Mit einem Jura-Studium in der Tasche und einem Zertifikat beim damals noch in Hagen angesiedelten Fernstudium Kulturmanagement, zog Olaf C. Sauer in Deutschlands zweitgrößte Stadt – um noch einmal zu studieren: Kulturmanagement. „Ich wollte unbedingt nach Hamburg – eine faszinierende Großstadt mit dem Angebot des Studiums im Bereich Kultur- und Medienmanagement.“ Was er sich davon versprach? „Eine anregende Ausbildung in dem Bereich Kultur- und Medienmanagement zu erhalten und spannende Personen kennen zu lernen.“ Olaf Sauer war Student des zehnten Jahrgangs am Institut KMM Hamburg, der ersten deutschen Studieneinrichtung für dieses Fach.
Inzwischen sind die Absolventen der ersten Jahrgänge gut zwei Jahrzehnte im Berufsleben und es gibt eine Vielzahl an Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für diesen Bereich. Gesetzlich geschützt ist die Berufsbezeichnung Kulturmanager nicht – sie ist ein Oberbegriff für verschiedene Berufe. Das Tätigkeitsfeld im Kulturmanagement ist breit, die Rolle des Kulturmanagers einerseits immer die gleiche, andererseits aber ändert sie sich mit dem Lauf der Geschichte und ist heute schon nicht mehr die, die sie in den 1980er-Jahren war. „Gravierend haben sich beispielsweise Inhalte und funktionale Einbindung verändert, nicht zuletzt aufgrund veränderter gesetzlicher Bestimmungen und fiskalischer Rahmenbedingungen”, so Prof. Dr. Friedrich Loock, Leiter des Hamburger Instituts für Kultur- und Medienmanagement. „Wenig geändert hat sich die Sorge bei Kulturschaffenden, dass Kulturmanagement die Kultur einenge.”
25 Jahre KMM Hamburg
Als Prof. Dr. Hermann Rauhe 1987 an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater den Ergänzungsstudiengang Kulturmanagement einführte, schien die Zeit für eine gezielte Ausbildungsmöglichkeit reif gewesen zu sein. Der erste universitäre Lehrgang für Kulturmanagement im deutschsprachigen Raum wurde 1976 in Wien eingerichtet, das Bedürfnis nach einer stärkeren Professionalisierung wuchs.
„Es waren spannende Diskussionen, die zeigten, welches facettenreiche Know-how der Kulturbetrieb benötigt”, schreibt Rauhe in seinem Beitrag „Von den Anfängen, Kultur zu managen” (KM Nr. 68). 1998 wird die erste hauptamtliche Professur vergeben: Friedrich Loock, damals schon elf Jahre als einer der vielen Lehrbeauftragten im Studiengang tätig, leitet noch heute das Institut für Kultur- und Medienmanagement Hamburg. Gab es damals keine Zweifel an diesem Orchideenfach? „Wenn keine Zweifel erkennbar sind, dann streue ich sie zuweilen extra, denn letztlich halten uns nur Zweifel wach,” so Prof. Loock.
Es folgen Studienreform und Erweiterung um Medienmanagement, im Jahr 2000 die Gründung des heutigen Instituts mit seinen drei Bereichen Studium, Forschung und Service. 2005 wird gemeinsam mit der FernUniversität in Hagen die Übernahme des Fernstudien-Angebots geplant, seitdem ist das Fernstudium jetzt komplett in Hamburg angesiedelt. 2010 akkreditiert das Institut ACQUIN ohne Auflagen alle Studiengänge, die Qualität von Studium und Lehre ist damit bestätigt. 2012 bezieht das Institut neue, größere Räume in Hamburg-Altona, direkt an S- und Fernbahn gelegen und mit roten Lettern – KMM – auf dem Dach, und feiert sein silbernes Jubiläum als Studieneinrichtung. „Unser 25-Jähriges haben wir nicht zu einem bestimmten Termin ‚einmal laut‘ feiern wollen, sondern eher verteilt über das ganze Jahr”, erklärt Prof. Loock die von Sommer bis Herbst gestreuten Festaktivitäten.
Natürlich wurde nicht nur in Hamburg dem Geburtstag gedacht, auch die Plattform „Kulturmanagement Network“ gratulierte und widmete dem „Wunderkind“ Kulturmanagement eine Ausgabe seines Monatsmagazins mit aktuellen konstruktiven, kritischen und visionären Beiträgen.
