Eine fröhliche, lebendige Festivalstimmung prägte vom 7. bis zum 10. Oktober sowohl die Westfälische Schule für Musik als auch die Musikhochschule Münster. Grund zur Freude: die „Jugendakademie Münster“ feierte ihren zehnten Geburtstag, ein Projekt, das sich inzwischen fest in der Musikausbildung von Stadt und Region etabliert hat.
Die „Jugendakademie“ ist ein Kooperationsmodell zweier Institutionen, die sich ganz auf Augenhöhe begegnen: hier die kommunale Musikschule, die über 7.000 Menschen erreicht mit einem pädagogischen Angebot, das sämtliche Generationen anspricht; dort die professionelle universitäre Ausbildung mit einem breit aufgestellten Fächerkanon und kompetentem Personal, das einen hohen Standard in der Lehre garantiert.
Schule und Hochschule verfügen über je unterschiedliche Erfahrungen und Kompetenzen, die man vor zehn Jahren verschmelzen und bündeln wollte. Und zwar ganz dezidiert im Hinblick auf die Förderung von Kindern und Jugendlichen, deren Talent mitunter bereits in den Grundschulen (oder später in den weiterführenden Schulen) erkannt und besonders in den Blick genommen wird.
Vorteil dieser Konstruktion: der ganz normale Unterricht und die besondere Förderung finden an ein und demselben Ort statt. Keine Reisen von Münster nach Zürich, München, Hamburg oder Berlin, um professionelle Premium-Förderung in Anspruch nehmen zu können. Schülerinnen und Schüler bewegen sich also in ihrem gewohnten sozio-kulturellen Umfeld. Was sich positiv auswirkt auf das Miteinander von Basisunterricht und der Unterstützung einer besonderen Begabung.
Der Grundgedanke der „Jugendakademie“ orientiert sich an einer Idee, die in Münster schon vor mehr als 100 Jahren entwickelt und auch umgesetzt worden ist. Es war der Dirigent und Musikwissenschaftler Fritz Volbach, der 1919 das heutige städtische Sinfonieorchester gründete, gleichzeitig als Professor lehrte und darüber hinaus auf der Gründung einer Musikschule bestand. Alle Bereiche sollten sich gegenseitig befruchten, sich ergänzen – im Sinne einer umfassenden musikalischen „Volksbildung“, wie man damals formulierte.
Diesen Anspruch verfolgt auch die „Jugendakademie“ mit spürbarem Erfolg. Etliche junge Menschen, die in den Genuss der Förderung der Akademie kamen, haben inzwischen Karriere gemacht, sind gefragte SolistInnen geworden oder besetzen führende Positionen in unterschiedlichsten Orchestern.
Bis zu 30 Plätze hält die Akademie bereit, wobei den AkademistInnen ganz individuelle Unterstützung geboten wird: Bis zu 90 Minuten Einzelunterricht, aufgeteilt in Haupt- und Nebenfach, Ensemble- und Orchesterspiel, Kammermusik, Gesang, Körperdisposition und Theorie stehen auf dem Lehrplan, darüber hinaus gemeinsame Konzert- und Opernbesuche sowie Begegnungen mit prominenten Künstler*innen. All diese Elemente dienen dazu, Fertigkeiten auf dem Niveau von Aufnahmeprüfungen an deutschen Musikhochschulen zu erwerben. Bei der Entwicklung individueller Förderungskonzepte arbeiten Westfälische Schule für Musik und Musikhochschule eng zusammen unter Einbeziehung sowohl der Eltern als auch der PädagogInnen an den allgemeinbildenden Schulen. Diese nehmen eine wichtige Rolle ein, stellen sie doch die notwendigen zeitlichen Freiräume zur Verfügung.
Dass die „Jugendakademie“ in Münster weitestgehend reibungslos und durch und durch partnerschaftlich funktioniert, ist keineswegs selbstverständlich. Dies wurde anlässlich der Fachtagung im Rahmen des Jubiläumsprogramms im Oktober deutlich: unter dem Motto „Eltern. Wurzeln geben – Flügel verleihen“ gab es bereits im Vorfeld der Vorträge und Key Notes einen regen Erfahrungsaustausch, zu dem sich VertreterInnen verschiedener Frühförderinstitute aus ganz Deutschland trafen. „Wir konnten feststellen, dass die Hochbegabtenförderung außerhalb Münsters durchaus nicht immer ohne Konflikte zwischen den beteiligten Institutionen abläuft“, so Friedrun Vollmer, seit 2018 Direktorin der Westfälischen Schule für Musik. Mitunter gebe es Konkurrenzdenken, auch die Sorge, begabte SchülerInnen einer Musikschule würden von Hochschulen „abgeworben“.
Die Kosten für die AkademistInnen sind etwa die gleichen, wie sie für eine einzige Unterrichtseinheit an einer Musikschule anfallen (ca. 99 Euro monatlich). Alle zusätzlichen Leistungen werden von Musikschule, Musikhochschule und von Sponsoren finanziert.
Neben der Rückschau stand auch der Blick in die Zukunft im Vordergrund. Bereits gestartet und seit Beginn des Wintersemesters 2021/2022 aktiv ist die „Orchesterakademie“ in Zusammenarbeit mit dem Sinfonieorchester Münster – auch hier wieder die Bündelung je unterschiedlicher Kompetenzen im Bereich universitärer Lehre einerseits, alltäglicher Orchesterpraxis auf hochkarätigem Niveau andererseits. „Eine klassische Win-Win-Situation“ unterstreicht Stephan Froleyks, Dekan der Musikhochschule, die als Fachbereich 15 der Westfälischen Wilhelms-Universität angehört. Im Prinzip geht es um ein sich parallel zum Studium über zwei Semester erstreckendes, studienbegleitendes Praktikum, das gezielt auf die Arbeit in einem Orchester vorbereitet. „15 Orchesterdienste pro Monat sind hier zu leisten, was dem gängigen Standard entspricht“, so Froleyks.
Ein ähnliches Konzept wird das noch zu gründende Opernstudio verfolgen, das im kommenden Jahr seine Arbeit aufnehmen wird. Die Dienste aller StipendiatInnen werden honoriert, was eine gewisse Unabhängigkeit davon garantiert, durch weitere „Nebentätigkeiten“ den erforderlichen Lebensunterhalt zu verdienen.
Die gesamte Konstruktion der Akademien in Münster beruht auf dem dezidierten politischen Willen der Stadt Münster und der Westfälischen Wilhelms-Universität, der vor zehn Jahren durch einen gemeinsam geschlossenen Vertrag bekundet worden ist und der aufgrund der erfolgreichen Arbeit auch zukünftig Bestand haben wird. Das nächste Jubiläum kann also kommen.