Banner Full-Size

Schiefes Bild des schulischen Musikunterrichts

Untertitel
Leserbrief zum Gespräch mit dem BRLV-Vorsitzenden Anton Huber (nmz 7-8/2014, S. 37)
Publikationsdatum
Body

(…) Gemeinsam ist den verschiedenen Perspektiven, dass das von Ihnen gezeichnete Bild schulischen Musikunterrichts an der Bayerischen Realschule stark verkürzt und somit völlig schief erscheint: So erfahren weder die zeitgemäßen Anliegen des Schulfachs in seiner heutigen inhaltlichen und methodischen Vielgestaltigkeit, der gültige Lehrplan, der Berufsstand der Musiklehrer noch fachwissenschaftliche, fachdidaktische oder künstlerisch-ästhetische Dimensionen des Musikstudiums angemessene Vertretung.

1) Entgegen Ihrer Auffassung besteht schulischer Musikunterricht – dem Lehrplan folgend – aus mehreren gleichberechtigten Umgangsweisen mit Musik. Hierzu zählt der praktische Umgang mit Musik ebenso wie die reflexive Auseinandersetzung mit Musik und deren kontextuellen Bezügen, „Musik hören“ oder „Musik umsetzen“ (…). Zur professionellen Vermittlung dieser Lernbereiche bedarf es einer hohen, in besonderem Maß an Aktualität ausgerichteten Expertise in den unterschiedlichen Domänen und eines äußerst breiten Kompetenzspektrums. Insbesondere die Fokussierung und Reduktion des schulischen Musikunterrichts auf einen primären Instrumentalunterricht entspricht nicht den Forderungen des Lehrplans, der Kerncurricula, der Bildungsstandards im Fach Musik und den daran orientierten Professionalisierungsprozessen der Lehrenden.

2) Durch die im Interview mehrfach betonte Ausgleichs-, Entspannungs- und Erholungsfunktion von Musik werden einseitige Akzentuierungen und Vorurteile in Bezug auf das Schulfach genährt, die dessen Status bei Schülern, Kollegen und Eltern gefährden; Kernanliegen des Faches treten völlig in den Hintergrund. Dies betrifft in gleichem Maße auch die von Ihnen angesprochene Profilbildung einer Schule durch musikalische Aktivitäten oder der überbetonte „Anwendungsbezug“ (…).

3) Da der Lehrplan nicht nur praktisches Musizieren fordert, sondern auch die theoretische, wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit Musik in hohem Maße verlangt, erscheint in allen Fachdiskussionen die Beibehaltung des Fächerstatus als nicht-wissenschaftliches Fach nicht angemessen, zumal auf methodischer Ebene auch in einem wissenschaftlichen Fach die lebendige, praktische und „anwendungsbezogene“ Vermittlung im Vordergrund stehen kann. (…) Hinlänglich bekannt ist vielmehr, dass Musiklehrer/-innen, von denen ein hohes Maß an Engagement nicht nur im Unterricht, sondern ganzjährig für die gesamte Schulgemeinschaft und die Außendarstellung der Schule erwartet wird, unter anderem zeitlich und kräftemäßig außerordentlich belastet sind. Viele zwingend notwendige Tätigkeiten werden in der Regel nicht durch das Lehrdeputat abgebildet. (…) Durch die im Interview auftretenden Allgemeinplätze wie „die kreativen Fächer“, „der Bereich des Kreativen“ oder „der kreativ-musische Bereich“ verwischen die spezifischen Anliegen und einzigartigen Potenziale des Faches, auch wenn Kreativität unzweifelhaft eine wichtige Komponente des Musikunterrichts darstellt.

Abzulehnen ist abschließend die Forderung, den Musikunterricht in erster Linie als anwendungsorientierten Ort für Instrumentalausbildung und Klassenmusizieren auszurichten. (…) Sinnvoll erscheint hingegen die Ergänzung des Regelunterrichts um vielfältige, praxisorienterte, musikalische Lernmöglichkeiten, die mit den Inhalten und Methoden eines umfassenden allgemeinbildenden Musikunterrichts vernetzt sind.

Prof. Dr. Daniel Mark Eberhard
Im Auftrag des Arbeitskreises der Musikdidaktiker an den bayerischen Musikhochschulen und Universitäten (AMD)
 

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!