Bei ihrer Wintertagung Anfang des Jahres hatte die Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen (RKM) Prof. Dr. Susanne Rode-Breymann zur neuen Vorsitzenden gewählt. Am 1. Oktober trat die Präsidentin der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover ihr neues Amt an. Mit Juan Martin Koch sprach sie über die aktuellen Aufgabenfelder der RKM, das Potenzial Künstlerischer Forschung und den Umgang der Musikhochschulen mit dem Thema Sexuelle Diskriminierung.
Seit Anfang Oktober sind Sie die neue RKM-Vorsitzende. Wie sehen Ihre ersten Amtshandlungen aus?
Anfang November trat der neue Vorstand zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen und klärte, wer welches Ressort übernimmt. Unter Martin Ullrich, meinem Vorgänger, haben wir eine Verteilung von Zuständigkeiten eingeführt, was ich persönlich für einen sehr guten und wichtigen Schritt halte. Daneben gibt es viele neu besetzte Hochschulleitungen und damit einen großen Umbruch in der RKM. Ich möchte bis zum Sommer die Hochschulen besuchen, an denen ich bisher noch nie war, und diejenigen, an denen es neue Leitungen gibt. In einer zunehmend elektronischen Welt finde ich persönliche Begegnungen umso wichtiger. Ich möchte auch vor Ort sein und erleben, was sich in den Häusern und auf deren Bühnen tut.
Wie sind die Themen definiert, die als Ressorts verteilt werden?
Wir hatten in den vergangenen Jahren zentrale politische Diskussionsfelder, zum Beispiel die Berufsorientierung. Die RKM hat hierfür gute Netzwerke mit dem Bühnenverein, der Orchestervereinigung, der Jungen Deutschen Philharmonie und anderen wichtigen Akteuren aufgebaut. Ein weiteres Ressort ist die musikalische Bildung, wo wir zum Beispiel mit dem Verband deutscher Musikschulen oder dem Bundesverband Musikunterricht (BMU) im Gespräch sind. Das Thema Internationalität/Internationalisierung, das im Zusammenhang mit den baden-württembergischen Musikhochschulen in den Fokus geriet, ist ein weiteres Schwerpunktthema. Weitere Bereiche sind Studium und Lehre und die Wettbewerbe. Es wird sich zeigen, ob wir weitere Themenfelder wie etwa Weiterbildungs-Studienangebote hinzunehmen.
Das sind ziemlich viele Arbeitsfelder…
Ja, aber jedes Mitglied des Vorstands übernimmt mehrere Themen. Es ist gerade im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit den Verbänden (darunter auch der Deutsche Musikrat und der Deutsche Kulturrat) wichtig, dass es feste Ansprechpartner gibt. Diese Strukturiertheit haben wir übrigens zu großen Teilen Martin Ullrich zu verdanken. Eine meiner Hauptaufgaben wird die Schnittstelle zur Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und zum Bundesministerium sein.
Sie haben die musikalische Bildung als ein Ressort angesprochen. Was hat sich hier in den vergangenen Jahren an den Hochschulen getan? Bei der RKM-Initiative zur musikalischen Bildung 2009/2010 hatte man ja den Eindruck, dass das Engagement durchaus unterschiedlich ausgeprägt war.
Im Einzelnen stellt sich das natürlich in jeder der 24 Hochschulen anders dar. Viele haben diese Initiative aber sehr intensiv genutzt und – übrigens parallel mit dem BMU – die Hermetik zwischen den einzelnen Bildungsbereichen aufgelöst: also die alte Trennung zwischen dem Lehramtsstudium auf der einen und der musikschulorientierten Ausbildung auf der anderen Seite. Diese Verschiebungen spiegeln sich auch im Hochschulwettbewerb Musikpädagogik. 2017 wurden wiederum hervorragende Projekte präsentiert und prämiert – und es war den Projekten nicht anzusehen, ob sie von Studierenden des Lehramts oder des künstlerisch-pädagogischen Fachs kamen.
Da gibt es auch eine Verbindung zur Musikvermittlung, die ja gerne im Zusammenhang mit den so genannten Patchwork-Karrieren angeführt wird…
Auch hier ist viel in Bewegung: Zum Teil gibt es neu eingerichtete Professuren für Musikvermittlung. Die Verantwortung für die Patchwork-Karrieren in einer sich wandelnden Kultur spiegelt sich auch im neuen Wettbewerb „D-bü“ der Musikhochschulen. Unser Ziel ist es, die Kreativität für Projektentwicklung zu fördern. Natürlich ist es weiterhin ein respektables Ziel, eine Orchesterlaufbahn anzustreben. Aber es gibt auch die, die sagen: Ich möchte kammermusikalisch im Bereich neuer Konzertformate unterwegs sein. Dafür muss es ein Forum geben, das zu erproben.
