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Man sieht drei Gitarrist:innen spielen. Darüber liegen mehrere Zeilen von Programmiercode.

Sem R. A. Wendt – Etude zététique 1: Strandcafé, Fassung für 5 Gitarren und autonome Live-Elektronik. Foto: HfM Trossingen

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Integration von KI in Musik

Untertitel
„Etude zététique 1: Strandcafé“ von Sem R. A. Wendt
Vorspann / Teaser

Die gesammelten KI-Kompetenzen kommen dem neu ausgerichteten Masterstudiengang Komposition zugute. Hier stehen je nach Ausrichtung die kompositorischen, gestalterischen und ethischen Dimensionen der KI im Mittelpunkt. Studierende haben die Möglichkeit, als Schwerpunkte Musikdesign, elektroakustische Musik oder Instrumental-/Vokalkomposition zu wählen. In spezialisierten Lehrveranstaltungen wie „Musiklehre Elektronisch/Algorithmisch“, „Klang und Daten“, „Digital Lutherie“ und „Einführung in Python“ sowie Veranstaltungen im Bereich Sound Studies und in individueller Projektbetreuung lernen die Studierenden die Integration von Künstlicher Intelligenz in die kreativen Prozesse aus verschiedenen Perspektiven kennen. 

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Die sich mit atemberaubender Geschwindigkeit weiterentwickelnden Werkzeuge und Plattformen werden beispielsweise bestehenden Traditionen der algorithmischen Komposition und der elektroakustischen Musik gegenübergestellt und durch Methoden der künstlerischen Forschung miteinander verknüpft. Algorithmische Methoden und KI-Technologien dienen als Instrumente, die das kreative Denken und Handeln erweitern können. Im Dezember 2023 initiierte Trossingen das internationale Online-Symposium „AI in Music – Agency, Performance, Production and Perception“, das führende Experten mit Studierenden zusammenbrachte, um die Schnittstelle von KI und Musik zu erkunden und sich über die Möglichkeiten und Herausforderungen der Integration von KI in die Musik auszutauschen. 

Diskussionsthemen umfassten die Handlungsrelevanz (Agency) von Daten, KI und Ethik sowie KI in der Performance und Wahrnehmung von Musik. Zusätzlich bereichernd ist die Zusammenarbeit mit der Hochschule Furtwangen in den Bereichen Algorithmik, Robotik und insbesondere dem Bereich Soziotechnik, der in fachübergreifenden Stakeholder-Workshops strategische Methoden der Technikfolgenabschätzung entwickelt. Durch den Schwerpunkt auf digitaler Performance, den Prof. Sonja Schmid innerhalb des Landeszentrums MUSIK-DESIGN-PERFORMANCE aufbaut, entstehen vielfältige Kooperationen und Interaktionen zwischen den gestalterischen Aktivitäten der KI-gestützten Komposition und dem Bereich Musikdesign mit Trossinger Instrumentalklassen und -ensembles. So gab es bereits ein Projekt mit der Gitarrenklasse von Prof. Jin-Hee Kim und dem Kompositions-Studierenden Sem R. A. Wendt (siehe unten). Derzeit läuft eine Kooperation mit der Trossinger Hornklasse von Prof. Saar Berger.

Neben dem Thema künstliche Intelligenz ist auch der Bereich Raumklang- und Mehrkanalsysteme eine Trossinger Spezialität: Es können auf insgesamt drei Mehrkanalsystemen mit insgesamt 72 Lautsprechern Musik, Sounds und Klangumgebungen gestaltet werden – weitere Räume, in denen technologische Gestaltungsmöglichkeiten und Instrumentale Praxis miteinander in Kontakt treten können. 

 

Gitarren-Dialog mit der Maschine

von Sam R. A. Wendt

Die „Etude zététique 1: Strandcafé“ von Sem R. A. Wendt ist das erste Stück, das die selbst entwickelte Software SONAR – Sonic object notation, analysis and resynthesis – nutzt. Dieses transkribiert in Echtzeit beliebige Klänge und ihre akustischen Eigenschaften. In einem zweiten Schritt wird anhand äußerer und innerer Prozesse eine Abfolge von Syntheseverfahren aufgerufen, um selbstständig Klangantworten zu generieren. Eines dieser Verfahren ist die selbst entwickelte KNN-Synthese. Sie nutzt den k-Nearest-Neighbor-Algorithmus aus dem Jahr 1951. Diese Art der Synthese erfordert einen Vorbereitungsschritt: Eine mehrdimensionale Datenbank mit für die Komposition ausgewählten Klängen wird anhand derselben akustischen Eigenschaften analysiert, die auch SONAR analysieren kann. Ausgehend von einem Ursprungsklang wird eine rekursive Abfolge von in ihren Charakteristiken ähnlichen Klängen erzeugt. Diese Abfolge lässt sich wiederum als Akkord geschichtet abspielen, als rhythmisch eigenständige Stimme, als überlappende Klangfläche oder pointillistische Textur. In der Auseinandersetzung mit einem solchen autonomen System stellt sich die Frage, welche Funktion Form und Notation erfüllen müssen. Um eine Offenheit des Notentextes gegenüber unerwarteten Vorkommnissen zu ermöglichen, erlaubt die Etude zététique 1 den Gitarrist*innen, sich innerhalb von 13 Modellen frei zu bewegen. Die Probenarbeit besteht darin, als Individuum und als Gruppe ein Formgefühl im Dialog mit der Maschine zu schaffen.      

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