Ob in Berlin, Düsseldorf, Friedrichshafen, Ludwigsburg, München, Weimar oder vielen anderen Standorten – die Ausbildungen und Studiengänge rund ums Kulturmanagement sind nahezu unübersichtlich: Arts and Media Administration, Betriebswirtschaft und Kultur-, Sport- und Freizeitmanagement, Communication & Cultural Management, Interkulturelles Musik- und Veranstaltungsmanagement, Kulturmarketing, Management von Kultur und Non-Profit-Organisationen, Museumsmanagement und -kommunikation oder Theater- und Orchestermanagement. Überwiegend als Master-Studiengänge konzipiert, existieren mit dem hinzugekommenen Bachelor aber auch grundständige Studienmöglichkeiten. „Dadurch entsteht ein ganz anderer Typus von Kulturmanagern”, so Dirk Heinze, Geschäftsführer der KM Kulturmanagement Network GmbH.
Was er bei dieser Vielzahl von Aufbaustudiengängen denn empfehlen könne, wenn ich im Musikbetrieb tätig werden möchte? Ein klares „das ist schwierig“ bestätigt die Vermutung: Wer Kulturmanagement studieren will, sollte möglichst genau wissen, in welchem Bereich er einmal tätig werden möchte. Denn, wie Anneta Käfer, KMM Master-Absolventin des 21. Jahrgangs, betont, „wenn man das nicht weiß, kann man auch nicht darauf hinarbeiten. Das ist besonders im Kulturmanagement sehr wichtig, weil das Aufgabenfeld und die Möglichkeiten so vielfältig sind wie die Kultur selbst.” Ausschlaggebend ist nicht nur die Kunstsparte – Musik, Literatur, Darstellende oder Bildende Kunst –, sondern auch die Kenntnis der Kulturbetriebe. „Eigentlich wünschte ich mir von Kulturmanagern, das sie irgendwann auch zwischen öffentlichen, gemeinnützigen und privaten Betrieben wechseln,” so Dirk Heinze. In persönlichen Beratungen empfiehlt er sogar oftmals, ins Ausland zu gehen oder zumindest dortige Angebote zu untersuchen. Dort – das ist in Amerika, Holland oder Finnland. Denn dort sind die „richtig guten” Studiengänge, und Spitzenjobs im Anschluss, auch als Rückkehrer nach Deutschland, scheinen damit erfahrungsgemäß leichter zu erzielen sein.
Studienlandschaft
„Jeder Studiengang Kulturmanagement hat eigene Stärken und Schwächen“, meint Christina Weiss, die frühere Kultustaatsministerin, im Gespräch mit KM, „wichtig ist jedoch das Angebot überhaupt. Die Studierenden sollen informiert sein über die Praxis der Kulturbetriebe – nur dann werden sie in ihrem Beruf auch reformwillig und reformmutig sein. Und das tut zu allen Zeiten not.”
Vor allem in Zeiten des Demographischen Wandels und eines angeblichen „Kulturinfarkts” sind neue Ansätze notwendig, durchaus auch die Abwägung, inwieweit der Kultur ein professionalisiertes Management überhaupt bekommt. „Aufgrund immer knapper werdender Haushaltskassen der Städte und Kommunen wird es umso wichtiger, mit den gegebenen Mitteln wirtschaftlicher umzugehen und diese bewusst einzusetzen”, erklärt Anneta Käfer. „Auch das Erschließen von neuen Finanzierungsmöglichkeiten zum Beispiel aus Stiftungsmitteln, EU-Förderung und auch Sponsoring beziehungsweise Fundraising werden für Theater, Museen, Vereine und andere immer wichtiger. Das Anpacken nicht nur der finanziellen, sondern auch der gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen bedarf der Anwendung moderner Managementinstrumente.” Dass diese Instrumente und Methoden nicht von Natur aus gegeben sind, ist klar. Kein Orchester, kein Solo-Künstler und kein anderer Berufstätiger könnte diesen Job erfolgreich „nebenbei” abhandeln. Olaf Sauer bedauert, dass sich insbesondere der Kulturbereich noch immer als „natürlicher Gegner” des professionellen Managements sieht: „Ich sehe noch immer ein großes Defizit im Management von Kultur und Medien. Die Kultur ist noch zu häufig in ihrem eigenen Bereich verhaftet, dabei muss sie doch in erster Linie für den Menschen da sein – wofür gibt es sie denn sonst?”
