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Demonstration gestalterisch kontrastreicher Feinarbeit: Das Young Orchestra Riga Rostock. Foto: Mirco Dalchow
Demonstration gestalterisch kontrastreicher Feinarbeit: Das Young Orchestra Riga Rostock. Foto: Mirco Dalchow
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Leuchttürme musikalischer Frühförderung

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Eindrücke von der Yaro Summer School und vom Young Orchestra Riga-Rostock
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Nein, ruhig geworden war es an Rostocks Hochschule für Musik und Theater (HMT) auch nach Abschluss des Sommersemesters nicht. Im Gegenteil. Geradezu turbulente Zeiten brachen dort an, denn man hatte für die Zeit vom 22. bis 27. Juli sowohl zur Yaro Summer School sowie zeitgleich zum Projekt des Young Orchestra Riga-Rostock eingeladen.

Damit bündelte die HMT so absichts- wie sinnvoll und öffentlichkeitswirksam alle Potenzen dieser beiden für die musikalische Frühförderung so wichtigen Projekte der Hochschule: die für die Altersgruppen von 12 bis 19 Jahren nunmehr zum vierten Male durchgeführten Kurse der (2008 gegründeten) Young Academy Rostock (yaro) – diesmal für die sonst seltener berücksichtigten Instrumente Fagott, Viola, Kontrabass und Klavier (17 Teilnehmer) – und die Probenphase des nahezu paritätisch deutsch-lettisch besetzten und mit fünf TeilnehmerInnen aus St. Petersburg ergänzten Jugend-Orchesters Riga-Rostock (63 Mitglieder). Für Letzteres war dies nach einem ersten Auftritt anlässlich des 10-jährigen Bestehens der yaro im November 2018 der damit definitiv gesetzte Ausgangspunkt einer von einem Sponsor großzügig unterstützten und in Kooperation mit der Emils Darzinš Spezialmusikschule Riga nunmehr jährlich geplanten gemeinsamen Arbeitsphase.

Die Sinnfälligkeit solcher auch internationalisierter, systematischer musikalischer Frühförderung steht außerhalb jeden Zweifels. Für Rostock – siehe oben – allemal und nicht zuletzt als Fazit der diesjährigen Projekte. Umso mehr, wenn sich erneut die geballte Fachkompetenz professioneller Musiker/-innen um den Nachwuchs bemühte und – deutlich nachprüfbar – die Wochenarbeit an einem Werk letztlich und jenseits bloßer Technikorientierung zum komplexen Erlebnis, zur Gestaltung eines „Kunstwerks“ führt. Und das erfreulich unabhängig von Altersgrenzen.

Wer Gelegenheit hatte, sich während der Rostocker Projekttage diesbezüglich ein wenig genauer umzusehen, konnte dem Veranstalter wie den Organisatoren – allen voran HMT-Klavierprofessor Stephan Imorde als Leiter der yaro – zum Aufgebot an Kursleitern nur gratulieren. So machte es richtig Freude, den so anspruchsvoll fordernden wie das junge musizierende Völkchen sichtlich motivierenden täglichen Orchesterproben unter Andris Vecumnieks (Riga) zu lauschen und die zunehmende Gestaltwerdung konzertanter oder sinfonischer Musik zu beobachten.

Nicht geringer der Genuss, in den ebenfalls täglichen 45-Minuten-Kursstunden der Summer School Mäuschen zu spielen und dem nachzulauschen, was Stephan Imorde – auf beide Projekte bezogen und schon bewundernd – als „ansteckende Begeisterung und Willen zur ausdauernden musikalischen Arbeit“ erkannte. Und so dürften er selbst (Klavier) wie auch David Petersen (Fagott, Gewandhaus und Hochschule Leipzig), Neasa Ni Bhriain (Viola, Staatskapelle und Hochschule Weimar) und Professor Silvio Dalla Torre (Kontrabass, HMT Rostock) sowohl mit dem Leistungsvermögen wie dem Leistungswillen ihrer teils sehr jugendlichen Kursanten zufrieden gewesen sein.