Da kommt der „D-bü“ ins Spiel. Wie sind die Wettbewerbe der RKM aufgestellt?
Wir bilden unsere Verantwortung für Kultur und Bildung mit unseren drei Wettbewerben gut ab: Der „Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerb“ prämiert jährlich besonders exzellente Studierende der künstlerischen Ausbildungsklassen. Es gehört im Sinne eines Forttragens der Tradition unbedingt zu unseren Aufgaben, instrumentale Fähigkeiten bis in die höchste Spitze zu entwickeln. Auf der anderen Seite steht der Hochschulwettbewerb Musikpädagogik, den es seit 2009/2010 gibt. Hier zeigen wir uns mit dem Thema musikalische Bildung. Hinzu kommt als neues Format „D-bü“, der nach einer Pilotphase im Januar nun vom 15. bis 20. Dezember 2017 zum ersten Mal ausgetragen und aus Bundesmitteln gefördert wird. Hier geht es um außergewöhnliche Konzertformate, wobei in diesem Jahr acht der RKM-Hochschulen einen Beitrag, andere ein studentisches Jurymitglied entsenden. Schon die Berliner Aufführungsorte, in denen die Beiträge präsentiert werden, sind erstklassig: Boulez-Saal, Radialsystem, Otto-Saal im Konzerthaus, Pergamon-Museum… Indem sich die Hochschulen damit präsentieren, demonstrieren sie die Wichtigkeit dieses musikalischen Bereichs.
Ein weiteres Aufgabenfeld der RKM, das Sie genannt haben, befasst sich mit internationalen Aspekten. In Dresden gibt es dazu Ende November ein Symposium, bei dem das Thema am Beispiel der Künstlerischen Forschung verhandelt wird. Macht das aus Ihrer Sicht Sinn?
Die Dresdener Tagung verknüpft mit einem sehr vielversprechenden Programm zwei Themen: Internationalisierung und Artistic Research. Auch unabhängig voneinander betrachtet sind das zentrale Entwicklungsfelder: Internationalisierung kann auch im Kontext von Studium und Lehre oder von strategischer Zusammenarbeit diskutiert werden. Man muss konstatieren: Musikhochschulen sind international hervorragend aufgestellte Hochschulen. Das betrifft nicht nur Studierende, sondern auch Lehrende, die aus der ganzen Welt aufgrund unserer Ausbildungsqualität nach Deutschland kommen und auf der ganzen Welt bei Wettbewerben oder Workshops als unsere Botschafterinnen und Botschafter unterwegs sind.
Aber das sind dann noch keine strukturell verankerten internationalen Kooperationen oder gemeinsame Studiengänge. Auch, dass Studierende aus Deutschland für ein, zwei Semester ins Ausland gehen, ist nicht die Regel, oder?
Diese Möglichkeit gibt es bei uns natürlich ganz traditionsreich – wie eigentlich an allen deutschen Hochschulen – über beispielsweise das Erasmus-Programm des DAAD. Das läuft sehr gut. Die spannende Frage ist, ob wir beim Thema Internationalisierung denselben Weg gehen müssen wie die Universitäten oder ob unser Potenzial nicht im Orchester- oder Choraustausch liegt. Will ich weg vom Bottom-Up-Prinzip, also den international vernetzten Lehrenden, oder will ich auch strategische internationale Partnerschaften und Allianzen? Das kann sinnvoll sein, aber mir sind da die Setzungen immer zu schnell. Wir müssen nicht automatisch die Form der Internationalisierung der Universitäten als die für unseren Hochschultyp beste Form übernehmen.