Dass das Kulturmanagement in den Anfängen seines Studienzeitalters in Deutschland zu euphorisch oder zu leichtfertig gesehen wurde, sei klar, meint Dirk Heinze: „Ein Kulturmanager wurde als Diener der Kultur gesehen – einer, der den Betrieb lediglich effizienter macht. Seine Rolle als Gestalter oder Ermöglicher wäre dabei viel zukunftsträchtiger.” Nach seinem Schulmusik-Studium in Weimar hat Dirk Heinze an der Hochschule für Musik Franz Liszt Kulturmanagement studiert und eine kleine Künstleragentur unterhalten. Heute betreibt er gemeinsam mit Dirk Schütz die Online-Plattform für Kulturmanagement, die als Informationsdienstleister im europäischen Kulturbetrieb fungiert.
In Deutschland gilt das Institut KMM Hamburg nach wie vor als eine der bedeutendsten Einrichtungen, die auf die Tätigkeiten im Managementbereich von Kultur- und Medieneinrichtungen vorbereitet. Derzeit sind etwa 560 aktiv Studierende am Institut, der Großteil davon in den Fernstudiengängen; für den viersemestrigen Präsenzstudiengang Master werden pro Jahr und jeweils zum Wintersemester 20 Studenten aufgenommen. „Wir bieten Präsenz- und Fernstudium an und haben damit das gesamte Spektrum vom Bachelor bis zum Dr. phil., unterstreicht Friedrich Loock. „Unser Kontaktnetz ist aufgrund unserer langen Historie sehr engmaschig – und das pflegen wir auch, so dass unsere Studierenden und Absolventen davon jederzeit profitieren können.” Diesen Aspekt möchte Anneta Käfer – ein Jahr nach Abschluss nochmals besonders deutlich – nicht mehr missen: „Wir hatten nicht nur in Vorlesungen die Gelegenheit, wichtige Persönlichkeiten aus dem Kulturmanagementbereich kennenzulernen und von diesen zu lernen, sondern auch bei anderen Veranstaltungen – zum Beispiel bei Praxisprojekten. Dadurch bekam man die Möglichkeit, ein einmaliges Netzwerk aufzubauen, das man vielleicht auch erst nach Jahren des Abschlusses brauchen, es aber jederzeit aktivieren kann.”
Im Anschluss an ihr Studium war Anneta Käfer ein Jahr Assistentin für Sponsoring an der Oper Stuttgart: „Ich habe sofort nach dem Studium eine Anstellung erhalten, die Bewerbungsphase hat noch in den letzten Monaten des Studiums begonnen.” Heute ist sie als Geschäftsführerin des Alumni Vereins des KMM nwKm e.V. und in der Geschäftsstelle des Fördervereins der Staatstheater Stuttgart e.V. tätig. Zudem arbeitet sie gerade an einem Projekt der Staatstheater Stuttgart im Bereich Kommunikation und Vertrieb. Vor ihrem Master hat sie den Bachelor in BWL und Kultur- und Freizeitmanagement absolviert, davor eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation. Zu Beginn des Master-Studiums hatte sie bereits ein klares Berufsziel: „Dieses hat sich im Laufe des Masterstudiums etwas gewandelt. Mein langfristiges Ziel war und ist jedoch, in eine leitende Position in der Kommunalpolitik zu gelangen.” Als Olaf Sauer sein Studium in der Hansestadt aufnahm, sah er seine Zukunft in erster Linie „nicht als Rechtsanwalt, was ich aber dennoch nun geworden bin”, sagt er schmunzelnd.
Hervorragend im KMM sind der Praxisbezug und die Projektarbeit während des Studiums. „Wichtiger Bestandteil sind die Semesterprojekte”, erklärt Anneta Käfer. „In Kleingruppen müssen reelle Projekte zusammen mit Projektauftraggebern über ein Semester bearbeitet werden.” Olaf Sauer erinnert sich: „Ich habe selbstständig mit einem auszubildenden Regisseur ein Opernprojekt – eine spanische ‚Zarzuela‘ – als Kultur- und Medienmanager gemeinsam mit einer weiteren Studentin begleitet. Das Stück war zum Glück sehr erfolgreich und wir konnten mit finanziellem Gewinn abschließen. Die Theorie hautnah umzusetzen und unmittelbar an der Kultur beteiligt zu sein – das hat Spaß gemacht und brachte viele Erkenntnisse.”
