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Suche nach dem eigenen Klang

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Fünf Abschlussprojekte zeigen Bandbreite des Studiengangs Musikdesign
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Der Studiengang Musikdesign an der Hochschule für Musik Trossingen steht für die intensive Auseinandersetzung mit Musik und Klang sowie deren Potenziale an medialen und interdisziplinären Schnittstellen. Dabei spielen in der Lehre neben traditionellen Disziplinen wie Tonsatz und Instrumentation auch technische Fächer wie Sounddesign und Audiotechnik eine zentrale Rolle. So lernen die Studierenden aus unterschiedlichsten Perspektiven die Wirkung von Musik oder gestalteten Klängen zu bestimmen. In vielfältigen Projekten werden die Inhalte des Studiums in offenen künstlerischen Fragestellungen oder anwendungsbezogenen Formaten aufgegriffen, hinterfragt und weitergedacht.

Oberstes Ziel ist die Entwicklung eines eigenständigen künstlerischen Ausdrucks. Emotionen sollen gezielt transportiert werden. Zudem werden die Studierenden befähigt, neue digitale Formate zu analysieren und als Räume für Klang und Musik zu erforschen. Klang und Musik werden im Musikdesign-Studium stets in Bezug auf eine Gesamtinszenierung bzw. einen Kontext hin gedacht, wodurch in Projekten und Lehrveranstaltungen keine ästhetischen oder stilistischen Begrenzungen gesetzt sind. Gefragt ist vielmehr eine vorbehaltslose Gestaltung und Erforschung alles Hörbaren, sowohl durch künstlerische Arbeit als auch durch wissenschaftliche Auseinandersetzung.

Besonders intensiv erfolgt diese zweigleisige Betrachtung von klang- und musikbezogenen Themen im Rahmen der Bachelorarbeit, der das achte und letzte Semester des Studiums komplett gewidmet ist. Anhand der Bachelor-Projekte lässt sich exemplarisch aufzeigen, welche thematische Bandbreite die Ausrichtung des Studiengangs Musikdesign abbildet und welche persönlichen Gestaltungsmöglichkeiten den Studierenden freistehen. Wir stellen exemplarisch Bachelorprojekte des Abschlussjahrgangs 2020 vor:

Wie hat das Radio Zukunft?

„Das Radio der Zukunft“ lautet das Thema von Lennard Meyermann. Aber: Hat das Radio eine Zukunft? Und wenn ja, wie wird es künftig klingen? In seiner wissenschaftlichen Arbeit grenzt er die Antwort auf zwei Szenarien ein: 1. das Radio hat nur dann eine Zukunft, wenn es sich durch eine Art Retro-Bewegung auf seine analogen Anfänge zurückbesinnt, 2. das Radio folgt dem Mega-Trend der Individualisierung und wird bald eine Art auditiver Begleiter. Diese beiden Szenarien arbeitete der Musikdesigner künstlerisch aus und präsentierte die Ergebnisse in seiner Präsentationsprüfung live als Broadcast. Es geht also nicht nur um Musik in einem Kontext, sondern auch um dessen Veränderung und die daraus resultierenden Folgen.

Fließender Übergang von Geräusch zu Musik

Lukas Hertzsch forschte im Spannungsfeld Musik und Geräusch. Er interessierte sich insbesondere dafür, wo die Grenzen zwischen den beiden verschwimmen,  hinterfragte unsere feste Kategorisierung von Klängen in Geräusch, Musik und Sprache und zeigte deren Durchlässigkeit auf. Durch intensive Recherche und Analyse näherte er sich einer Systematik, um Instrumentalklang und Geräuschklang unter gemeinsamen Gesichtspunkten betrachten zu können. Eine Erkenntnis: Klänge, die einem bestimmten Objekt zugeordnet sind, sind unlösbar mit ihm verbunden. Ein Motorrad klingt immer nach einem Motorrad und erinnert uns daran, selbst wenn wir es nicht sehen oder riechen. Ähnlich verhält es sich mit dem Klang von Musikinstrumenten. Im künstlerischen Teil experimentierte er, wie durch Verwendung von Geräuschen und Musikinstrumenten gezielt zwischen Geräusch und Musik hin- und her manövriert werden kann. Hierzu erstellte er kompositorische Studien als Grundlage für eine eigene Komposition für Kammerorchester und Zuspielung.

