Am 26. Oktober wird das Institut für neue Musik an der Dresdner Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“, die 2006 ihr 150-jähriges Jubiläum begehen kann, mit einem Festakt gegründet. Für die neue musikzeitung hat Meret Forster mit dem Institutsleiter, Musikwissenschaftler und Publizisten Jörn Peter Hiekel über Aufgaben und Ziele des Instituts gesprochen.
neue musikzeitung: In Darmstadt gibt es seit 1952 das Institut für Neue Musik und Musikerziehung und an einigen Musikhochschulen weitere Institutsgründungen. Was motivierte die Gründung eines Instituts für Neue Musik an der Dresdner Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“?
Jörn Peter Hiekel: Ein Hochschulinstitut und das Darmstädter Institut unterscheiden sich grundsätzlich, selbst wenn wir zum Teil miteinander kooperieren und teilweise ähnliche Ziele verfolgen. Wir haben natürlich keine vergleichbare überregionale Präsenz, sondern zunächst einmal eine sächsische und vor allem Dresdner Präsenz. Eine unserer zentralen Aufgaben besteht darin, den Stellenwert der Neuen Musik innerhalb der Hochschule zu stärken und im theoretischen wie praktischen Bereich einiges an Veranstaltungen und Aktivitäten auf den Weg zu bringen, was dann natürlich auch in der Stadt und sogar überregional ausstrahlen darf und soll.
: Wo liegt das Wirkungsfeld des Instituts? Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
: Innerhalb unserer Hochschule hat die Neue Musik einen vergleichsweise großen Stellenwert – und es geht darum, ihn auszubauen. Ein Institut wie dieses richtet sich auf die sinnfällige Zusammenführung aller Aktivitäten in diesem Bereich. Es geht um die Durchführung von Workshops, Symposien, kommentierten Veranstaltungen und – teilweise außergewöhnlich konzipierten – Konzerten. Eine neue Konzertreihe soll ins Leben gerufen werden, so genannte „Short concerts“, in denen ein neues Werk mit einem alten kombiniert wird und ein Moderator versucht, Brücken oder Widersprüche auszuloten. Das ist ein Weg, der neue Konzertmöglichkeiten erproben will und dabei die Neue Musik selbstverständlich mit einbezieht. Vielleicht können so auch Leute aus der Stadt angelockt werden, die nicht ohne weiteres in Hochschulkonzerte und schon gar nicht in Konzerte mit Neuer Musik gehen. Vom Gründungsgedanken her zielen wir auch auf Kooperationen, etwa mit dem Europäischen Zentrum der Künste Hellerau, der Semperoper oder dem Societaetstheater. Mit allen drei genannten Veranstaltern sind gemeinsame Projekte bereits vereinbart, mit der Semperoper gibt es Jahr für Jahr eine gemeinsame Produktion, mit Hellerau gemeinsame Konzerte und Symposien. Kooperation ist in einer Stadt wie Dresden ohnehin von besonderer Wichtigkeit. Und ich habe hier noch einige Partner unerwähnt gelassen, möchte zum Beispiel auch die Kooperation mit dem MDR erwähnen.
: Wird es im Jahresverlauf fixe Veranstaltungen geben?
: Die Hochschule veranstaltet mehr als ein Dutzend Konzerte mit zeitgenössischer Musik pro Jahr, mit einem breiten Spektrum, das neben gewöhnlichen symphonischen und kammermusikalischen Programmen auch Konzerte mit elektronischer Musik, Improvisationen und außereuropäischer Musik umfasst. Und im unlängst eröffneten Kleinen Haus führt unsere Opernklasse Jahr für Jahr unter besten professionellen Bedingungen auch zeitgenössische Musiktheaterwerke auf.
: Inwieweit soll das Institut ein Forum für interdisziplinären Austausch sein zwischen Produktion, Reproduktion und Reflexion von Gegenwartskunst?
: Ein Institut an einer Musikhochschule ist heute kaum mehr denkbar ohne einen interdisziplinären Ansatz. Der Praxis-Theorie-Bezug ist dabei von vornherein klar. Ein Dreiergremium steht dem Institut vor, dem neben mir Wilfried Krätzschmar als Komponist und Christian Münch als Dirigent angehören. So haben wir von vornherein bei den Planungen Absprachen an der Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis. Und ich selbst bin ja auch eingebunden in die Aktivitäten des Instituts für Musikwissenschaft der Hochschule.
