Vom 20. bis 22. September 2019 findet unter der Schirmherrschaft der Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Dr. Eva-Maria Stange und des Staatsministers für Kultus, Christian Piwarz, erstmals das Symposium „Sächsische Schulchöre: Analyse – Entwicklung - Vision“ an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber statt. Das Symposium entsteht in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Musikalische Nachwuchsförderung und in Kooperation mit dem Landesamt für Schule und Bildung im Rahmen des Fachtags des Sächsischen Musikrates in Kooperation mit der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. Initiator ist der Dirigent und Hochschullehrer Olaf Katzer. Das Hochschulmagazin der neuen musikzeitung hat Olaf Katzer zum Symposium für Schulchöre in Sachsen befragt.
Warum ist dieser Austausch der Schulen, Hochschulen, Verbände, Studierenden und Politik zum Thema Schulchöre wichtig?
Es gab und gibt vielerlei Anstrengungen und Bemühungen den Chorgesang an Schulen zu stärken – jedoch blieb dieses „Einzelkämpfertum“ bislang ohne nachhaltige Wirkung auf die Gesamtsituation. Um eine klare und objektive Evidenzbasis für die Politik zu schaffen, müssen sich all diese Gruppen auf Augenhöhe begegnen und ihre Anliegen und Lösungsvorschläge vorbringen. Ich denke mit einer gemeinsamen einheitlichen Haltung, lässt sich etwas bewirken. Gute Chorarbeit braucht Kontinuität und Zeit, Geduld, Begeisterung, Kreativität, aber auch Wertschätzung und Unterstützung von außen.
Welches ist das Ziel des Symposiums?
Zum Symposium kommen alle am Thema Beteilig-ten – Studierende, Lehrer, Hochschuldozenten, freie Chorleiter, Kirchenmusiker oder Politiker - zusammen, um ihr Wissen zur Thematik Schulchor an allgemeinbildenden Schulen weiterzugeben. Im Vergleich zu den angelsächsischen Ländern hat Deutschland bei diesem Thema Nachholbedarf. Außerdem wollen wir die Arbeiten von hochengagierten Schulchorleitern etwa aus Annaberg-Buchholz, Markkleeberg und Dresden würdigen, indem wir diese mit Best-Practice-Beispielen vorstellen. Somit gibt es wertvolle praktische Impulse für die tägliche Arbeit von Musiklehrern. Das Netzwerk Musikalische Nachwuchsförderung wird ebenso seine Arbeit vorstellen.
Ein wichtiges Ziel ist es außerdem, Missstände rund um die Einrichtung Schulchor umfassend zu analysieren und Lösungsvorschläge dafür zu erarbeiten. Dabei hoffen wir, überzeugende Anregungen zu den Entscheidungsträgern der Politik und Schulrektoren aussenden zu können, um damit die Quantität und Qualität von Schulchören in Sachsen nachhaltig (wieder) größer werden zu lassen.
Was sind die aktuellen Herausforderungen für Schulchöre?
Es gibt zu wenige Schulchöre, besonders an Grund- und Oberschulen, aber auch an Gymnasien - und es werden ständig weniger. Gründe für das Schulchorsterben liegen häufig im fehlenden Fachpersonal und an äußeren Rahmenbedingungen. Mit Sicherheit liegt es nicht am Engagement und Können der Musiklehrer oder an einem fehlenden Interesse der Schüler. Die Lehrer sind oft frustriert, weil sich keine Probenräume oder Probenzeiten finden lassen und die allgemeine Wertschätzung gegenüber der künstlerischen Arbeit fehlt. Die Unterstützung des ganzen Kollegiums sowie der Schulleitung ist enorm wichtig, um Probewochenenden und gesonderte Proben während der Unterrichtszeit zu realisieren.
Dabei sollte die eigentliche Herausforderung für Schulchöre in der Sache selbst liegen - der Chor-Kunst, und das heißt, mit kontinuierlicher Arbeit Chorkonzerte mit einer oft heterogenen Gruppe an Menschen zu entwickeln.
Welchen Stellenwert sollte die Musik an allgemeinbildenden Schulen haben?
