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Das Orchester der Kreismusikschule Diepholz begeisterte gestern das Publikum im polnischen Ostrzeszów und besiegelte die neue Partnerschaft.
Der Aufenthalt und die Erlebnisse in Stuhrs Partnerstadt Ostreszów werden das junge Orchester noch lange beschäftigen, eine neue Partnerschaft die gegenseitige Sympathie festigen. Gestern, 10.45 Uhr: Vor dem Kulturkino „Piast“ in der Ulica Gorgolewskiego herrscht gespannte Erwartungshaltung. In wenigen Minuten wird ein Dutzend junger Musiker aus Deutschland vor rund 300 Jugendlichen Elemente aus Mozarts „Zauberflote“ präsentieren. Die Abendvorstellung für Erwachsene soll bereits ausverkauft sein. Nur wenige Monate hat es vom ersten Kontakt in Stuhr bis zu diesem Augenblick gedauert. Ein Ensemble der Kreismusikschule untermalte seinerzeit die Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages im Stuhrer Rathaus – Kulturpfleger Edgar Wöltje gab die Initialzündung für den Besuch.
Stephan Rupert Steinkühler, Leiter der Musikschule aus dem Landkreis Diepholz, stimmt noch einmal die Violine, die jungen Musiker nehmen es gelassen. Husch, husch, auf die Bühne – es geht los. Kurze Begrüßung, die „Zauberflöte“ wird zur Botschaft. Adagio, „Seid uns zum zweiten Mal willkommen“ – nein, sie sind keine Vogelfänger, wie es der Komponist einst in Noten schrieb. Sie sind musikalische Botschafter eines ganzen Landkreises, weil sie die erst vor Monaten besiegelte Freundschaft zwischen Stuhr und Ostreszów mit Leben füllen. Was sie von Politikern unterscheidet, die Türen aufstoßen, ist die sachte Art, mit dem Notenschlüssel Zugang zu finden.
Seit Mittwochabend weiß das Dutzend musizierender Jugendlicher, wo das Schildberger Land liegt. Jener Landstrich, der einst Preußen vom Zaren trennte, als Großpolen Geschichte schrieb und in dem sich heute die Menschen längst auf das veeinte Europa vorbereitet haben. „Ich finde das toll hier“, weiß einer der jungen Musiker namens der Gäste zu berichten, und er meint damit nicht die 28 Grad im Schatten, die das „Piast“ zum kühlen Aufenthaltsort werden lassen. Er spricht von der tollen Unterbringung in einem Internat an der Ulica Sikorskiego, gleich gegenüber einer Milchfabrik, von der guten Kost und vor allem von der Herzlichkeit Gleichaltriger, die eigens Urlaub vom Gymnasium Nummer zwei für die Betreuung der Gäste erhielten und obendrein Deutsch sprechen.
Auch für Stephan Rupert Steinkühler, dessen Gattin Sabine ebenso begeistert vom Gastland ist, stellt der Aufenthalt ein Ausnahmeerlebnis dar: „Vielleicht werde ich hier meinen Urlaub verbringen.“ Am Tag zuvor hatte der Musikschulleiter die Syker Einrichtung per Laptop vor Eltern und Offiziellen aus Ostreszów dargestellt, eine neue Partnerschaft mit Schuldirektor Miroslaw Zojok besprochen und umgekehrt die Struktur des polnischen Gegenstückes der Kreismusikschule erfahren. Und dass sich Bürgermeister Zbysko Szmaj trotz wichtiger Termine in Warschau Zeit nahm, an dieser Vorstellung teilzunehmen, zeigt den Stellenwert der Gäste. Heute werden die jungen Musiker aus dem Landkreis Diepholz auf historischem Boden mit dem Leben und Wirken Frédéric Chopins vertraut gemacht – im Jagdschloss von Fürst Radziwill im zehn Kilometer entfernten Antonin. Danach geht es weiter in die Odermetropole Wrazlaw (Breslau). Am morgigen Sonntag geht die Reise zurück nach Deutschland – durch die längst geöffnete Tür Europas.
Robert Schuhmann
Weser Kurier http://www.weser-kurier.de/regionales/fs_wk_reg_reg.html?id=3344