Zu den interdisziplinären Projekten gehören Aktivitäten in Kooperation mit anderen Veranstaltern, etwa auch universitären Instituten. Dabei versteht es sich für eine Musikhochschule von selbst, dass solche Kooperationen nicht zuletzt durch unseren Beitrag einen starken praktischen Akzent erhalten sollen. Ohnehin sollten Konzerte im Zusammenspiel mit theoretischen Veranstaltungen prinzipiell mehr sein als bloß eine hübsche Begleitmusik – was übrigens auch umgekehrt gilt. Grundsätzlich hat das Institut – und das ist vielleicht die wichtigste Parallele zum erwähnten Darmstädter Institut – das Ziel einer Stärkung des Vermittlungsaspekts. Aus meiner Erfahrung heraus ist das Bedürfnis von Zuhörern, auch in Konzerten erhellende Moderationen zu erhalten, in den letzten Jahren wieder erheblich gestiegen. Und wir nehmen erfreut zur Kenntnis, dass zu kommentierten Konzerten – bei denen zum Teil auch ungewöhnliche Formen der Vermittlung erprobt werden können – insgesamt recht viel Publikum kommt.
: Wie weit ist das ästhetische und thematische Spektrum?
: Es gibt in einer Stadt wie Dresden und in einer Region wie Sachsen spannende Kräfte, die wir einbringen wollen. Und auch im Bereich der Reflexion sind uns regionale Akzente wichtig, wir planen etwa Forschungsprojekte zur DDR-Musik. Aber es geht auch immer um internationale Dimensionen, teilweise um Perspektiven, die bisher zu wenig vorgekommen sind. Einige der eingeladenen Komponisten – wie etwa Vladimir Tarnopolski und Chaya Czernowin – kamen ganz bewusst nicht aus unseren Breitengraden und waren vielen Dresdnern unbekannt. Das gilt erst recht für außereuropäische Musik, die in unseren Aktivitäten ja auch eine Rolle spielt. Regionalität und Internationalität – beide Seiten sollen Beachtung finden. Und stilistisch ist das Geplante ohnehin weit gefächert.
: Wie wird die Arbeit des Instituts finanziert?
: Für einzelne unserer Symposien haben wir Drittmittel bekommen, etwa von der DFG. Unser Hochschuletat ist nicht riesig groß. Deshalb sind solche Drittmittelanträge speziell für die wissenschaftlichen Projekte notwendig und nahe liegend. Gastvorträge oder Workshops wurden und werden natürlich auch vom Etat des Hochschulfachbereichs getragen, dies gilt auch zum Beispiel für das erwähnte Hölszky-Symposion.
: Was haben Sie für das Hochschuljubiläumsjahr geplant?
: Wir haben einige Aktivitäten in der Stadt vor, bei denen die Neue Musik auch außerhalb der Hochschule bestimmte Orte bespielt und erfrischende Impulse zu setzen versucht. Im Kleinen Haus ist fürs nächste Jahr die Uraufführung der „Schlüsseloper“ von Wilfried Krätzschmar geplant, in der kleinen szene der Semperoper ein Musiktheaterwerk des neuseeländischen Studenten Alwyn Westbrooke. Und es wird einige überregionale Gäste geben. Vorgesehen ist etwa eine ganze Projektwoche mit Helmut Lachenmann, in der er sich im Gespräch äußern wird und mit Studenten arbeitet.
Ich biete begleitend ein Seminar über ihn an, und es gibt ein Porträtkonzert. Die neue Reihe „Short concerts“ wird an einem jour fixe stattfinden, mittwochs einmal im Monat um 17 Uhr. Und wir planen auch ein gemeinsames Symposion mit dem Europäischen Zentrum der Künste. Eine Workshop-Reihe mit außereuropäischer Musik ist konzipiert, außerdem ein Korea-Projekt mit Musik von koreanischen Kompositionsstudenten sowie Werken von Isang Yun und Klaus Huber.
Mit Exkursionen ans Darmstädter Institut zur alljährlichen Frühjahrstagung oder zu den Donaueschinger Musiktagen bekommen Studenten die Möglichkeit, Neue Musik an einschlägigen Veranstaltungsorten zu erleben. Erfahrungsgemäß werden die Studenten besonders gepackt von der Selbstverständlichkeit und Nachdrücklichkeit, mit der dort Gegenwartsmusik präsentiert und diskutiert wird. Überhaupt können ja Exkursionen und Austauschprojekte die Hochschularbeit wunderbar beflügeln. Und das gilt für die Neue Musik, die für das Ablegen von Scheuklappen steht wie kaum ein anderer Bereich, vielleicht ganz besonders.
Zu hören auf MDR Figaro:
Sendung Neue Musik, 27.10.05, 20 bis 22 Uhr. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Triangel