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„Im Himmel werde ich hören !“

Untertitel
Interdisziplinäres Symposium zum Thema Hörschädigung
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In Detmolds Planungen zum Beethovenjahr 2020 stand das Thema „Musik und Hörbeeinträchtigung“ von Anbeginn auf der Agenda. Als vor allem im Alter zunehmendes Problem vieler aktiv Musizierender stellt der Hörverlust eine Einschränkung dar, die bis zur Berufsunfähigkeit führen kann. Schlecht zu hören berührt aber darüber hinaus auch den Alltag aller Menschen, da die soziale Bedeutung des Hörens nicht zu unterschätzen ist. Betroffen sind etwa 16 Prozent der Bevölkerung ab 18 Jahren. Hörprävention ist damit von großer gesellschaftlicher Relevanz.

Das Thema berührt Lehrbereiche und Forschungsfragen, die an der Hochschule für Musik Detmold vertreten sind. Aus diesem Grund wurde Ende Oktober 2020 unter dem Titel „Im Himmel werde ich hören!“ ein interdisziplinäres Symposium durchgeführt. Der Leiter des Bereiches Musikergesundheit und Musikmedizin Prof. Dr. med. Martin Fendel plante diese Veranstaltung gemeinsam mit dem Professor für Musikalische Akustik, Dr.-Ing. Malte Kob und dem Rektor der Hochschule, Prof. Dr. phil. Thomas Grosse, der die sozialen Aspekte des Musizierens vertrat. Das Symposium fand im Rahmen von BTHVN2020 | Detmold, dem Jubiläumsjahr der Hochschule für Musik Detmold zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven statt. BTHVN2020 | Detmold wird von der Volksbank Det­mold, Zweigniederlassung der VerbundVolksbank OWL eG, gefördert. Außerdem wird das Projekt im Rahmen von BTHVN2020 aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stadt Bonn und des Rhein-Sieg-Kreises unterstützt.

„Im Himmel werde ich hören!“ – ein Zitat, das vermutlich von Beethoven stammt und in Zusammenhang mit seinem Hörleiden steht, das den Komponisten Zeit seines Lebens in eine tiefe Krise stürzen ließ. Obwohl medizinische Möglichkeiten seitdem weit fortgeschritten sind, stellt der Verlust von Hörfähigkeit in heutigen Zeiten ein Problem dar, das an Bedeutung gewinnt. Die allgemeine Lärmbelastung im Alltag oder lauter Musikkonsum lassen Hörschäden vermehrt in jüngeren Jahren auftreten, gleichzeitig führt ein steigendes Durchschnittsalter dazu, dass Menschen deutlich länger auf ein gutes Gehör angewiesen sind. Grund genug, dieses Thema als Gegenstand des Lebenslangen Lernens in der Musik zu betrachten, das in Detmold durch ein Zentrum mit dem Namen L³Musik institutionalisiert ist. Im zweitägigen Symposium wurden diese Aspekte aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Der erste Tag näherte sich dem Thema aus medizinischer und akustischer Sicht: Prof. Dr. Eckart Altenmüller legte eingangs dar, dass Gehörerkrankungen auch heutzutage ein vielfach auftretendes Phänomen bei bedeutenden Musiker*innen wie Neil Young, Eric Clapton oder Sting darstellen. Hören sei aber auch ein Prozess, der im Laufe des Lebens einer kontinuierlichen Veränderung unterworfen ist.

Ludwig van Beethoven, über dessen Hörerkrankungen heute nur vage Vermutungen im Raum stehen, legt in seinem Heiligenstädter Testament ein beeindruckendes Zeugnis von seiner Erkrankung ab. Ausgehend davon wurden Aspekte aus der Forschung thematisiert und an aktuellen Beispielen verdeutlicht. So ging der Freiburger Musikmediziner Prof. Dr. Bernd Richter ausführlich auf das Thema Lärmschädigung ein. So besagt die EU-Arbeitsschutzlinie, dass am Arbeitsplatz ab einer Grenze von 80 dB lärmpräventive Maßnahmen ergriffen werden müssen. Diese können von einfacher Information bis hin zum Aussprechen eines Arbeitsverbotes reichen, sollte diese Grenze dauerhaft überschritten werden.

