Banner Full-Size

Mauricio Kagel und die Gruppe Junge Musik

Untertitel
Porträt-Konzert der Leipziger Hochschule für Musik und Theater
Publikationsdatum
Body

Nun sind Kagel-Konzerte heutzutage nichts Besonderes mehr. Trotz aller Widerborstigkeit hat der Komponist mittlerweile den Status eines Klassikers erreicht. Die Zeiten, in denen etwa dieses Trio wegen seiner Unbekümmertheit von den Darmstadt-Veteranen abgelehnt wurde, sind vorbei. Doch bei diesem Konzert wehte der Geist des Authentischen durch die Musikhochschule. Denn zwei Tage lang hatte Mauricio Kagel zuvor mit den Studenten seine Werke erarbeitet, ließ sich dabei öffentlich über die Schulter in die Komponistenwerkstatt schauen.

Der Schalk blitzt durch jede Note – selbst wenn sein Werk ein klassisches Trio in drei Sätzen ist. Doch Mauricio Kagel ist nicht der Schöpfer verkopfter Elaborate. Was der in Argentinien geborene Komponist widerspruchsvoll als „tonale Serialität“ bezeichnet, entpuppt sich im Porträt-Konzert der Leipziger Hochschule für Musik und Theater als gekonnte Verbindung kleiner, jeweils aber gekonnt ausgearbeiteter Einfälle im Sinne einer Rhapsodie. Nun sind Kagel-Konzerte heutzutage nichts Besonderes mehr. Trotz aller Widerborstigkeit hat der Komponist mittlerweile den Status eines Klassikers erreicht. Die Zeiten, in denen etwa dieses Trio wegen seiner Unbekümmertheit von den Darmstadt-Veteranen abgelehnt wurde, sind vorbei. Doch bei diesem Konzert wehte der Geist des Authentischen durch die Musikhochschule. Denn zwei Tage lang hatte Mauricio Kagel zuvor mit den Studenten seine Werke erarbeitet, ließ sich dabei öffentlich über die Schulter in die Komponistenwerkstatt schauen. Geprobt wurde wenig, erzählt hingegen viel. Schon dies allein zeigt, welch hohe Qualität die von Peter Schmiedel geleitete Gruppe Junge Musik mittlerweile bietet. Die koreanische Pianistin Song-Hee Lee beispielsweise hielt beim abendlichen Konzert im Trio alle Fäden zusammen, wühlte sich mit beachtlicher rhythmischer Energie durch den technisch anspruchsvollen Klavier-Part, bot ein erstaunlich buntes dynamisches Panoptikum. Das war wohl auch im Sinne des Porträtierten, denn im Workshop hatte Kagel insgesamt recht wenig an den Studenten auszusetzen. Eher schon nutzte er sie als lebendigen CD-Player. Hier ein paar Takte einspielen, da ein Motiv andeuten, dann folgte eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum über die Hintergründe der Werke. Zwei Stücke standen noch auf dem Programm, deren Titel „Osten“ und „Westen“ (aus „Die Stücke der Windrose für Salonorchester“) an dieser Stelle wohl mehr verrieten als dem Komponisten lieb war. Die Himmelsrichtungen nämlich geben ihm Platz für einen Zyklus ambivalenter Weltbetrachtungen. Dass Kagels Herz dabei dem Osten gehört, verhehlt er nicht: Hier brachte er die sprichwörtliche Gelassenheit zu Papier. Verfremdete Zigeunermelodien offenbaren dabei reichtlich Mut zum Banalen.

Diffus und zerfahren hingegen beginnt der „Westen“. Und obwohl sich hier mit Schlachtenlärm und Holzhacken allerlei brachiale Geräusche mischen, gibt der Komponist ihnen ein erschreckend kaltes und fremdes Gesicht. Diese hintersinnige Mehrschichtigkeit in Zusammenarbeit mit dem Komponisten beispielhaft herausgearbeitet zu haben, war der Verdienst der Leipziger Gruppe Junge Musik: Der herzliche Beifall des Komponisten war den Studenten sicher.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!