Im März 2009 wurde an der Kunstuniversität Graz das MUMUTH – Haus für Musik und Musiktheater eröffnet, am Programm Mozarts „Zauberflöte“. Mit dem MUMUTH, einem spektakulären und vielfach ausgezeichneten Bau des niederländischen Architekten Ben van Berkel, gelang ein in Beton gegossenes Symbol für die Bedeutung der Oper an der KUG. Der Bau selbst spielt auf mannigfache Weise mit der Idee, die bewegte Sprache der Musik in Architektur zu übersetzen: Alles fließt und umschlingt in formal vielschichtigen Überlagerungen einen zentralen „Twist“. Seit seiner Eröffnung hat hier der große György-Ligeti-Saal bereits eine Vielzahl legendärer Produktionen erlebt. Von Mozart ins Barock und bis in die Gegenwart. Neues Musiktheater entsteht mit Uraufführungen im Rahmen des Johann-Joseph-Fux-Opernkompositionswettbewerbs des Landes Steiermark in Kooperation mit dem ORF-musikprotokoll im Festival steirischer herbst: zuletzt die Oper „Canvas“ der jungen slowenischen Komponistin Nina Šenk. In Kooperation mit der Oper Graz wiederum werden „Opern der Zukunft“ realisiert.
Musiktheater heute
Neue Oper als Chance für junge Sänger*innen
„Ich habe mich immer bemüht, zeitgenössische Oper mit einer gewissen Kraft und Sinnlichkeit umzusetzen, denn das braucht es meiner Meinung nach“, erzählt Dirigent Gerrit Prießnitz, neuer KUG-Professor für Musikdramatische Darstellung (musikalische Interpretation und Ensembleunterricht). „Das ist auch meine Erfahrung mit vielen lebenden Komponist*innen: Im Kern geht es darum, Überzeugungskraft durch die Aufführung zu entwickeln und die Ausdrucksextreme bei der Umsetzung herauszuarbeiten. Natürlich braucht es auch technische Präzision, aber nicht auf Kosten der Überzeugungskraft.
Die emotionale Ansprache des Publikums ist wichtig! Daher steht Zeitgenössische Oper zusätzlich auf unserer Agenda – unabhängig vom Fux-Wettbewerb, weil ich glaube, dass ein*e Sänger*in von heute das beherrschen muss. Und es ist auch oft eine Chance im Sinne einer Carte blanche, sich nicht gleich zu Beginn mit bereits bekannten, großen Stimmen und deren Interpretationen messen zu müssen.“
Musiktheater in die Mitte der Gesellschaft stellen
Als eine Kunstuniversität, die sich künstlerisch sehr zeitgenössisch präsentiert, solle sich die KUG auch mit ihrer Ausbildung im Heute positionieren, betont Regisseur Ingo Kerkhoff, seit 2022 KUG-Professor für Musikdramatische Darstellung (szenische Interpretation). Dasselbe gelte für das Musiktheater. Das müssen wir auf der Suche nach Relevanz jenseits von Museum und Elfenbeinturm in die Mitte der Gesellschaft stellen.Kerkhoff möchte eine Opernproduktion zur Entdeckungsreise machen, Spiel und Gesang verbinden, um eine Geschichte zu erzählen. „In der Oper klingt Musik nur, wenn der Gesang von der Rolle durchdrungen ist, wenn man eine Haltung zur Frage hat: Warum sind die Noten, wie sie sind?“
Zukunftsweisende Neuausrichtung
Gemeinsam mit Gerrit Prießnitz probiert er daher eine Neuausrichtung des Studiums: In einem mindestens vier-semestrigen Master wird angestrebt, dass die Studierenden mit vier verschiedenen Genres in Berührung kommen: Moderne oder klassische Moderne, Romantik, Wiener Klassik (idealerweise Mozart). „Und dann gibt es noch einen ,Joker‘, das kann mal ein Händel, das kann Monteverdi, das kann aber auch eine klassische Operette sein“, so Prießnitz. „Es schwebt uns vor, dass sich zu unserer Idee – also vier Genres beziehungsweise Epochen in vier Semestern – herumspricht: Wenn du das an der KUG gemacht hast, dann bist du fit, dann hast du eine ideale Ausgangsbasis für den Beruf des Sängers oder der Sängerin.“
Prozess Oper von A bis Z
Als Gesamtkunstwerk wird Oper an der KUG auch in ihrer Gesamtheit von Studierenden erarbeitet – im Orchester, auf der Bühne und im Bühnenbildatelier.
„Wir vermitteln hier an der KUG den Prozess wirklich von A bis Z, von dem Moment, wo eine Partie vergeben wird, bis zum Schlussapplaus in der letzten Vorstellung“, betont Prießnitz. Dabei geht es auch um das Sammeln konkreter künstlerischer Erfahrungen: „Wie viel Zeit brauche ich dafür, was fällt mir leicht, was fällt mir schwer, was kann ich in Eigenregie lernen und so weiter. Diesen Weg sollen die Studierenden in mehreren Partien durchlaufen – das ist für mich das Entscheidende.“
Diese Partien werden im Dezember aus der Wiener Klassik sein. Wie zu seiner Eröffnung wird im MUMUTH wieder Mozart erklingen: „Così fan tutte“, seine Schule der Liebenden.
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