Zu den betroffenen Berufsgruppen, die einer chronischen Lärmbelästigung dauerhaft ausgesetzt sind, zählen auch die Musiker*innen im Berufsorchester. Sieglinde Fritzsche, Bratschistin und Mitglied der Arbeitsgruppe „Gesundheit und Prophylaxe“ der Deutschen Orchestervereinigung, schilderte ein besonders prominentes Beispiel der Hörprävention, an dem 42 Prozent aller Berufsorchester beteiligt sind: Das Willibert Steffens-Projekt und die damit verbundenen Erfahrungen mit Schallschutz im Orchester. Ausgehend vom Prototypen einer Schallschutzwand, entwickelt durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braunschweig in Zusammenarbeit mit der Unfallkasse NRW und den Städtischen Bühnen Münster, wurde damit eine wichtige Initiative ergriffen, um Musikerinnen und Musiker von Orchester vor überhöhtem Lärm zu schützen.

Die Klammer zwischen den beiden Tagen bildete ein Abendkonzert, in dem das Auryn Quartett Beethovens Streichquartett f-Moll op. 95 zu Gehör brachte – ein Werk, das der Komponist bereits nach völliger Ertaubung verfasste. Zuvor demonstrierte ein von Horn-Professor Norbert Stertz einstudiertes Blechbläserensemble anhand der Komposition „Galliard Battaglia“ von Samuel Scheidt ein musikalisches Experiment. Unter dem Einsatz von so genannten Silent Brass Dämpfern und der Wellenfeldsyntheseanlage des Detmolder Konzerthauses gelang es, live gespielte Werke akustisch derart zu verfremden, dass sich für alle Zuhörenden und Mitwirkenden in Echtzeit ein Klangbild ergab, das verschieden starke Hörbeeinträchtigungen simulierte. Die Konzertbesucher*innen hörten sozusagen mit Beet­hovens Ohren - eine eindrückliche Demonstration des Hörens von Musik mit Schwerhörigkeit.
Dieser Abend bildete den nahtlosen Übergang zum Schwerpunkt des zweiten Tages, an dem die pädagogischen und sozialen Aspekte des eingeschränkten Hörens von Musik im Vordergrund standen. Wie meistern Menschen mit Hörbeeinträchtigungen ihren musikalischen Alltag? Eindrucksvoll setzte sich Prof. Dr. Hans Herrmann Wickel mit einem spezifischen Blick auf die Amateurmusik damit auseinander. Ausgehend von – auch biographisch gefärbten – Erfahrungen wurde der Zusammenhang zwischen Hörbeeinträchtigung und erschwerter Kommunikation nur allzu offensichtlich: Durch die physische Benachteiligung wird den Betroffenen im Gegensatz zu gesunden Menschen die Teilhabe an dem musikalischen Erlebnis zu Teilen erschwert.

Trotzdem bieten inklusive Projekte Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken. Die Detmolder Studentinnen des Studiengangs Elementare Musikpädagogik, Linda de Groot und Anina Dohrmann, berichteten über die ihre Annäherung an das Thema. Von ihrer Arbeit mit stark hörgeschädigten Kindern und Jugendlichen und der Entwicklung eines dafür geeigneten musikpädagogischen Arbeitsansatzes berichtete die Freiburger Musikpädagogin Christine Löbbert. Im Rahmen ihrer Tätigkeit am Bildungs- und Beratungszentrum für Hörgeschädigte in Stegen bei Freiburg konnte sie ein musikbezogenes Angebot umsetzen. Sie legte überzeugend dar, wie sich ein künstlerischer Ansatz mit sonderpädagogischen und musikpädagogischen Elementen miteinander kombinieren lassen. In der Improvisation eröffnete Löbbert den Schülerinnen und Schülern einen Weg zu kompositorischem Grundverständnis.

Anhand einer wissenschaftlichen Begleitung des Projektes ließen sich Rückschlüsse auf den Erfolg dieser Arbeit ziehen. Abgeschlossen wurden beide Tage jeweils mit einem Roundtable, an dem die Mitwirkenden das Gehörte zueinander in Beziehung setzten.

Was am Ende bleibt, ist die Erkenntnis, dass das Thema Hörschädigung in vielfachen Kontexten betrachtet und die Diskussion darüber verstärkt geführt werden muss. Die Bedeutung dieses Themas ist an einem Ort der Musikausbildung wie der HfM Detmold bestens platziert und sollte hier auch weitergeführt werden.

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