Ein Forschungsprojekt über die Mehrsprachigkeit in der Musik und den respektvollen Umgang mit dem „Anderen“: Die Kommunikation zwischen Schüler/-innen mit und ohne Migrationshintergrund stellt oft hohe Anforderungen. Dass diese durch Musik gefördert werden kann, soll ein gemeinsames Forschungsprojekt des Instituts für Musikpädagogik sowie des Instituts für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie an der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien zeigen.
Weitere Ziele des Projekts sind, die Schüler/-innen mit den Forschungsmethoden der Ethnomusikologie vertraut zu machen und den Studierenden der mdw die „reale“ Unterrichtswelt an Wiens Schulen zu zeigen. Dafür wurde eine Schule ausgesucht, die einen 90-prozentigen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund aus über vierzig verschiedenen Ländern hat – die Volks- und Mittelschule des Campus Landstraße.
Vielfalt als Vorteil
Gemeinsam sollen die Schüler/-innen ermutigt werden, über ihre Identitäten zu sprechen, andere Musiksprachen kennenzulernen, zu verstehen und auszuprobieren. Dabei wird das „Andere“ respektvoll betrachtet, die Schönheit des Unbekannten entdeckt und die eigenen Lieder ohne Hemmungen vorgetragen. Das musikpraxisorientierte Fach Musikpädagogik und das wissenschaftliche Fach Ethnomusikologie spielen dabei eine ergänzende und begleitende Rolle. Die Studierenden der mdw sammeln dazu Erfahrungen und lernen eine andere Seite von Wien kennen, indem sie in dem Umfeld einer „typischen“ Wiener Schulklasse unterrichten, in der ein Großteil der Kinder migrantischer Herkunft ist. Die zukünftigen Musiklehrer/-innen empfinden diese Erfahrungen als eine wertvolle Bereicherung. Eine der mdw-Studierenden brachte es bei einem Interview während des Projektes mit folgenden Aussagen auf den Punkt: „Ich habe seit meiner Kindheit von solchen Schulen, Bezirken und Menschen gehört. Ich bin aber bisher nie mit dieser sozialen Schicht in Berührung gekommen. Hier läuft vieles anders. Ich glaube, die Unterrichtsmethoden, die wir kennen, müssen hier etwas geändert und ergänzt werden, damit wir diese Schüler/-innen besser ansprechen. Dieses Projekt wird uns dabei helfen.“
Interkulturalität im Musikunterricht
Außerdem erlernen die Kinder mit den mdw-Studierenden das Spielen auf Holz- und Blechblasinstrumenten und es wird eine Musiksprache unterrichtet, die heutzutage immer weniger gehört wird, die westeuropäisch-klassische Musik. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projektes beobachtet dabei die Unterrichtsprozesse und führt Interviews mit den Studierenden und Lehrenden der mdw. Folgende Punkte werden dabei diskutiert beziehungsweise untersucht: Welche möglichen Schwierigkeiten können in der Klasse entstehen? Welche geeigneten musikpädagogischen Lösungen gibt es? Welche Ergänzungen sollten im Curriculum gemacht werden, damit zukünftige Musikpädagog/-innen sich auf diese interkulturelle Musikwelt besser vorbereiten können? Inwieweit kann Musikpädagogik mit dem Fach Ethnomusikologie kooperieren, um die Interkulturalität im Musikunterricht besser gestalten zu können?
Junge Forscher/-innen
Zusätzlich zum Musikunterricht bietet die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projektes einmal pro Woche eine Stunde für die Schüler/-innen an, in der über die Musiksprachen der Welt gesprochen wird. Diese Ethnomusikologiestunden werden mit Video, teilweise von den Kindern selbst, dokumentiert. In dieser Stunde werden außerdem Fragen für ein Leitfaden-Interview entworfen, das die Schüler/-innen anschließend mit ihren Eltern und Freunden über ihre Identität und Musik führen. Die Schüler/-innen erhalten damit eine aktive und ernstzunehmende Rolle bei der Fragestellung, Interviewführung, Dokumentierung und Analyse zur Thematik „Musik und Identität“ und werden so mit den zentralen ethnomusikologischen Forschungsmethoden vertraut gemacht.
Das Projekt läuft von März 2015 bis Februar 2017 unter der Leitung von Walter Wretschitsch. Als Hauptergebnisse auf der wissenschaftlichen Ebene sind diverse wissenschaftliche Publikationen und Bachelor- oder Diplomarbeiten, die über dieses Projekt geschrieben werden, vorgesehen.