„Die Oboistin Céline Moinet kannte ich nur von Videos auf Youtube und durch ihren Instagram-Kanal. Dass sie auch unterrichtet und dass ich einmal ihre Schülerin sein werde, hätte ich mir damals nicht träumen lassen“, so Hanna Makarenko. Die 20-jährige Ukrainerin flüchtete mit ihrer Großmutter, Mutter und jüngeren Schwester aus ihrer Heimatstadt Charkiw zu Beginn des Ukraine-Kriegs nach Slowenien. Hier erreichte sie eine Einladung von Céline Moinet, Professorin für Oboe an der Hochschule für Musik Dresden. Nach bestandener Aufnahmeprüfung setzt Makarenko ihr Studium seit dem Wintersemester 2022/23 in Dresden fort.
Hanna Makarenko kommt aus einer sehr musikalischen Familie. Ihre Mutter ist Sängerin, ihr Vater spielt Gitarre, ihre ältere Schwester Saxophon und ihre jüngere Schwester spielt Klavier, dirigiert und singt im Chor. Mit sieben Jahren lernt sie Blockflöte zu spielen, bevor sie mit zwölf zur Oboe wechselt. „Meine Mutter wollte immer, dass ich Oboe spiele. Zuerst mochte ich das Instrument nicht, weil es anfangs schwierig zu spielen ist. Aber wenn man dranbleibt und später mit Sinfonieorchester und Ensembles spielen kann, macht es richtig Spaß“, so Makarenko. So viel Spaß, dass sie 2020 an der Nationalen Universität der Künste Charkiw I. P. Kotljarewskyj ein Oboen-Studium aufnimmt.
Teile ihrer Familie sind nach wie vor in einer Evakuierungsunterkunft für geflüchtete Musiker in Slowenien. Ihre jüngere Schwester studiert von dort aus digital an der Charkiwer Musikhochschule. Die ältere Schwester blieb mit ihrem Freund in der Ukraine, ist nun aber von Charkiw nach Lwiw gezogen. „Ich telefoniere jede Woche mit meinem Großvater in Charkiw. Die Situation dort ist sehr schwierig. Ich weiß nicht einmal, ob unser Haus noch steht. Das macht mich sehr traurig“, so Makarenko.
Die Chance, in Deutschland zu studieren, wollte sie sich nicht entgehen lassen. „Das Musikstudium hier ist ausgezeichnet. Viele Methoden und Stücke sind neu für mich. Wir spielen sowohl Konzerte mit der Oboenklasse als auch mit dem Orchester. Ich muss viel üben, aber es macht mir auch sehr viel Spaß“, so Makarenko. Viel größere Schwierigkeiten machen ihr die auszufüllenden Dokumente für jede Art von Antrag im Bürgerbüro, Ausländeramt oder um einen Wohnheimplatz zu bekommen. „Zwei ukrainische Studierende von der Musikhochschule helfen mir mit der deutschen Bürokratie, aber ich bemühe mich sehr, alles besser zu verstehen“, so Makarenko.
Die Ukrainerin bekam Deutschunterricht in der Schule und wollte schon immer mal nach Deutschland reisen. In Dresden lebt sie in einer Gastfamilie, in der täglich musiziert wird. „Dresden ist für mich die schönste deutsche Stadt. Mir gefällt vor allem der Neumarkt mit der Frauenkirche, die Waldschlösschenbrücke und natürlich die Elbe. Alle Leute hier sind sehr freundlich“, so Makarenko. Und dennoch fehle ihr die emotionale, gefühlsbetonte Mentalität der Ukrainerinnen und Ukrainer sehr.
Nach dem Studium möchte Makarenko als Teil eines ukrainischen Orchesters auf den weltweiten Bühnen spielen. „Und ich möchte meine Erfahrungen mit jungen ukrainischen Oboistinnen und Oboisten teilen und sie fördern, so wie ich gefördert wurde“, so Makarenko. Eine Stelle als Lehrerin an einer ukrainischen Musikhochschule – wie ihr Idol Prof. Céline Moinet - könne sie sich sehr gut vorstellen.