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Stürmische Festivalzeiten

Untertitel
Programm des Europäischen Musikfests 2007 der Internationalen Bachakademie Stuttgart
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Die Internationale Bachakademie Stuttgart befindet sich derzeit offenbar in einer umfassenden Metamorphose. Vor wenigen Wochen erst gab das Haus bekannt, dass Helmuth Rilling zum Ende der Saison 2009/10 seine Arbeit in jüngere Hände legen wird und dass Intendant Andreas Keller bereits zum 1. April 2008 den Ruhestand, wenn auch einen bedingten, ansteuert. Wie stürmisch es bis dahin hinter den Kulissen zugegangen sein mag, darüber kann man spekulieren, es tut nichts zur Sache.

Jetzt jedenfalls verlässt man schon mal beim Europäischen Musikfest die gewohnten Bahnen. Hieß es bisher „Bach und …“, widmet man sich nun dem in vieler Hinsicht bewegten 20. Jahrhundert. Das Motto für die zwei Festivalwochen vom 26. August bis 9. September lautet „Stürmisch bewegt!“. So ist der zweite Satz der fünften Sinfonie Mahlers überschrieben, die vom Festivalensemble zusammen mit Christoph Poppen erarbeitet wird. Ebenfalls auf dem Plan des Festivalensembles: Benjamin Brittens „War Requiem“. Hier übernimmt Helmuth Rilling die Funktion des Mentors und Dirigenten. Gerade das „War Requiem“ schätzt er als ein Werk ein, das wegen seines spezifisch zeitgeschichtlichen Bezugs „immer noch eine Herausforderung für Musiker und Publikum ist“. Überdies, meint Rilling, sei Britten „in Deutschland immer noch ein weit unterschätzter Komponist“. Zwar, so Helmuth Rilling und sein Programmchef Andreas Bomba, hätten Mahler wie Britten einen gewissen Popularitätsgrad beim Publikum, aber die Kenntnis über die inneren Zusammenhänge von Brittens und Mahlers Musik sowie deren Bezüge zum Zeitgeschehen sei immer noch zu gering. Man fühlt sich an die Worte Helmut Lachenmanns erinnert, der 1977 über die „Ware Intensität“ wetterte und Mahler in derselben Gefahr sah, wie einst Schubert als „unsterbliches Genie verklärt in die Kloaken der gehobenen Unterhaltungsindustrie entlassen zu werden“. Exakt dieser Gefahr will die Bachakademie entgegensteuern, unter anderem mit dem „Musikalischen Cafe“. Dort geben sich Wissenschaftler, Musiker und Literaten die Klinke in die Hand. Das musikalische Spektrum soll hier in den Vorträgen und Diskussionen gespiegelt aber auch kontrapunktiert werden, ein Spektrum, das übrigens diesmal vom stürmisch bewegten 15. Jahrhundert bis eben zu Mahler und Britten reicht. Musiziert wird von international namhaften Künstlern, allen voran vom Israel Philharmonic Orchestra, das mit Zubin Mehta am Pult Mahlers erste, zweite und siebte Sinfonie aufführen wird. Die Bachakademie feiert damit auch ihre inzwischen dreißigjährige Zusammenarbeit mit diesem Orchester, bei dem Helmuth Rilling mehr als 100 Mal am Pult stand. Nicht zuletzt deshalb wird der Eröffnungsvortrag von Avi Primor gehalten, dem Botschafter a.D. des Staates Israel. Außerdem auf dem Plan: eine dreiteilige Kammermusikreihe mit dem Mandelring Quartett. „Stürmisch bewegt“ geht es auch hier zu, Britten wird in Bezug gesetzt zu Chausson, Schubert, Haydn und anderen. Das Festival im Festival legt die Bachakademie mit sechs a-cappella-Konzerten an zwei Tagen auf. Trotzdem bleiben die Preise bei der Bachakademie moderat. Ein guter Teil des 2,5-Millionen-Etats wird darauf verwendet, „Schranken abzubauen“, so Keller. Das ist ein Wort in Zeiten stürmisch bewegter Kultur-Preispolitik!

Weitere Informationen unter: bachakademie.de

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