Meine Mutter verbrachte als Kind viele Bombennächte im Luftschutzkeller eines Regensburger Krankenhauses. Ihre Mutter war in diesen Schreckensmomenten bei ihrem Bruder, der Vater in Berlin geblieben. Meine Mutter war allein mit ihrer Krankheit, ihrer Angst, dem Leiden und Sterben um sie herum. Sie hat uns Kindern nie wirklich davon erzählt. Aber sie konnte ihr ganzes Leben schlecht allein sein, die traumatische Kriegserfahrung trug sie mit sich. Erst spät, als mein Vater starb und meine Mutter auf sich gestellt war, brachen diese Ängste hervor.
Nie wieder Krieg. Unter diesem Leitgedanken war ich aufgewachsen über Wirtschaftswunder, Achtundsechzig, Deutschland im Herbst, Friedensbewegung, Wiedervereinigung hinweg. Freiheit, offene Grenzen, Reisen in ferne Länder, Globalisierung und Internet: Ich gehöre einer glücklichen, reich beschenkten Generation an. So war das für eine große Mehrheit der Deutschen. Limitation gab es nicht, nur ein immer besser, immer weiter, immer schöner. Dann meldete sich die Generation meiner Töchter, fragte nach dem Preis unseres Lebens für den Planeten und ihre Zukunft. Wenn wir die Ressourcen der Erde immer schneller aufzehren, was bleibt dann für uns? Ein erster Riss im Glückserleben. Dann kam die Pandemie. Sie brachte alles zum Erliegen. Kein Reisen, kein Theater, Musik, essen gehen mit Freunden, die Herzlichkeit und Sorglosigkeit der Umarmungen, die Wärme der Begegnung waren plötzlich weg. Ein weiterer Riss, doch in den letzten Wochen schien das Ende der Pandemie nahe. Aber dann kam der Krieg, Putins Angriff auf die Ukraine.
Menschen auf der Flucht, im Keller oder den Schächten der Kiewer U-Bahn. Es ist nicht so, dass es keinen Krieg auf der Welt gab in den letzten Jahrzehnten. Aber er war weit weg, gefühlt zumindest. Nun ist die Front von Frankfurt aus nähergelegen als Rom.
Trotz oder vielleicht gerade wegen der aktuellen Situation lassen wir uns nicht einschüchtern. Im Gegenteil – wir nehmen uns den Freiraum, nach vorne zu blicken, Zukunft zu denken und zu gestalten. An den Kunsthochschulen tun wir dies mit den Mitteln der Künste und der Wissenschaften. Wir tun das als internationale, demokratische Hochschulgemeinschaft. Das kann uns Mut und auch Hoffnung geben – für die Zukunft.
Prof. Elmar Fulda, Präsident der HfMDK