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Musikunterricht der Zukunft

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Chancen und Herausforderungen eines unterschätzten Fachs
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Musik auf Lehramt? Für viele Abiturient*innen erscheint das uninteressant – schließlich kommen sie gerade aus der Schule. Dabei bietet der Beruf nicht nur sichere Perspektiven, sondern auch Raum zur künstlerischen und persönlichen Entfaltung. Zwei Studierende und eine Professorin für Musikpädagogik unterhalten sich über das Studium in Dortmund und die Chancen und Herausforderungen eines spannenden Berufs.

Wenn ihr an den Musikunterricht in eurer eigenen Schulzeit denkt: Was war da prägend?

Franziska Schäfer (22): Ich hatte tollen Musikunterricht. Spannend fand ich immer, mit Neuem konfrontiert zu werden – ob das Musik von John Cage oder Dimitri Schostakowitsch war – wenn mich Klänge in den Bann zogen, die ich noch nicht kannte.

Jonathan Büker (29): Ich habe gemischte Erinnerungen an meinen Musikunterricht. Die ersten Jahre wurde bei uns viel fachfremd unterrichtet. Die Lehrer waren nett und es gab gute Noten. Aber ich habe wenig mitgenommen. Der Leistungskurs in der Oberstufe hat mir dann eine neue Welt eröffnet. Da dachte ich: Wow. So geil kann Musikunterricht sein!

Wie hat dein Lehrer das geschafft?

Jonathan Büker: Einerseits war er selbst ein exzellenter Musiker. Er hat sich mit dem Inhalt identifiziert, war leidenschaftlich und authentisch, hatte aber auch entsprechendes Fachwissen. Und diese Mischung hat er genutzt, um gemeinsam mit uns Musik zu entdecken.

Was hat Euch dann dazu bewogen, Schulmusik zu studieren?

Jonathan Büker: Ich konnte mir den Lehrerberuf ganz gut vorstellen. Musik als Fach fand ich besonders spannend, weil es wie andere Künste auch mit dem „Menschsein“ zu tun hat. Und den Schatz, den ich selbst durch Musik erfahren habe, weiterzugeben, wenigstens an ein paar Leute dann in der Schule, das hat mich motiviert.

Franziska Schäfer: Ich wollte ehrlich gesagt erst gar keine Lehrerin werden. Ich komme aus einem Lehrerhaushalt und habe erlebt, wie einen dieser Beruf einnehmen kann. Dann habe ich aber gespürt, wieviel Spaß es machen kann, die Begeisterung für Musik weiterzugeben. Und dass ich selbst entscheiden kann und muss, wie ich die Prioritäten lege. Es gibt mehr Möglichkeiten, den Lehrerberuf individuell zu gestalten, als man denkt.

Trotzdem fremdeln viele mit dem Lehrerberuf. Es gibt immer mehr Stellen für immer weniger Lehrkräfte!
Prof. Ulrike Kranefeld: Viele sagen: ‚Ich will was mit Musik machen.‘  Dass eine Abiturientin, die gerade zwölf Jahre Schule hinter sich hat, nicht direkt dahin zurückkehren möchte und erstmal das Lehramt ablehnt, finde ich nachvollziehbar. Was es bedeutet, Musik auf Lehramt zu studieren, habe ich selbst erst verstanden, als ich 1989 an die Dortmunder Universität kam. Diese immense Breite, die mich da umgab! Es gab unzählige Möglichkeiten, individuelle Schwerpunkte zu setzen und sich zu profilieren.

Wie nehmt ihr diese Möglichkeiten in eurem Studium in Dortmund wahr – und wie nutzt ihr sie?

Franziska Schäfer: Einerseits bekommen wir eine erstklassige Ausbildung im instrumentalen Hauptfach. Ich werde also eine immer bessere Musikerin und erlerne zudem Fähigkeiten wie Chorleitung oder Liedbegleitung. Das schult nicht nur meine Fachkompetenz, sondern hilft auch dabei, später selbstbewusster vor der Klasse zu stehen.

Jonathan Büker: Was mir gerade am Studium in Dortmund gefällt, ist der soziale Aspekt: Hier wird mit anderen und nicht gegen andere Musik gemacht. Ich nehme an Musikhochschulen manchmal einen hohen Konkurrenzdruck zwischen Studierenden wahr. In Dortmund herrscht eher ein Gemeinschaftsgefühl. Dadurch entstehen oft tolle Projekte, aus der Freude an der Sache.

