Sein künstlerisches Credo bringt er kurz und bündig auf einen Nenner: „ich betrachte kunst im allgemeinen als ausformung von gedanken in unterschiedlichen materialien. persönlich ziehe ich konzeptionelle ansätze vor: mehr gedanke, weniger material.“ Das Wirken von Hans W. Koch ist vielgestaltig. Es umfasst verschiedene Bereiche, die sich auch interdisziplinär kreuzen: kompositorisch, instrumental, vokal, elektronisch, radiophon, performativ, installativ. 1962 in Heidenheim geboren, studierte Koch zunächst Musik, Geschichte und Physik an der Pädagogischen Hochschule Weingarten, dann Komposition bei Johannes Fritsch an der Hochschule für Musik Köln. Als Gastprofessor für Komposition und „experimental soundpractices“ unterrichtete er 2007 am California Institute of the Arts in Los Angeles sowie seit 2012 als Dozent für „Hybrid Sound Composition“ am „Institut für Musik und Medien“ der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf. Als Nachfolger von Anthony Moore wurde er im Sommersemester 2016 zum „Professor für Sound“ an die Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) berufen. Mit ihm sprach Rainer Nonnenmann.
neue musikzeitung: Inwiefern prädestiniert Sie Ihr umfassendes Schaffen in verschiedenen Bereichen und Medien für Ihre neue Lehrtätigkeit an der KHM?
Hans W. Koch: Ich habe mich mit meinen Arbeiten schon relativ früh aus dem engeren Neue-Musik-Zirkel hinausbewegt und immer auch mitzudenken versucht, was zu einem Konzert, zu einer Aufführung oder überhaupt zu Klang dazugehört. Daher bin ich sehr dankbar, dass ich mich jetzt nicht an einer Musikhochschule um Musik kümmern muss, sondern mich an der KHM als „Professor für Sound“ um Klang kümmern kann. Denn das stellt für mich einen größeren Kontext her, nicht nur im Hinblick auf Kunstmusik, sondern Klang/Sound ist auch ein gesellschaftliches, politisches, physikalisches Phänomen. Dass Klang ein eigenes künstlerisches Ausdrucksmedium ist und nicht nur in Musik kanalisiert zu werden braucht, hat sich doch inzwischen herumgesprochen.
nmz: In Musik ist Klang nur einer unter mehreren Aspekten. Und umgekehrt ist Musik nur ein Aspekt des viel umfassenderen Phänomens Klang.
Koch: Man kann es auch anders sagen: Es gibt nur relativ wenig Musik ohne Sound, aber sehr viel Sound ohne Musik. Und genau das stellt für mich den größeren Kontext her. Das eine informiert auch das andere. Zum Beispiel können Alltagsgeräusche in Musik einwandern und dort organisiert werden. Aber ich möchte Musik nicht immer in den Vordergrund rücken, obwohl ich meine Wurzeln in der experimentellen Musik habe. Ich versuche lieber darauf aufmerksam zu machen, was Klang in all seinen Facetten sein kann und dies auch Studenten zu vermitteln, weil diese oft mit einem relativ konventionellen Musikbegriff ankommen und sich nur bei Popmusik oder Sound für Games gut auskennen.
nmz: „Soundartisten“ an Hochschulen sind eher selten. Wie werden Sie von den Studierenden und Kollegen der anderen Disziplinen aufgenommen?
Koch: Das Interessante an der KHM ist, dass es – um bei den Studenten anzufangen – keine Klassenstrukturen gibt, sondern alle studieren „Mediale Künste“ und schließen auch mit diesem Diplom ab, egal ob sie sich hinsichtlich Film, Medienkunst, Performance oder Klang spezifiziert haben. Während des Studiums kann so auch jemand einen 180-Grad-Turn vollziehen, vom Bemalen von Leinwänden etwa zu Sound. Das ist toll und eine große Freiheit. Es gibt kaum obligatorisches Curriculum. Doch in meinem Bereich sollte es einen für alle verbindlichen Grundkurs Sound geben, in dem physiologische, psychologische und apparative Grundlagen vermittelt werden. Da es an der Hochschule einen starken Film-Bereich gibt, aber keinerlei Lehrkräfte für Ton, halte ich das für notwendig. Ansonsten mache ich Angebote, die Studenten in die Beschäftigung mit Klang locken.
nmz: Ist Klang angesichts der Dominanz bildgestützter Medien an der KHM nur ein Anhängsel?
