„Das Ergebnis künstlerischer Forschung muss nicht notwendigerweise in schriftlicher Form dokumentiert werden. Das kann in Form einer Aufführung erfolgen, eines Videos, einer Aufnahme… Es ist eine Erweiterung der Erkenntnismethoden, die zur Weiterentwicklung von Kunst beitragen.“
So lautet ein Teil der Antwort von Stefan Gies auf die Frage, wie er den Begriff „Künstlerische Forschung“ definieren würde. Stefan Gies ist Geschäftsführer der „Association Européenne des Conservatoires, Académies de Musique et Musikhochschulen“ (AEC), also des Verbandes der europäischen Musikhochschulen. Zusammen mit der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden (hfmdd) und der Hochschule für Musik und Tanz Köln veranstaltet dieser in Dresden am 24. und 25. November eine Tagung zum Thema „Internationalisierung der deutschen Musikhochschulen am Beispiel von Artistic Research“.
Stefan Gies, der frühere Rektor der Dresdner Musikhochschule, sieht in diesem Symposium eine Verbindung der drei Hauptaufgaben der AEC, die er so zusammenfasst: Erstens die Lobbyarbeit auf politischer Ebene, zweitens der Gedanken- und Erfahrungsaustausch der Hochschulen untereinander und drittens die Rolle als „Think tank“ für deren Weiterentwicklung. Dass der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) die Tagung unterstützt, weist darauf hin, dass dieser für die deutschen Musikhochschulen beim Thema Internationalisierung noch Luft nach oben sieht. „Auf der einen Seite fällt die hohe Quote der ausländischen Studierenden auf“, so Stefan Gies, „auf der anderen Seite sind die deutschen Musikhochschulen aber kaum in strukturell verankerte internationale Projekte eingebunden. Manche sagen, die seien so gut, dass sie das nicht bräuchten, aber das ist zu kurz gedacht, wie auch der DAAD meint, und verkennt, dass die entscheidenden Impulse für eine Weiterentwicklung gerade nicht in Deutschland stattfinden.“ Das Thema Künstlerische Forschung ist für Gies ein exemplarisches Beispiel dafür, „weil Deutschland in auffallender Weise hinterherhinkt“. Zum Vergleich führt er Österreich und die Schweiz an, wo es eigene Fonds zur Förderung von Artistic Research gibt, und verweist auf Schweden, wo 2014 die Stockholm University of the Arts gegründet wurde.
Beim Symposium an der hfmdd wird es zum einen Grundsatzreferate und Präsentationen konkreter Forschungsprojekte geben. So spricht etwa der Pianist und Dresdner Prorektor Florian Uhlig über „Kreative Gestaltungsmöglichkeiten für den Interpreten“ in Bezug auf musikalische Genres oder der Kölner Barockviolinprofessor Stefan Gwilt über die Entwicklung der Geige und ihrer Spieltechnik von 1600 bis 1800. Zum anderen wird in zwei Panels über das Verhältnis der Artistic Research zur Erkenntnistheorie beziehungsweise zur Musikwissenschaft diskutiert. Gerade letzteres könnte sich als spannend erweisen, glaubt Stefan Gies. Für ihn ist Künstlerische Forschung „ein Erkenntnismodus eigener Dignität jenseits dessen, was ein historischer oder systematischer Musikwissenschaftler macht.“ Darüber hinaus müsse sie sich von dem unterscheiden, was die historische Aufführungspraxis geleistet habe: „Sie war eine Initialzündung, weil sie sich in diesem Feld zwischen den Welten bewegt hat. Das ist aber dann zu wenig, wenn es auf einer unsystematischen Ebene verbleibt. Als Künstlerische Forschung muss sie verlässlich und reproduzierbar werden.“
- Termin: 24.11., 14 Uhr, bis 25.11., 13 Uhr. Konzertsaal der Hochschule für Musik Dresden. Der Besuch der Veranstaltung ist kostenfrei, Registrierung unter Tel.: 0351/4923-672, www.hfmdd.de
Das Hochschulmagazin in der Dezemberausgabe der nmz wird der Künstlerischen Forschung einen Schwerpunkt widmen.