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Bei der Probenarbeit: das 2006 gegründete Ensemble folkwang modern. Foto: Heike Kandalowski
Bei der Probenarbeit: das 2006 gegründete Ensemble folkwang modern. Foto: Heike Kandalowski
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Innen lebendig halten, von außen anregen lassen

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Günter Steinke im Gespräch über den neuen Masterstudiengang Neue Musik in Essen
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Als vor rund zehn Jahren die Bologna-Reform Bachelor- und Masterstudiengänge an die Hochschulen brachte, war neben der Internationalisierung auch die Professionalisierung ein erklärtes Ziel. Um Studierende besser auf die Berufspraxis vorzubereiten, entstanden zahlreiche neue, teilweise hoch spezialisierte Angebote. Doch wie sollte ein solcher Spezialisten-Studiengang aussehen?

Reicht es, wenn die alten Strukturen übernommen werden und der Hauptfachlehrer entsprechende Schwerpunkte in der Repertoireauswahl setzt? Oder bedarf es einer grundsätzlichen Neukonzeption? An der Essener Folkwang Universität hat sich der Kompositionsprofessor Günter Steinke als zuständiger Dekan Gedanken über diese Fragen gemacht und einen Masterstudiengang für die Ausbildung in der Neuen Musik entworfen. Christian Rabenda hat mit ihm gesprochen.

neue musikzeitung: Was hat Sie bewogen, dem Masterstudiengang jetzt ein neues Konzept zu geben?

Günter Steinke: Seit ich hier bin, seit 2004, habe ich mit Bernhard Wambach zusammen sehr viel daran gearbeitet, die Neue Musik hier wirklich lebendig werden zu lassen, sie fest in den Instrumentalstudiengängen zu verankern und die Verbindung zur Kompositionsklasse zu stärken. 2006 habe ich das Ensemble folkwang modern gegründet – das natürlich in wechselnder Besetzung spielt, weil die Fluktuation an einer Hochschule naturgegeben groß ist. Wir haben dann jedes Jahr größere Projekte gemacht und dafür auch immer Gäste eingeladen: Johannes Kalitzke war natürlich hier, Peter Rundel war hier. Letzten Endes hat das zur Gründung des Festivals „NOW!“ geführt, wo eine sehr enge Zusammenarbeit mit der Philharmonie, aber auch mit dem Landesmusikrat und der Jugendmusikschule stattfindet. Parallel wollten wir an der Hochschule etwas etablieren, was immer mehr Studenten in die Arbeit einbindet. Dann kam eben auch der Wunsch, einen eigenen Masterstudiengang für Neue Musik zu entwickeln, der parallel zur Alten Musik und zur Kammermusik laufen sollte. Dafür war angedacht, dass man sich direkt auf eine bestimmte Richtung spezialisiert. Ursprünglich war es so, dass man sich mit einem Hauptinstrument anmeldet, und dann eine Ausrichtung wählt. Das hat sich inzwischen geändert, weil wir gesehen haben, dass es besser wäre, direkt eine Hauptausrichtung zu wählen, und gar nicht unbedingt das Instrument.

nmz: Inwieweit überträgt sich dieser Ansatz auch in das Studium? Wie sieht der Studienalltag aus?

Steinke: Es gibt natürlich den wöchentlichen Unterricht. Immer Dienstags ist bei uns der Neue-Musik-Tag: Morgens Solfège, speziell für die Neue Musik. Alle müssen die Analyse Neuer Musik besuchen, die momentan Gordon Kampe macht. Am Nachmittag ist dann die Vorlesung Neue Musik und eine Erweiterung dazu, die Literaturkunde. Das sind die Kurse, die im ersten Jahr stattfinden. Und im zweiten Jahr besuchen alle das Masterseminar, wo dann über viele Sachen diskutiert wird und auch Referate gehalten werden.

nmz: Letztendlich bilden Sie aber doch praktische Musiker aus.

