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Eine Koreanerin mittleren Alters, mit kurzen und etwas buschigen Haaren, Brille und freundlichem Lächeln.

Prof. Soo-Jung Shin. Foto: JongHyuk Lim

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Von Seoul nach Mannheim

Untertitel
Prof. Soo-Jung Shin im Gespräch
Vorspann / Teaser

Seit vielen Jahren besteht ein Kooperationsvertrag zwischen der führenden Hochschule Koreas, der Seoul National University und der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim. Höhepunkt des Austauschs waren gemeinsame Orchesterprojekte mit Konzerten unter anderem im Seoul Arts Center, aber auch in der Carnegie Hall, New York. Im Rahmen des aktuellen Professor:innenaustauschs unterrichtete Prof. Soo-Jung Shin erneut in Mannheim. Sie gilt nicht erst seit der Weltkarriere ihres früheren Schülers Seong-Jin Cho als die erfolgreichste Klavierpädagogin Koreas. Aus Anlass des Besuchs stand Prof. Shin freundlicherweise für ein Interview zur Verfügung.

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Musikhochschule Mannheim: Sehr geehrte Frau Professorin Shin, wir freuen uns sehr darauf, Sie im Rahmen des Austausches mit der Seoul National University anlässlich Ihres Meisterkurses im Dezember 2023 an unserer Hochschule begrüßen zu dürfen. Sie waren bereits mehrfach in Mannheim. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit dieser Stadt?

Soo-Jung Shin: 2001 habe ich zum ersten Mal an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim unterrichtet und im Rittersaal konzertiert. Da war der Austauschvertrag mit der Seoul National University erst gerade unterschrieben. Damals entstanden menschliche und künstlerische Beziehungen, die sich immer weiterentwickelt und vertieft haben. Nach 2001 habe ich Mannheim noch häufig besucht. Wenn ich in Deutschland bin, wie zum Beispiel im Moment wegen des Beethoven-Wettbewerbs in Bonn, an dem ich als Jurorin teilnehme, versuche ich jedes Mal auch Ihre Hochschule zu besuchen. Ich habe viele schöne Erinnerungen an Mannheim und freue mich riesig, wieder zu kommen.

Musikhochschule Mannheim: Sie wurden bereits mit 26 Jahren zur Professorin an der Seoul National University berufen. Später waren Sie dort auch Dekanin. Zwischenzeitlich waren Sie aber auch im Ausland tätig. Welche musikalischen Stationen haben Sie geprägt?

Shin: Ich war immer neugierig zu hören, wie Andere spielen. Prägend war für mich sicher meine Zeit in Wien. Dort habe ich gelernt, einen Notentext umfassend und richtig zu lesen, die Basis für jede werkangemessene Interpretation. Auch mein Lehrer in den USA, Leon Fleisher hatte als Schnabel-Schüler diese Herangehensweise und diese Kenntnis der deutsch-österreichischen Musiktradition. Er war aber auch eine sehr charismatische und kreative Persönlichkeit und vermittelte mir den Mut, Werke gleichermaßen texttreu und persönlich-künstlerisch zu gestalten. Wichtig waren für mich auch die Kurse von Wilhelm Kempff in Positano. Später habe ich viel mit anderen großen Künstlern konzertiert – ich nenne beispielhaft Ruggiero Ricci und Nicolai Gedda – dies hat mich immer sehr inspiriert.

Musikhochschule Mannheim: Sie sind heute die namhafteste Klavierpädagogin ihrer Generation in Korea, zu Ihren Schülern gehört auch Seong-Jin Cho. Was steht im Mittelpunkt Ihres Unterrichts? 

Shin: Die Wiener Klassik spielt meiner Meinung nach für die Ausbildung jedes Pianisten eine zentrale Rolle. In diesen Werken wird besonders deutlich: Die Musik und die Sprache eines Landes sind eng miteinander verbunden. Der selbstverständliche Wechsel zwischen betonten und unbetonten Silben in jedem deutschen Wort (mit mehr als einer Silbe), das kennen wir in der koreanischen Sprache nicht. Dort ist die Betonung etwas Besonderes, ein emotionaler oder nachdrücklicher Höhepunkt. Um aber die Musik von Beethoven oder Mozart spielen zu können, muss man der deutschen Sprache zuhören: ihrer Phrasierung und Melodie.

Musikhochschule Mannheim: Die Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim und die Seoul National University sind durch einen Austauschvertrag miteinander verbunden. Welche Rolle spielt für Sie der Austausch zwischen koreanischen und deutschen Musiker:innen?

Shin: Mir liegt der Austausch sehr am Herzen. Ich habe der Seoul National University Geld gespendet und dabei gebeten, dass die Hälfte dieser Mittel für den internationalen Austausch ausgegeben wird, auch mit Mannheim. Durch die Corona-Pandemie waren wir alle so voneinander getrennt und auf uns selbst zurückgeworfen. Jetzt müssen wir uns wieder regelmäßig treffen und gegenseitig inspirieren. 

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