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«Jugend dirigiert» - Körpersprache und Emotionen mit dem Taktstock
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«Jugend dirigiert» - Körpersprache und Emotionen mit dem Taktstock

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Golzow - Selbstvertrauen, Einfühlungsvermögen und Taktgefühl will Musikpädagoge Alexander Saier mit dem Projekt «Jugend dirigiert» schulen. Was er bei Jugendlichen erfolgreich unter Beweis gestellt hat, probiert er nun auch mit Grundschülern. Das stößt nicht nur auf Zustimmung.

«Stellt euch vor, ihr geht in ein dunkles Haus, wo ein Geist leben soll», sagt der achtjährige Oskar zu seinen Mitschülern. Dann schwingt der Junge einen Taktstock, erst mit vorsichtigen Bewegungen, dann immer schwungvoller und kräftiger. Dementsprechend lauter und schneller spielt Musikpädagoge Alexander Saier vor ihm am Klavier. «Der Takt war schon ganz toll, aber Du musst noch größer werden, denn die Gefahr kommt ja näher», erklärt er anschließend seinem jungen Schüler. Oskar und 14 weitere Kinder der Grundschule «Kinder von Golzow» (Märkisch-Oderland) sind seit Schuljahresbeginn im Dirigierkurs von Saier.
 

Jedes Kind durfte ein Musikstück auswählen, das es dirigieren möchte. Klassiker wie Mozarts «Zauberflöte» sind ebenso dabei wie Filmmelodien, beispielsweise «Sleepy Hollow», das Oskar dirigiert hat. Saier spielt am Klavier so, wie seine Schüler dirigieren. «Sie lernen: Sie sind der Motor, nach dem sich der Klang in Bewegung setzt», erläutert der gebürtige Breisgauer. Dass er und später auch andere Musiker nach ihrem Kommando agieren, stärke das Selbstbewusstsein, schule das Taktgefühl und den Teamgeist, ist er überzeugt. Saier und die Golzower sind mit «Jugend dirigiert» in zwei Kategorien für den «Opus Classic»-Preis nominiert, der Ende Oktober 2021 verliehen wird.Sein Projekt «Jugend dirigiert» verfolgt Saier bereits seit mehreren Jahren, angefangen in Berlin, später auch in Brandenburg. Mehrere seiner Nachwuchs-Dirigenten schafften bereits die Aufnahmeprüfung im Dirigieren an der Musikhochschule Hanns Eisler, andere dirigierten renommierte Orchester wie die Berliner Philharmoniker. Allerdings waren seine Schüler - derzeit hat er etwa 60 in beiden Ländern - bisher Jugendliche, die bereits ein Instrument spielen, Noten lesen und Partituren erfassen können.

Für die Grundschüler in Golzow ist das keine zwingende Voraussetzung. «Sie lernen in erster Linie, ihre Körpersprache bewusst einzusetzen. Dieses Können verkümmert ja immer mehr, weil Kinder fast nur noch vor dem Computer sitzen oder ins Handy starren», sagt der 43 Jahre alte Musiklehrer und nennt seine Initiative an der Schule «musikalische Früherziehung».

Der Golzower Bürgermeister Frank Schütz (CDU), der im Internet auf «Jugend dirigiert» aufmerksam geworden war, hat Saier ins Oderbruch geholt. Die einzügige Grundschule des Ortes hat als Unterrichtsschwerpunkt die musische Bildung, pflegt eine Patenschaft mit dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt (Oder), dessen Musiker regelmäßig in Golzow sind. «Ich habe beobachtet, mit welcher Freude Kinder auf klassische Musik reagieren», erzählt der zweifache Vater Schütz. Beim Dirigieren könnten die Mädchen und Jungen lernen, welche Auswirkungen ihre Bewegungen, ihr Handeln auf andere haben. «Das lernen sie fürs Leben», ist der Bürgermeister überzeugt.

Skeptischer sieht Winnetou Sosa, Geschäftsführer des Verbandes der Brandenburger Musik- und Kunstschulen, das Projekt in der Grundschule. «Grundsätzlich freuen wir uns über jede Idee, die Kinder motiviert, sich mit Musik auseinanderzusetzen. Das Dirigieren kann man allerdings nur erlernen, wenn man Vorkenntnisse hat, also bereits ein Instrument spielt», sagt er. Mit dem verbandseigenen Programm «Klasse Musik» würden weitaus mehr Kinder erreicht, sagt Sosa. Damit seien an mehr als 80 Schulen im Land Bläser-, Streicher- oder Gitarrenklassen entstanden, so lernten Kinder unabhängig vom Geldbeutel der Eltern ein Instrument.

Eine Gitarrenklasse gibt es auch in Golzow, hält Schulleiterin Gabriela Thomas dagegen. «Musisch vollkommen ungebildet sind wir hier nicht.» Eher zurückhaltende Schüler und Schülerinnen, die vor anderen bisher selten den Mund aufmachten, seien durch den Dirigierkurs selbstbewusster geworden, beobachtete sie. Und Thomas hofft, dass durch diese Ansätze in der Schule Kultur auch später im Leben ihrer Schülerinnen und Schüler eine Rolle spielen wird.

Der Dirigierkurs hat bei einigen Schülern bereits dafür gesorgt, dass sie Lust bekommen, ein weiteres Instrument zu erlernen. Drei Mädchen aus Golzow unterrichtet Saier zusätzlich am Klavier. «Das gestische Darstellen von Musik mit den Händen reicht zum richtigen Dirigierenlernen natürlich nicht aus. Aber es motiviert Kinder, sich mit Musik auseinanderzusetzen, schult ihr Einfühlungsvermögen und macht im Idealfall Lust darauf, selbst zu musizieren», sagt der Berliner Komponist und Dirigent Thomas Hennig. Deswegen sei Saiers Projekt unbedingt zu unterstützen.

Die Nachwuchsdirigenten üben mit dem Musiklehrer in der Schulaula. Sobald es wieder möglich ist, soll es nach einigen Proben auch ein Konzert mit Orchestermusikern in der Golzower Oderbruchhalle geben - dirigiert von Saiers Schützlingen aus dem Ort. Der elfjährige Leon freut sich bereits darauf. «Es ist schon toll, wenn Erwachsene mal auf Kinder hören müssen und alle das sehen und hören.»

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