Steinke: Richtig. Eigentlich geht es auch darum, dass man sich vor allen Dingen wöchentlich zu Proben trifft und das Repertoire vorbereitet. Wir haben in der Studienordnung festgeschrieben, dass innerhalb der zwei Jahre vier Projekte gemacht werden müssen: ein Soloprojekt, ein Projekt mit Elektronik, ein Kammermusik- oder Ensembleprojekt, und ein Projekt mit einem lebenden Komponisten aus der Kompositionsklasse hier. Parallel zu diesen vier Projekten sollen allerdings auch immer kammermusikalische Werke erarbeitet und gespielt werden. Das Wichtigste ist, dass die Studenten Neue Musik spielen, und dass wir Ensembles und kleinere Kammermusikgruppen bilden.

nmz: Inwieweit spielen Solorepertoire und entsprechender Einzelunterricht da überhaupt noch eine Rolle?

Steinke: Dass man natürlich auch Solowerke studieren muss, ist völlig klar. Für jedes Instrument gilt, dass man sich auch an die große Literatur der Neuen Musik heranarbeitet. Aber wenn sich jemand hier bewirbt, dann muss er damit rechnen, dass er nicht regelmäßig in seinem Hauptfach Unterricht hat. Also wenn ein Oboist kommt, wird er nicht unbedingt jede Woche Hauptfach Oboe haben. Wir schauen aber dann schon darauf, dass die Studenten auch ihren Einzelunterricht bekommen können, bei Bedarf.

nmz: Wenn der Hauptfachlehrer als Dreh- und Angelpunkt wegfällt, wer arbeitet dann mit den Studierenden?

Steinke: Der große Vorteil an der Folkwang Uni ist, dass wir hier viele Kollegen haben, die sich in der Neuen Musik betätigt haben und die sich sehr gut auskennen, das allerdings nicht primär unterrichten. Frank Lloyd im Horn, Niek de Groot, unser Kontrabassist, die Flötistin Gunhild Ott hat jahrelang in Donaueschingen Uraufführungen gespielt, Matthias Diener, der im Minguet-Quartett Cellist ist, macht viel mit den Streichern. Die Liste ist lang. Diese Unterstützung der Kollegen habe ich immer, wenn eben jemand mal Flötenunterricht oder so haben möchte. Aber auch ich habe hier schon vielen Streichern Flageolette und andere Sachen beigebracht, obwohl ich kein Geiger bin. Ich würde das ganze auch gerne ein bisschen öffnen. Im Moment überlegen wir, die Nachfolge von Bernhard Wambach als reine Neue-Musik-Stelle ohne Bindung an ein Instrument zu besetzen.

nmz: Binden Sie auch Dozenten von außerhalb ein? Gibt es für die Studierenden Möglichkeiten frühzeitig Kontakte in die Szene aufzubauen?

Steinke: Ja, das halte ich für ganz wichtig. Ich bin ein Networker, wenn Sie so wollen. Ich halte nichts davon, dass man sich hier in Essen-Werden festsetzt. Es gilt, dass man die Kontakte nach außen hält oder noch verbessert. Es werden dann auch Workshops angeboten werden. Wenn jetzt beispielsweise eine Klarinette da ist, dann bieten wir an, dass wir einen erstklassigen Klarinettisten ranholen, der aus der Szene kommt. Ich denke, wenn man in die Spezialliteratur reingeht, dann braucht man den Input von außen auch. Und die Kontakte sind gut, da spreche ich dann mit Musikern vom Ensemble musikFabrik, ensemble recherche bis hin zum Ensemble Modern. Wir werden natürlich nicht dahinkommen, wie die IEMA in Frankfurt das macht. Deswegen mussten wir uns ein völlig anderes System überlegen, das wir eher flexibel handhaben wollen. Wir haben hier innerhalb des Hauses die Unterstützung, was wichtig ist, aber wir holen auch von außen gute Musiker ran, die mit unseren Studenten arbeiten können und wo dann auch Kontakte geknüpft werden können.

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