Weimar - Die Musiker des Young Philharmonic Orchestra Jerusalem Weimar bereiten auf das Eröffnungskonzert ihrer Tournee am Freitag (19. August) vor. «Wir haben seit dem Beginn der Proben erstaunliche Fortschritte gemacht», sagte Dirigentin Karin Ben-Josef der Nachrichtenagentur dapd. Das Ensemble vereint Musikstudenten der Jerusalem Academy of Music and Dance und der Musikhochschule Franz Liszt Weimar.
Hoch konzentriert sitzen die Streicher Anabelle Gensel und Yeshayahu Ginzberg hintereinander im Festsaal der Weimarer Musikhochschule und folgen den Ausführungen von Dirigent David Afkham. «Das war gut, aber die Artikulation muss noch klarer werden», sagt der Dirigent auf Englisch und summt den rund 40 jungen Streichern des Orchesters vor, wie sie die gerade geübte Passage betonen sollen. Das Young Philharmonic Orchestra Jerusalem Weimar ist ein Projekt zweier Hochschulen, die zumindest geografisch durch Welten getrennt sind.
67 junge Musiker der Jerusalem Academy of Music and Dance und der Musikhochschule Franz Liszt Weimar haben sich hier zusammengefunden, um gemeinsam zu musizieren. Seit vergangenem Freitag ist die Abordnung der Musikhochschule aus Jerusalem nun in Weimar.
In der Tat habe es anfangs deutliche Unterschiede gegeben, gerade in Hinblick auf die Interpretationen der jeweiligen Stücke, erklärt Dirigentin Karin Ben-Josef, die sich den Dirigentenstab mit ihrem Kollegen Afkham teilt. «Dass wir diese Unterschiede so schnell überwinden können, hätte ich nicht gedacht, das grenzt schon fast an ein Wunder.»
Auch Afkham ist grundsätzlich zufrieden, sieht aber noch viel Arbeit vor dem Orchester liegen. «Es ist sehr schwer, aus dem Ensemble einen homogenen Klangkörper zu bilden», sagt er. «Die Holzbläser und Streicher aus Jerusalem sind es nicht so sehr gewöhnt, sich selbst zuzuhören.» Das zu lernen sei eines der wichtigsten Ziele bis zur ersten Aufführung am Freitag (19. August). Denn dann werden die jungen Musiker zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne stehen, zur Eröffnung des Kunstfests «Pèlerinages».
Komposition des KZ-Opfers Viktor Ullmann
Das Ensemble präsentiert unter anderem Stücke von Johannes Brahms, Karl Amadeus Hartmann und dem jüdischen Komponisten Carl Goldmark. Einen ganz besonderen Schatz hat Michael Wolpe, der an der Hochschule in Jerusalem die Abteilung Musiktheorie, Komposition und Dirigieren leitet, in das Programm eingebracht: Das Werk von Viktor Ullmann, einem aus Schlesien stammenden jüdischen Komponisten, der in Auschwitz ermordet wurde.
«Für mich ist Ullmann ein wahrer Held», sagt Wolpe. Das Stück, das bei den Auftritten zu hören sein wird, habe Ullmann während seiner Inhaftierung in Theresienstadt komponiert. Ganz entgegen der Erwartung ende das Stück keineswegs melancholisch, sondern in einem opulenten Choral. «Vielleicht werde ich selbst sterben, aber am Ende der Geschichte wird das Gute siegen: Das ist die Message dieses Werks. Und das ist wirklich beeindruckend.» Wolpe hat das Stück in die Orchesterfassung übertragen.
Geschichte nicht allgegenwärtig
Auch die jungen Musiker sind sich der historischen Tragweite ihres Projekts durchaus bewusst, auch wenn für ihre Generation die Geschichte inzwischen weit entfernt erscheint. «Es ist äußerst bedeutungsvoll, wenn wir diese Musik gemeinsam an diesem Ort spielen», sagt Ginzberg. Vielleicht wolle er später zum Studieren nach Deutschland zurückkehren. «Weimar ist so friedlich und so inspirierend und so anders als Jerusalem.» Auch von der musikalischen Zusammenarbeit mit dem Ensemble ist er begeistert.
Ähnlich sieht es die 17-jährige Geigerin Anabelle Gensel. «Wir können die Vergangenheit nicht wegstreichen, aber sie ist zumindest nicht allgegenwärtig». Über die Verbrechen der Nazis werde zwar auch diskutiert, im Vordergrund stünden aber eher die gemeinsame Musik und gemeinsame Interessen. Neben den Konzerten stehen für das Ensemble noch Besuche in Buchenwald und im Liszt-Haus an. «Speziell Buchenwald wird sicher sehr emotional», sagt Gensel. Ähnliches dürfte für die Konzerte des Orchesters in Israel gelten. Dort werden die jungen Musiker unter anderem in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem auftreten.
Konzerttermine
- 20. August: Wartburg Eisenach
- 22. August: Friedrichstadtkirche, Berlin
- 26. Dezember: Kibbuz «Sde Boker»
- 27. Dezember: Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, Jerusalem
- 28. Dezember: Tel Aviv
s. auch "Young Philharmonic Orchestra Jerusalem Weimar“ startet musikalische Zusammenarbeit"