Prof. Ulrike Kranefeld: Das ist auch aus meiner Sicht ein total wichtiger Aspekt. Schon zu meiner Zeit sind auf Initiative der Studierenden Riesenprojekte entstanden. Es gibt wenige Universitäten mit einer solchen Ensemble-Vielfalt wie in Dortmund: gleich zwei Sinfonieorchester, ein sinfonisches Blasorches­ter, zwei Musical-Companies, Kammerchor, Big Bands bis hin zum Ensemble für Neue Kammermusik. Und diese kreative Power, die ist glaube ich spezifisch für uns.

Warum klappt das so gut, gerade in Dortmund?

Prof. Ulrike Kranefeld: Einerseits sind wir stark ins kulturelle Leben eingebunden, sowohl an der Uni als auch in der Stadt. Die Big Band spielt beim Sommerfest, der Chor singt im Konzerthaus, es gibt inklusive Projekte mit sozialen Trägern der Stadt. Das motiviert und macht unsere Arbeit sichtbar. Wir sind außerdem eines der größten musikpädagogischen Institute in Deutschland, mit der Ausbildung von Musiklehrer*innen für alle Schulformen: Es gibt also auch eine kritische Masse, um Ideen umzusetzen. Auch nicht zu unterschätzen: Wir haben eine sehr gute Infrastruktur, vom Instrumentenarchiv über Proberäume bis zum Tonstudio.

Das Studium beinhaltet neben der Instrumentalpraxis ja auch didaktische und wissenschaftliche Aspekte. Für die Fachkenntnis ist das essentiell. Aber hilft es auch, um als Lehrer*in vor der Klasse zu bestehen?

Franziska Schäfer: Natürlich hat das auch ein bisschen was mit Talent und Veranlagung zu tun. Aber das permanente Gespräch miteinander, das Nachdenken über Musik und ihre Vermittlung, hilft dabei, sich über eigene Ziele und Herausforderungen bewusst zu werden. Was empfinde ich bei Musik? Was erzählt mir das Notenbild? Zu lernen, solche ästhetischen Prozessen in Worte zu fassen, ist sehr wichtig.

Prof. Ulrike Kranefeld: Es gibt ja dieses Klischee: Ein guter Musiker ist auch ein guter Vermittler. Aber ich kenne auch das Gegenteil, fantastische Musiker, denen es schwerfällt, einen Zugang zur Lebensrealität von Schüler*innen zu finden. Deshalb machen wir in Dortmund auch viel videobasierte Forschung mit dem Ziel, eine reflexive Lehrerbildung zu entwickeln. Wir filmen also typische Unterrichtssituationen und analysieren dann: Was tun Schüler*innen zum Beispiel genau, wenn sie Musik zu einem Bild erfinden? Wie begleiten Musiklehrende solche Prozesse? Dahinter steckt die Überzeugung, dass es nicht ein Rezept für den ‚richtigen‘ Unterricht geben kann, sondern dass ich meinen Unterricht immer wieder neu an die Situation und Lerngruppe anpassen muss.

Was hört ihr von Dortmunder Absolvent*innen aus der Praxis – fühlen die sich gut vorbereitet?

Prof. Ulrike Kranefeld: Wir sprechen immer vom „Praxisschock“ im Referendariat. Wenn du erstmals mit der Unvorhersagbarkeit von Unterricht in der Realität konfrontiert wirst, denkst du schnell: Ich hab‘ ja überhaupt nichts gelernt in der Uni. Es braucht Zeit, um den Schlüssel für das zu finden, was man in der Theorie vorbereitet hat. Aber aus persönlicher Erfahrung und vielen Gesprächen mit Ehemaligen weiß ich: es kann klappen!

Franziska Schäfer: Ich glaube, es sind auch nicht nur die Fakten, die uns auf die manchmal ‚harte‘ Realität später vorbereiten. Wenn ich im Seminar „Rock-Tutorium“ innerhalb von drei Monaten ein Instrument lernen und dann im Konzert spielen soll, das ich vorher noch nie in der Hand hatte, bringt mir das neben jeder Menge Spaß und Stress auch die Selbsterfahrung, mit völlig fremden Inhalten konfrontiert zu werden. Wir durchleben sozusagen eine Schülerperspektive – freuen uns über unsere Erfolge, dürfen aber auch mal Scheitern.

Das Gespräch führte Thilo Braun.

www.musik.tu-dortmund.de

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