Musik und Klänge sind fixe Bestandteile von religiösen und politischen Ritualen, von Festen und Inszenierungen diverser sozialer Gruppierungen. Sie können das Besondere der Veranstaltungen betonen, das Gemeinschaftsgefühl stärken – sie haben daher eine wichtige Rolle zur Identifikationsstiftung – und sie können als Träger ideologischer Botschaften eingesetzt werden.
Im sogenannten Musikland Österreich hat dies historische und kulturelle Tradition. Die Analyse und Interpretation von Musik als gesellschaftspolitisch relevantem Medium, aber auch als Spiegel gesellschaftlicher Gesinnung, ist ein Forschungsschwerpunkt des Instituts für Musikwissenschaft und Interpretationsforschung der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Im Gedenkjahr 2018 wurde das Institut vom Bundeskanzleramt mit dem Projekt „Wie klingt Österreich“ betraut, das sich mit Beispielen für Identitätskonstruktionen bei politischen Anlässen, Feiern und Festen in Österreich auseinandersetzt. Dabei wird der Frage nachgegangen, wie politische Identitäten bei staatlichen Gedenktagen mobilisiert und verstärkt werden, wie sich Österreich durch ein bestimmtes Bezugssystem musikalisch präsentiert und verkauft. „Wie klingt Österreich“ erforscht Musik als Träger des Emotionsmanagements politischer Bewegungen im „Musikland Österreich“ und bildet so anhand von Zeitungsberichten, Programmankündigungen, Plakaten und sonstigen medialen Materialien die Komplexität von Identität und Realität im Spannungsfeld zwischen Politik und Musik ab.
Fokus und Kooperationen
Im Hinblick auf das heurige Gedenkjahr liegt ein besonderer Fokus zunächst auf 1928 und 1988 als bedeutende Daten für historische Entwicklungen der Ersten und der Zweiten Republik. Diese Jahre sind Schnittstellen von ritualisierten, aber unterschiedlichen Ausprägungen von Feierkultur, Gedenkkultur. Beides sind außerdem Zeiträume, in denen sich Österreich unter verschiedenen Prämissen – Etablierung der Ersten Republik, Beginn einer „Gedenkkultur“ im Zeichen der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus – intensiv mit seiner Musikidentität beschäftigt; andere „Sattelzeiten“, wie beispielsweise 1968 und 1995, werden in weiterer Folge einbezogen.
Die Ergebnisse des Projektes werden in einem Webauftritt zugänglich gemacht, der die zugrundeliegende wissenschaftliche Arbeit in einer grafisch gestalteten und pädagogisch ausgerichteten Benutzeroberfläche aufbereitet. Die Anwendbarkeit „forschungsgeleiteter Lehre“ geht dabei über den Bereich akademischer Ausbildung hinaus und realisiert damit die gesellschaftspolitische Relevanz der Vermittlung von Geschichtlichkeit. Eine erste sich aus diesem erzieherischen Anspruch ergebende Kooperation wird derzeit mit dem Bundesgymnasium, Realgymnasium und Oberstufenrealgymnasium in der Karajangasse im 20. Wiener Gemeindebezirk konzipiert. Dessen Gedenkstätte als zeitgeschichtlich relevanter Gedächtnis-Ort mit einem von SchülerInnen gestalteten akustischen Kommentar zum Thema setzt das Projekt in einen Dialog mit der Öffentlichkeit und wird zudem weitere Befunde beziehungsweise Anregungen für die musikalische Zeit- und Mediengeschichte erbringen.