Koch: Nein, ganz und gar nicht. Das letzte, was ich machen möchte, ist „angewandter“ Sound, wie zum Beispiel Setton. Das würde für mich auch überhaupt keinen Sinn machen, da die Anforderungen hierfür sehr spezifisch sind und häufig durch eine informelle Kooperation mit Studenten des „Instituts für Musik und Medien“ der Robert Schumann Hochschule in Düsseldorf geleistet werden. Ich bilde keine Film-Tonmeister oder Komponisten für Filmmusik aus. Im Rahmen des Klanglabors können ich und der künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiter Dirk Specht bei Bedarf dazu allenfalls Beratung und Hilfestellung leisten.
nmz: Aus was besteht das „Klanglabor“? Und wie ist der Bereich Sound an der KHM institutionell verankert?
Koch: Das Klanglabor ist kein Studio im klassischen Sinne (zumal es ohnehin Tonstudios an der Hochschule gibt), sondern ein modularer Arbeitsraum für alle möglichen Aktivitäten: Klangforschung mit Lautsprechern, Apparaten und Texten, Programmierung und Hardwarebau, Materialforschung. Während meines Vorgängers Anthony Moore war der Sound angesiedelt in der Fächergruppe „Kunst- und Medienwissenschaften“, also in der theoretischen Disziplin, was dem Sound Freiheiten verschaffte, da er nicht einfach von anderen Medienkünsten in Dienst genommen werden konnte. Ich möchte diesen Freiraum des Sound als eigene Forschungs- und Kunstdisziplin in der neuen Fächergruppe „exMedia“ wahren. Das „ex“ steht für „experimental, expanded, existential“ und verbindet Professuren für 3D/Games, Animation, Experimentelle Informatik, Hybrid Space, Sound, Mediale Gestaltung und Theorie/Des-ign der Hypermedien. Ich fühle mich in solchen Habitaten viel wohler als dort, wo alle am gleichen Strang ziehen. Um dem Klang an der KHM mehr Bedeutung zu geben, wurde zusätzlich eine halbe Professor für Sound eingerichtet, die momentan Bill Dietz vertritt. Und schließlich bekommt das Klanglabor noch eine vierte Stelle, vom Ministerium des Landes finanziert zur Förderung von weiblichem wissenschaftlichem oder künstlerischem Nachwuchs. Dafür wird die Klangkünstlerin Franziska Windisch kommen, die selbst aus der KHM hervorgegangen ist.
nmz: Wie vernetzen Sie Ihre Aktivitäten an der KHM in der Musik- und Medienstadt Köln sowie darüber hinaus?
Koch: Meine Verbundenheit mit dem Düsseldorfer „Institut für Musik und Medien“ möchte ich gerne weiter pflegen. Im Herbst biete ich ein Seminar an, in dem Installationen und Performances für die Räume des Kulturbunkers in Köln-Mülheim entwickelt werden sollen. Dabei werde ich auch mit meinem Kollegen Georg Trogemann zusammenarbeiten, Professor für Experimentelle Informatik. Ich bin nicht nur in Köln sehr gut vernetzt und möchte das selbstverständlich für die Studierenden fruchtbar machen. Man kann an einer Hochschule zwar wunderbar studieren, muss aber letztlich rausgehen. Das entspricht auch meiner eigenen Biografie und ist einfach überlebenswichtig. Mit Andreas Oldörp, dem Nachfolger von Christina Kubisch in Saarbrücken, habe ich bereits eine Zusammenarbeit angedacht, ebenso mit Carsten Seiffahrt von „Bonn hoeren“. Eine Initiative zum Thema „Soundwalks“ wird sicher in die Stadt hinausführen. Und mit der KHM-Veranstaltungsreihe „Nocturne“ holen wir Gastkünstler für Performances und Konzerte nach Köln.
nmz: Ihre Sichtweise von Kunst als „Ausformung von Gedanken in unterschiedlichen Materialien“ hat ebenso einen intellektuellen wie handfesten Aspekt. Wie bringen Sie beides zusammen?
Koch: Das Material allein tut es ja nicht. Und manchmal sind die Gedankenkonstrukte viel größer als das Material, wie zum Beispiel im Fall des Urinals von Duchamp. Das ist nicht einfach nur da, sondern umgedreht und signiert, und dann beginnen die Gedanken. Mich interessiert der Aspekt, dass Material der Aufhänger für Gedanken wird. Bei Klang muss man auch über die zeitliche Form nachdenken. Und das Naheliegende ist manchmal das Falsche. Es braucht Flexibilität im Denken, denn jeder Gegenstand kann unter verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Diesen Brillen- und Perspektivenwechsel kann man einüben. Irgendein Material zu nehmen ist das eine. Aber etwas anderes ist es, dafür auch eine passende Form und Metapher zu finden, die das auch artikuliert. Da gibt es viel zu lernen, zu experimentieren und neu Fragen zu stellen.