Die Künstlerische Forschung wollten Sie separat sehen…
Sowohl im Wissenschaftsrat als auch in der HRK war in den letzten Jahren das Thema des wissenschaftlichen Nachwuchses ein Kernthema. Dabei wurde vor allem auch die Planbarkeit von Karrieren diskutiert. Alles, was in diesem Zuge für wissenschaftliche Karrieren als Standard abgesteckt wurde, kann eins zu eins auf unseren Bereich übertragen werden. Die Empfehlungen gehen in die Richtung, dass man Absolventinnen und Absolventen nach der Promotion in einer „Orientierungsphase“ noch drei Jahre lang forschend an den Universitäten hält. Es geht darum, Wissen und Können nach einem hochrangigen Studium an den Universitäten zu halten, unabhängig davon, ob schließlich eine akademische Laufbahn oder ein Berufsweg in der Wirtschaft eingeschlagen wird. Genau das hätte ich für die Musikhochschulen auch gerne! Wir haben dann immer nur den Lehrauftrag… Aber bei uns gibt es auch Menschen, die sich zum Beispiel zu hervorragenden Projektarbeitenden entwickelt haben, die die Hochschule verstehen und die nicht sofort auf die Podien streben. Andere wiederum gehen zunächst ins Orchester oder in die Musikschule und haben nach einigen Jahren den Wunsch, in die akademische Hochschullehre zu gehen. Für diese Karrierephase empfehlen Wissenschaftsrat und HRK eine sechsjährige „Entscheidungsphase“, in der eine Habilitation oder Entsprechendes erfolgen muss. Hier müssen wir gleichziehen, wobei das Entsprechende in unserm Hochschultyp das künstlerische Entwicklungsvorhaben, also Artistic Research ist.
Stichwort Lehrauftrag: Hier wären diese Orientierungs- und Entscheidungsphasen eine sinnvolle Alternative, oder?
Ja, es liegt darin ein sehr großes Potenzial für die Personalentwicklung an Musikhochschulen! Im Rahmen eines Lehrauftrags größere künstlerische Projekte zu entwickeln und durchzuführen, die viel Abstimmungsarbeit bedürfen, ist kaum machbar. Wenn man dagegen eine halbe Stelle anbieten kann, ist das etwas ganz anderes. Da will ich hin.
Nun haben Sie an Ihrer Hochschule ein entsprechendes Pilotprojekt, das Sie dann als Argument in Ihrem Ministerium anführen können. Muss nun jede Hochschule diesen Kampf selbst ausfechten?
Die RKM kann das ins Bundesministerium und in die HRK einspielen. Auch Entwicklungsprogramme für diese spezifischen Karrierewege an den Musikhochschulen wären denkbar. Da können und müssen wir kreativ werden. Es könnte ja auch einmal ein Förderprogramm des Bundes geben, bei dem wir uns mit Personalentwicklungskonzepten bewerben. Die Leerstelle wird aber schon jetzt an den entsprechenden politischen Stellen als solche gesehen.
Könnte das dann ein Ausweg für die Lehrbeauftragten sein?
Für die, die jetzt im System sind, leider nicht, aber für die nächste Generation. Dass Weiterqualifizierungsstellen im Hochschulsystem immer mit Befristung einhergeht, das wird man im politischen Raum nicht auflösen können.
Das Thema Sexuelle Diskriminierung an Musikhochschulen wurde in diesem und im vergangenen Jahr verstärkt öffentlich diskutiert. Die RKM hat dazu eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Was sind die Ergebnisse und Konsequenzen?
Ich war bisher selbst in dieser AG und finde, dass diese unter der Leitung von Angelika Gartner, der Kanzlerin der HfMDK Frankfurt, sehr weit gekommen ist. Das Problem ist jetzt auf der Agenda, es spricht niemand mehr von Kavaliersdelikten und wir haben bei der letzten Sommerkonferenz eine Toolbox mit präventiven Maßnahmen vorgestellt und verabschiedet. Toolbox deswegen, weil die Hochschulen ja von sehr verschiedenen Ausgangspunkten starten. Die Folkwang Universität in Essen hat zum Beispiel ein, wie ich finde, sehr gutes Verfahren: Dort gibt es ein Kontingent an Beratungsstunden bei einer Juristin mit besonderer Expertise auf diesem Gebiet. Modelle wie diese haben wir zusammengefasst und sagen: Das sind präventive Maßnahmen und Verfahrensmöglichkeiten, mit denen alle Hochschulen arbeiten können. Die Hochschulen haben sich alle verpflichtet, Richtlinien zu erarbeiten. Der nächste Schritt ist, dass es bei der Winterkonferenz einen juristischen Fachvortrag geben wird, der die rechtlichen Sachgrundlagen klären wird. Das Thema wird nun im besten Sinne professionalisiert.
Am Ende ein Thema, das schon Martin Ullrich vor sechs Jahren als dringlich erkannt hatte: Nach wie vor dürfte die Webseite der Außendarstellung der RKM nicht unbedingt zuträglich sein…
So ist es, die Homepage ist derzeit nicht geeignet, um damit Aufmerksamkeit zu gewinnen… Wir sind bei der Überarbeitung und wollen uns 2018 in neuer Form präsentieren!