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Musikberufe – Wunsch und Wirklichkeit

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Falsche Vorstellungen und neue Wege: zum Problem der Ausbildung an den Hochschulen
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Wichtige Jobs im Bereich der Popmusik sind nicht mit studierten Musikern besetzt. Da finden sich Wirtschaftswissenschaftler, Juristen und Soziologen. „Ich weiß, ich weiß“ – begrüßte ein Pädagogikprofessor einer deutschen Hochschule sein neues Pädagogiksemester – „80 Prozent von Ihnen wollen gar nicht unterrichten“. Aber 80 Prozent und mehr eines Jahrgangs werden nach dem Studium unterrichten. Musikunterricht wird zu oft von Personen erteilt, die keine Motivation dafür haben und außerdem oft falsch ausgebildet sind. Es werden zu viele für Berufe ausgebildet, die in der Realität immer weniger gefragt sind. Es entstehen laufend neue Arbeitsbereiche, für die es kein ausreichend ausgebildetes Personal gibt.

Als der Zirkus Krone, der sich größter Zirkus Europas nennt, neulich in Hamburg gastierte, war keine Zirkuskapelle mehr zu sehen. Sie war nur zu hören. Zu sehen war ein Mensch an einem Gerät, der die Musik einspielte. Pianisten in großer Zahl verlassen jährlich die deutschen Hochschulen und Konservatorien. Wie viele Pianisten arbeiten als Pianist und können davon leben? Den Beruf des Pianisten gibt es eigentlich gar nicht. Wichtige Jobs im Bereich der Popmusik sind nicht mit studierten Musikern besetzt. Da finden sich Wirtschaftswissenschaftler, Juristen und Soziologen. „Ich weiß, ich weiß“ – begrüßte ein Pädagogikprofessor einer deutschen Hochschule sein neues Pädagogiksemester – „80 Prozent von Ihnen wollen gar nicht unterrichten“. Aber 80 Prozent und mehr eines Jahrgangs werden nach dem Studium unterrichten. Musikunterricht wird zu oft von Personen erteilt, die keine Motivation dafür haben und außerdem oft falsch ausgebildet sind. Es werden zu viele für Berufe ausgebildet, die in der Realität immer weniger gefragt sind. Es entstehen laufend neue Arbeitsbereiche, für die es kein ausreichend ausgebildetes Personal gibt.Die falschen Motivationen.Hast`n Job oder musste unterrichten? So mancher Musikschullehrer, Privatmusikerzieher oder Schulmusiker wollte gar nicht Lehrer werden, sondern Musiker. Pädagogik hat er nur aus Sicherheitsgründen studiert oder, weil er eigentlich Musiker werden wollte, gar nicht. Entsprechend ist seine Motivation beim Unterrichten. Solche Pädagogikstudierenden küm-mern sich dann auch im Studium vor allem um ihr Hauptfach, wenig um den zukünftigen Beruf. Oder sie haben zu wenig Zeit für die Pädagogikseminare, weil sie Geld verdienen müssen – etwa Unterricht geben. Diese Pädagogen wider Willen müssen nach dem Studium meist trotzdem unterrichten, kämpfen aber nebenbei darum, „es noch irgendwie zu schaffen“, doch noch eine „richtige“ Anstellung zu finden, betreiben die Pädagogik auch nach dem Studium nur als Durchgangsstadium, als notwendiges Mittel, wenn nicht gar Übel, um Geld zu verdienen.

Zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr wird ihnen dann bewusst, dass das Unterrichten kein vorläufiger Zustand ist, sondern der endgültige Broterwerb. Dann kommt oft die große Krise. Wer nicht vom Unterrichten leben muss, etwa Ehefrauen gut verdienender Männer, zieht sich oft schnell wieder aus der kommunalen Musikschule zurück und unterrichtet nur noch ein paar handverlesene, pflegeleichte Kinder. Wenn Musikschullehrkräfte oder Privatmusikerzieher bei Konzerten im Programmheft etwas über ihre Person angeben, verschweigen sie meist, dass sie hauptsächlich vom Unterrichten leben. Höchstens wird dann kaschierend mitgeteilt, dass sich die Pianistin neben ihrer Konzerttätigkeit der „Förderung begabter Klavierschüler“ widmet. Wenn überhaupt, gilt das Unterrichten von Erwachsenen etwas. Kinder- und Jugendausbildung, die oft alles entscheidende Basis, zählt am wenigsten. Haben viele Musiker einfach Pech gehabt, wenn sie später unterrichten müssen?

Die falschen Ausbildungen

Zukünftige Pädagogen werden vor allem zum Künstler, zum Solisten, zum Klassiker, zum Kenner der Musik der vergangenen 250 Jahre, zum Notisten ausgebildet. An vielen Ausbildungsstätten gibt es immer noch zu wenig Lehr- und Lernmöglichkeiten in Pädagogik. Sehr häufig jedenfalls erhalten Musikschulleitungen Unterlagen von Bewerbern, die keinerlei Hinweise enthalten auf Ausbildungen und Erfahrungen im Unterrichten. Vielleicht gibt es eine gerade Linie von dem geringen Ansehen der Pädagogik und der stiefmütterlichen Behandlung, die sie in vielen Ausbildungsstätten erfährt, zum geringen Selbstwertgefühl vieler Diplom-Musikpädagogen und der Tatsache, dass sie ihren Beruf gern verstecken?