Die zu Kurskonzerten eingeladene Öffentlichkeit war es offensichtlich auch. An zwei Nachmittagen produzierten sich im Kammermusiksaal der Hochschule eine Vielzahl der Kursteilnehmer mit nicht weniger als 16 stilistisch sehr unterschiedlichen Kammermusikwerken zwischen Barock und Moderne, Solo- und Ensembledarbietung. Spannend zu erleben, wie auf nicht alltäglichem Instrumentarium und mit altersbedingt unterschiedlichem Herangehen im Unterricht erarbeitete Gestaltungsabsichten und ihre in nicht wenigen Fällen schon überzeugende Realisierung erkennbar wurden. Wie denn auch Vergleiche zwischen Unterrichtsstandards und Aufführungen im Konzertsaal wohl zumeist pädagogisch und künstlerisch zufriedenstellend, stets aber wohl aufschlussreich ausgefallen sein werden. Für den Berichterstatter zumindest schienen sie hinsichtlich (allerdings eher punktueller) eigener Be­obachtungen deutlich genug.

Dies alles betraf natürlich auch die Orchesterarbeit dieser Rostocker Projektwoche, für die Andris Vecumnieks als Dirigent verantwortlich zeichnete. Der – unter anderem – seit 2000 an der Emils Darzinš Spezialschule für Musik Riga tätige und erklärtermaßen begeisterter Fan jeglicher musikalischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wusste, worauf er sich mit seinem höchst ambitionierten Rostocker Programm einließ. Seine Erfahrung, sein Gespür für das auch als Gratwanderung Mögliche ließen denn auch das Abschlusskonzert der Arbeitswoche im großen Katharinensaal der HMT zum Höhepunkt werden.

Schon die einleitende Ouvertüre zu Webers „Oberon“, ein durchaus heikles Paradestück anspruchsvoller professioneller Orchesterkunst, geriet zur Demonstration gestalterisch kontrastreicher Feinarbeit und nahm mit bemerkenswerter spieltechnischer Sicherheit und Prägnanz, forscher Selbstbewusstheit und musikantischer Frische sehr für sich ein. Man konnte aber auch ganz anders agieren. Zurückhaltend etwa, so aufmerksam wie klang­subtil begleitend, ganz auf sanglichen, ja liedhaften Wohlklang orientiert und schon mal sehr romantisch ohrengefällig bei einer Rarität: Max Bruchs Konzert für Klarinette, Viola und Orchester e-Moll op. 88. Hier lag der Akzent auf den Soloparts, deren weniger vordergründig bravouröse, dafür die angenehm dunkle Tongebung klanglich sehr attraktiv nutzende Anlage den jungen Solistinnen Madara Eleonora Mezale (Klarinette, Spezialmusikschule Riga) und Helena Correa (Viola, yaro) klanglich und spielerisch schönste Entfaltungsmöglichkeiten bot. Ein Stück übrigens, dass sich für die musikalische Praxis sehr empfiehlt!

Damit fast schon „verwöhnt“, wunderte ein Finale mit Beethovens „Pastorale“ kaum noch. Eher die Tatsache, dass es einem Projektorchester im „Erstkontakt“ – so einmal mehr ein begeisterter Professor Imorde – gelang, diesem mit handfestem Schwung und sichtbarem Engagement musizierten Beethoven ein wirklich fesselndes Profil zu verleihen; denkbare Relativierungen wollten sich da gar nicht erst im Kopf festsetzen. Fazit: eine für die kurze Vorbereitungszeit bemerkenswerte Leistung. Und auch eine Option für die geplante jährliche Zukunft, von der sich in einem Grußwort auch HMT-Rektorin Prof. Dr. Susanne Winnacker sehr erfreut zeigte. Und für die Gesamtwoche galt: Summer School und Young Orchestra Riga-Rostock erwiesen sich als die beabsichtigten „zwei bedeutsamen Entwicklungsschritte“ (Stephan Imorde) in der noch jungen Geschichte der Young Academy Rostock.

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