Etwas vermisst hat er „eine systematischere Ausbildung, die jedoch bei der Vielzahl der Interessen und bestehenden Kenntnisse der Studenten wohl unmöglich zu erfüllen ist.” Anneta Käfer hätte sich mehr Zeit gewünscht, sich auf einen Themenbereich einzulassen. Bei dem prall gefüllten Vorlesungsverzeichnis eines Master-Studiengangs ist das schwierig, vorherrschend sind hier Seminare in Blockveranstaltungen, mit fast täglich neuen Themen wie Volkswirtschaftslehre, Grundlagen und Rahmenbedingungen des Museumsmanagements, Stiftungsmanagement, Theatermanagement, Informationskompetenz als Kernkompetenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Corporate Publishing, Veranstaltungsmanagement, Tarifrecht Bühne und Kulturorchester et cetera, aber auch ein Seminar „Zu den ästhetischen Positionen bei Kant und Schiller“, eine Themenwoche zu Digitalen Medien, ein mehrtägiges Schreiblabor oder Interdisziplinäre Werkstätten.
Das bundesweite Angebot an Studienmöglichkeiten im Kulturmanagement macht die Wahl des richtigen schwer. „Die Studiengänge sind noch zu breit gefächert”, kritisiert Annette Käfer. „Die Studiengänge müssten für Studieninteressierte klarer strukturiert aufgezeigt werden.” Auch Olaf Sauer sieht hier Schwierigkeiten: „Angesichts der Vielzahl der Ausbildungsziele besteht die Herausforderung insbesondere darin, die unterschiedlichen Bereiche in einem Studiengang sinnvoll aufzufangen. Außerdem ist es angesichts der immer weiter schwindenden Bereitschaft, Kultur und Medien zu finanzieren, immer schwieriger, den Studenten eine auskömmliche Zukunft in Aussicht zu stellen.“
Die aktuelle Studie „Studium – Arbeitsmarkt –Kultur. Ergebnisse eines Forschungsprojekts” von Ulrike Blumenreich macht die Differenzen zwischen der Selbsteinschätzung der Studiengänge und den Bedürfnissen der Praxis an den Nachwuchs deutlich und zeigt: Die Kluft ist zu groß. In einem Studiengang auf alle möglichen Nischen und Bereiche des weiten Berufsfeldes vorzubereiten, bleibt eine Herausforderung. Um stetig ändernden Rahmenbedingungen und Forderungen gerecht zu werden, sollten sich die Studieneinrichtungen zum Teil stärker als bisher mit den gesamtgesellschaftlichen Veränderungen und auch den daraus resultierenden Berufsanforderungen beschäftigen. Denn Kulturmanagement ist auch Gesellschaftspolitik. Für das Institut KMM Hamburg weist Friedrich Loock den Weg: „Wir müssen und wollen internationaler werden – folglich steht die Stärkung eines fremdsprachigen Angebots ganz oben auf der Prioritätenliste.“
Im folgenden Vierteljahrhundert wird das Studium seine Stellung zwischen Wirtschaft und Kultur sicher weiter behaupten und normalisieren. Bei der Wahl der Studieneinrichtung lohnt ein genauer Blick und Vergleich, denn die verschiedenen Hochschulen setzen zum Teil unterschiedliche Schwerpunkte. Interessenten sollten sich vorab mit den Perspektiven des Fachs auseinandersetzen, kulturpolitisch interessiert sein und eine ordentliche Portion Motivation mitbringen, die darüber hinausgeht, sich mit schönen Künsten umgeben zu wollen. Eine wunderbare Antwort darauf, was denn einen guten Kulturmanager auszeichnet, verrät Olaf Sauer: „Ein unbedingter Wunsch, in diesem Bereich tätig zu sein, verbunden mit der Hartnäckigkeit eines Sisyphus und einem Hang zum Perfektionismus. Wenn der Kulturmanager gegen die Wand läuft, darf es nicht für ihn, sondern für die Wand schmerzhaft sein.“
Weiterführendes:
• Die Online-Plattform Kulturmanagement.net enthält auch einen Ausbildungsführer sowie eine Stellen- und Praktikumsbörse
• Anneta Käfer: „Kultur für Alle – Utopie oder nur eine Frage der richtigen Strategie?: Social Franchising eine Kooperationsform mit viel Potenzial“ Saarbrücken: Akademiker Verlag, 2012
• Blumenreich, Ulrike (Hrsg.): „Studium – Arbeitsmarkt – Kultur. Ergebnisse des Forschungsprojektes“, Bonn/Essen: Institut für Kulturpolitik/Klartext, 2012