„Wer bitte ist Harald Kaufmann?“, mögen sich manche gefragt haben, als sie vom im Oktober an der KUG verliehenen „Harald-Kaufmann-Preis“ hörten. Der neue, von Universität und Kunstuniversität Graz initiierte Preis für herausragende Publikationen in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften sowie auch für künstlerische Publikationen ist nach einer schillernden Persönlichkeit benannt, deren Karriere viel zu früh zu Ende war.
Der 1970 mit nur 42 Jahren verstorbene Harald Kaufmann war Absolvent der Karl-Franzens-Universität Graz, Kulturkritiker der Neuen Zeit, Musikforscher, Publizist und Lehrender an der Kunstuniversität Graz. Für seine Schriftenreihe Studien zur Wertungsforschung schrieb u. a. Theodor W. Adorno, Kaufmann war Freund György Ligetis und pflegte Kontakte zu Alfred Brendel, Friedrich Cerha, Ernst Krenek und Helene Berg, der Witwe Alban Bergs. Nach dem 2. Weltkrieg galt er als einer der wenigen Verfechter der Neuen Musik in Österreich. Er prägte nicht nur die Grazer Kunstuniversität, wo er vor über 50 Jahren das heutige Institut für Musikästhetik begründete und damit den Grundstein für die inzwischen so renommierte Forschung am Haus legte. Auch „musikprotokoll“ und „steirischer herbst“ trugen und tragen seine Handschrift.
Damit ist der Preis einer Persönlichkeit gewidmet, die idealtypisch die hohe gesellschaftliche Relevanz der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften sowie der Kunst repräsentiert, die durch diese Auszeichnung unterstrichen werden soll. Thematisch spiegelt sich dieser Anspruch auch in der Wahl der Preisträgerinnen und Preisträger wider. Da sind die Uni-Graz-Absolventin Barbara Bach-König mit ihrer Habilitationsschrift „Europe’s New Scientific Elite“, die Jazzkomponistin und KUG-Absolventin Claudia Döffinger, eine der erfolgreichsten Protagonistinnen dieser Zunft, da ist die Musikologin Veronika Muchitsch mit ihrem im PopScriptum erschienen Artikel „Neoliberal Sounds?“. Und da sind Susanne Scholz und Michael Hell, beide ProfessoreInnen an der Kunstuniversität Graz, mit ihrer bereits mehrfach prämierten CD „L‘immagine di Corelli“, die bei querstand erschien. Dieser Tonträger – Ergebnis des gleichnamigen künstlerisch-wissenschaftlichen Forschungsprojekts – weist auf ein weiteres Anliegen des Preises: Er zeigt in – sprichwörtlich – wunderschöner Weise, wie Forschung, Kunst und Lehre an der Kunstuniversität Graz ineinandergreifen und sich wechselseitig befruchten.
Scholz und Hell haben sich nicht nur eine Version der berühmten Sonaten op. 5 von Arcangelo Corelli (1653–1713) ganz genau angesehen, sie eröffnen mit ihrem Projekt tiefe Einblicke in die Vielfalt der historischen Interpretation. Der Tonträger ist gleichsam als Versuch zu verstehen, Auszüge einer Versionsgeschichte der am meisten verbreiteten Violinsonaten des 18. Jahrhunderts zu reproduzieren. Die unterschiedlichen Interpretationen der Sonaten mit verschiedenen Verzierungen (und auch größeren Eingriffen), die teils von Corelli selbst stammen, aber auch von Geminiani, Roman oder einem anonymen Meister, spiegeln die stilistischen Veränderungen während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wie auch die verschiedenen länderspezifischen Gegebenheiten wider.
Zum Leben erweckt werden diese unter Verwendung unterschiedlicher historischer Instrumente: mehrerer Bögen und Cembali. „Diese Unterschiede“, so der Verlag, „lassen ein Kaleidoskop musikalischer Ausdrucksweisen und Klangwelten entstehen.“ Alte Musik im Namen Harald Kaufmanns, eines Verfechters der Neuen? Das Projekt „L‘immagine di Corelli“ blickt in die Vergangenheit und betritt dabei doch Neuland. Und es tut dies voll Innovationsgeist und Mut zum Experiment.