Wir haben vier Bereiche, in denen musikalische Bildung außerhalb des Elternhauses bewirkt wird: erstens der Musikunterricht der allgemein bildenden Schulen, zweitens der Unterricht in den Musikschulen und bei den Privatmusikerziehern, drittens das Lernen bei den „freien Trägern“, in den Vereinen, in der Kirche und viertens das Lernen, dass sich aus dem ständigen Konfrontiertsein mit den Produkten der Musikwirtschaft ergibt. Mit den Bedeutungen des dritten und vierten Bereichs setzen sich die Ausbildungsstätten zu wenig auseinander.

Die „richtige“ Ausbildung

In die Pädagogikstudiengänge dürfen nur pädagogisch motivierte und geeignete Persönlichkeiten aufgenommen werden. Die Fähigkeiten im Hauptfach reichen nicht aus. Pädagogik sollte bei Diplom-Musikstudierenden verbindliches zweites Hauptfach sein, der künstlerischen Ausbildung im Stellenwert und Stundenaufwand gleichwertig, vom ersten bis zum letzten Semester.

Die Studierenden sollten gleich zu Beginn des Studiums Kontakt zum zukünftigen Arbeitsfeld aufnehmen, durch Hospitationen und Unterrichtspraktika. Zu Beginn des Studiums bereits sollten sie erfahren, wie dieser Beruf wirklich ist, ob er ihnen Freude macht, ob sie sich dafür eignen.

Immer noch werden Studierende überwiegend für das Solospiel ausgebildet. Sowohl zukünftige Berufsmusiker als auch zukünftige Pädagogen sollten vor allem für das Zusammenspiel, für Ensemblespiel, Kammermusik, Orchesterspiel oder Berufschorgesang ausgebildet werden. Fast jeder engagierte Lehrer eines Orchesterinstruments steht eines Tages vor einem Schülerensemble.

Die Musik, die heute vor allem gehört wird, sollte studiert werden. Nicht jeder kann alles können, Spezialisierungen sind notwendig – aber dass immer noch viele Musikpädagogen in Popularmusik nichts können, wird bei der Begegnung mit heutigen Schülern oft zum Problem. Viele „Klassiker“ unter unseren Lehrkräften haben regelrecht Angst vor der Popmusik, weil sie wissen, das diese zur Lebenswirklichkeit der Jugend gehört, von diesen meist gefordert wird und die „Klassiker“ hier nicht mithalten können. Hier ist mindestens Offenheit wichtig, auch hier gibt es Sinn- und Wertvolles, das gelernt oder gefördert werden sollte.

Wir sollten uns um ein anderes Verhältnis zwischen Produktion und Reproduktion bemühen. In unserer Musikkultur werden Instrumentaltechnik und Interpretation überbewertet, spielt das Nachspielen von Musik, die andere erdacht haben, spielt das Musizieren nach Noten eine übergroße Rolle. Die Kreativität kommt zu kurz. Das Niveau, das wir bei Instrumentaltechnik und Interpretation haben, sollten wir mindestens halten. Aber die Produktion von Musik, das Erfinden eigener Musik, die Neue Musik, die Improvisation, das augenblicksbezogene Musizieren, das Auswendigspiel, das Musikantentum, all dies ist zu sehr in den Hintergrund geraten. Die Ausbildungen sollten das produktive, kreative Element dringend stärken.

Instrumental- und Gesangsunterricht sind nicht nur Ausbildung am Instrument oder der Stimme. Sie sind auch Einführung in die Musikkultur, sind auch Persönlichkeitsbildung, sind auch soziales Lernen. Wir reden immer davon, dass wir hier wichtig sind, Bildungspolitikern sind die persönlichkeitsbildenden und sozialerzieherischen Aspekte des Musikunterrichts oft der entscheidende Wert unserer Arbeit. Lernen wir das eigentlich zu tun?

Wir sollten einerseits wahrnehmen, wie hoch der Prozentsatz der Nichtdeutschen mittlerweile in unseren Spitzenorchestern und auf unseren Opernbühnen ist. Unsere Ausbildungen der Hochbegabten können mit den Ausbildungen in einigen anderen Ländern der Erde immer weniger mithalten. Wer hier eine Chance haben will, muss früh anfangen, gezielt und geplant ausgebildet werden und sich meist auch sehr spezialisieren. Wir sollten uns etwas ausdenken, damit junge, hochbegabte Deutsche, die dies möchten und könnten, weiterhin mithalten können.

Andererseits, für die meisten, für das wichtige „Mittelmaß“ der zukünftigen Musiker/-innen und Pädagogen/-innen ist heute ein Qualifikationsmix sinnvoll. Kaum einer ist nur Musiker oder nur Lehrer. Immer mehr Kolleginnen und Kollegen sind gezwungen, mehreres zu tun, haben einige Engagements, unterrichten ein paar Schüler, geben einen Kurs in der Volkshochschule, donnerstags sind sie Übungsleiter bei einem Blasorchester, manchmal arbeiten sie wochenweise bei einem Festival mit und sind dann Kulturmanager. Außerdem sind sie ihr eigener Geschäftsmann, Manager oder Öffentlichkeitsarbeiter. Wir brauchen komplexe Studiengänge, die auf diesen Berufsmix vorbereiten.

Wir sorgen uns beim Blick auf die neuen Medien um den künftigen Stellenwert des eigenen Musizierens, um die soziale Komponente der Musik, den Urheber- und Leistungsschutz, das Verlagsgewerbe et cetera. Aber wir sollten die Entwicklung der neuen Medien optimistisch und mit Neugier betrachten. Hier entwickeln sich neue Berufe, im Internet entstehen neue Märkte. Jede Musikhochschule, jede Musikschule braucht eine Abteilung neue Medien.

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