt der Musik muss man dafür nicht ändern, denn der ist gut.

Aktuelle CD:
Cuarteto SolTango: Misión Tango (CAvi, April 2021).
Thomas Reif – violine; Karel Bredenhorst – violoncello; Andreas Rokseth – bandoneon; Martin Klett – klavier

www.uni-mozarteum.at

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!