Fahrverhalten beeinflusst den Klang

Wie klingt das Elektroauto der Zukunft von innen? Damit beschäftigte sich Floris Demandt in seiner Bachelorarbeit, die er bei der Mercedes-Benz AG verfasste. Für die sogenannten AVAS (Acoustic Vehicle Alerting System) -Klänge, die Elektrofahrzeuge nach außen abgeben müssen, gibt es strenge gesetzliche Vorgaben. Im Fahrzeuginnenraum hingegen gibt es diese Vorgaben nicht und somit ergeben sich durch die leiseren Elektromotoren uneingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten beim Design des Fahrsounds. Floris Demandt verfolgte hierbei einen Ansatz, bei dem der Fahrsound keinen Verbrennungsmotor nachahmt, sondern eine musikalische Komposition zugrunde liegt. Es entsteht eine Art Filmmusik, welche durch das Fahrverhalten beeinflusst wird und sich so interaktiv mit dem Fahrgefühl verändert. Seine Arbeit zeigt, dass das Elektroauto die Möglichkeit bietet, den gewohnten Klang komplett zu verändern und das Fahrerlebnis in den Vordergrund zu rücken.

Rückschlüsse auf die Entstehung von Filmmusik

Auf den Spuren des musikalischen Impressionismus untersuchte Bjarne Taurnier Werke von John Williams. Claude Debussy und Maurice Ravel hatten offenbar besonderen Einfluss auf seine Filmmusiken Star Wars, Jaws und Hook. In seiner wissenschaftlichen Bachelorarbeit recherchierte Taurnier die charakteristischen Merkmale des Impressionismus und analysierte daraufhin mehrere Soundtracks von Williams. Seine Erkenntnisse wandte er bei der Komposition eines orchestralen Kurzfilm-Soundtracks an. Er untersuchte daraufhin die direkte und unwillkürliche Beeinflussung seiner eigenen Komposition durch die häufig gehörten Soundtracks von Williams sowie die analytische Auseinandersetzung mit den großen Komponisten der vergangenen Jahrhunderte. In seiner Abschlussarbeit führte er diese Wege zusammen, indem er die musikalischen Wurzeln eines Komponisten analysierte und somit Rückschlüsse auf die Entstehung seiner Filmmusik ziehen konnte.

Das Orchester emanzipiert sich

Auch Denis Weitmann beschäftigte sich mit Orchestermusik. Sein Fokus lag jedoch darauf, das Orchester von seiner Tradition zu lösen und seine Möglichkeiten als Klangkörper im Kontext moderner Popmusik zu untersuchen. Sein Ziel war es, konkrete Richtlinien für die Komposition in diesem Feld herauszufinden. Er verglich die Klangideale von Pop- und Orchestermusik, recherchierte und kategorisierte die Orchesterprojekte verschiedener Popmusiker und Rockbands. Dabei fand er heraus, dass das Orchester meist als Botschafter vergangener Epochen verstanden und so auch musikalisch eingesetzt wird. Selten wird es als zentraler Teil des Arrangements behandelt. Im Gegensatz dazu komponierte Denis Weitmann als künstlerische Komponente seines Bachelorprojekts eigene Popsongs, die das Orchester zentral und stilimmanent einsetzen. Im Prozess beeinflussten sich wissenschaftliche und künstlerische Arbeit gegenseitig. Mit seiner Arbeit zeigte Denis Weitmann einen Weg zur Emanzipation des Orchesters: Er beleuchtete dessen klangliche Potenziale im Kontext Popmusik und setzte das Orchester als zeitgenössischen Klangkörper unabhängig von tradierten Konventionen ein.

Der achtsemestrige Studiengang Musikdesign wird in Kooperation mit der Hochschule Furtwangen (Fakultät Digitale Medien) angeboten. Studienbeginn jeweils zum Wintersemester. Nähere Informationen: musikdesign.net

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