Musikunterricht wird vielfach als „Larifari-Fach“ empfunden, in dem „nur“ ein bisschen gesungen wird. Dabei sollte Musik als ein wichtiges Fach für die Allgemeinbildung des Menschen, seine Ausdrucksmöglichkeiten, sein Kunstverständnis und seine Selbstkompetenz wahrgenommen werden und dabei ein grundsätzlich berechtigtes Gegengewicht zu den naturwissenschaftlichen Fächern darstellen. Da ist trotz vieler guter Initiativen und Veränderungen noch viel aufzuholen.
Was sind Ihrer Meinung nach die Aufgaben eines Schulchorleiters?
Die Aufgabe eines Schulchorleiters ist eine hochkomplexe, anspruchsvolle Tätigkeit. Ein Schulchorleiter sollte Kinder und Jugendliche mit Musik begeistern können und diese bei der Entdeckung begleiten. Im Idealfall ist er als Kunstermittler und -vermittler eine Identifikationsfigur der heranwachsenden Generation. Weiterhin gehören zu den essentiellen Anforderungen an einen Schulchorleiter ein empathisches Gespür für die musikalischen Wünsche von Kindern und Jugendlichen sowie ihren künstlerischen Ausdrucksdrang, Elan und Musizierfreude bei der Erarbeitung von Chorwerken, ein notwendiges Organisations- und Verhandlungsgeschick bei der Planung der Choraktivitäten, Aufbau und Durchführung von Aufführungen, ein gewisses Maß an Frustrationstoleranz.
Was ist für Sie das Besondere an der Schulchorarbeit im Vergleich zu Ihrer Arbeit mit dem Hochschulchor oder dem Dresdner Kammerchor?
Das sind ganz verschiedene Einrichtungen, aber alle sehr relevant und wichtig. Schulchöre wirken besonders nachhaltig in die Gesamtgesellschaft hinein, da prinzipiell jeder Heranwachsende damit in größere oder kleinere Berührung kommt – unabhängig von der Spezialisierung, die jeder Mensch dann irgendwann einschlägt. Musizier- und Entdeckerfreude ist bei Kindern und Jugendlichen stärker ausgeprägt als bei Erwachsenen, daher lassen sich auch mit einfachen musikalischen Grundlagen sehr gute künstlerische Ereignisse erarbeiten.
War Chorleiter schon immer Ihr Berufswunsch?
Ich wollte immer mit Musik zu tun haben, hatte aber auch daran gedacht, Psychoanalytiker zu werden, um bei der Friedensbildung behilflich zu sein. Und ich hätte mir auch vorstellen können, als Architekt außergewöhnliche moderne Häuser zu bauen. Das architektonische Element habe ich mir erhalten, indem ich heute künstlerische Programme „baue“, das Interesse an der Psyche des Menschen findet einen guten Niederschlag in meiner künstlerischen Arbeit. Der Vorteil bei der Musik ist, dass es sich um eine Universalkunst handelt, mit vielen Brücken zur Wissenschaft.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Schulchöre?
Jedes Kind, jeder Jugendliche soll die Möglichkeit haben, im Musikunterricht die eigene Stimme zu entdecken und auszubilden sowie in einem qualitätsvollen Schulchor sängerische und künstlerische Erfahrungen zu sammeln. Unsere Gesellschaft spaltet sich offenbar immer mehr und es fehlt an einem Miteinander. Dazu kann eine gelingende Chorkunst einen wichtigen sozialen Beitrag leisten. Außerdem ist ein Schulchor eine wunderbare Möglichkeit, große Kunstmusik erfahrbar zu machen und um Menschen für ihr ganzes Leben, Türen in die Welt der Musik zu öffnen. Mit einer Verbesserung von Rahmenbedingungen an den Schulen und Hochschulen und der damit einhergehenden Qualitätssteigerung der Chöre könnte Sachsen ein beispielhaftes Modell für ganz Deutschland werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person
Geboren 1980 im Rheinland, studierte Olaf Katzer Musik und Psychologie in München, Weimar und Dresden. Bereits während des Studiums gründete er 2007 das Ensemble AUDITIVVOKAL DRESDEN, welches er seitdem künstlerisch leitet und über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht hat. Das Vermitteln von Musik ist ihm eine Herzensangelegenheit. Seit 2011 ist er als Dozent und seit 2016 als Vertretungsprofessor für Chordirigieren an der Hochschule für Musik Dresden tätig und hat dabei auch die Leitung des Hochschulchores inne.