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Wachsende Aufgabenbereiche rund um die Note

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Zum Wintersemester startete an der Universität Kassel der Aufbaustudiengang „Musikverlagswesen“
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Bis die Noten einer Komposition fertig auf dem Notenständer liegen, hat die in ihnen aufgeschriebene Musik einen langen Weg zurückgelegt. Musikwissenschaftler, Notensetzer und viele andere Spezialisten waren am Zustandekommen des Produktes Notenausgabe beteiligt. An der Universität Kassel gibt es seit diesem Wintersemester den neuen Studiengang „Musikverlagswesen“, der diese Qualifikationen in einer Person zusammenführen will.

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Musikverlagswesen, Universität Kassel, Studiengang „Musikverlagswesen“

Im Anfang ist die Musik nur im Kopf des Komponisten, am Ende soll sie nach Möglichkeit direkt ins Herz des Zuhörers treffen. Zwischen diesen beiden Polen liegen zahlreiche Stationen, die notwendig sind, um die letzte Station, die Aufführung, erreichen zu können. Von der Niederschrift der Noten über die Anfertigung einer praktischen Notenausgabe und deren Vermarktung bis hin zu den Musikern, die das Werk aufführen. Schlussendlich sollte der Komponist mit seiner Schöpfung auch seinen Lebensunterhalt verdienen (können), der eingetrieben und an ihn weitergeleitet werden muss.

Viele dieser Aufgaben übernehmen heutzutage die Verlage und Verwertungsgesellschaften. Eine spezielle Ausbildung für diese Tätigkeiten gab es bisher nicht. So wurde mit Musikwissenschaftlern, Betriebswirten, Notensetzern und Verlagskaufleuten gearbeitet, denen aber oft der Gesamtüberblick fehlte. Renate Matthei vom Furore Verlag schwärmt von den Tätigkeiten im Verlag als einer „hochspannende Kulturarbeit“ von der viele potenzielle Mitarbeiter nicht einmal etwas ahnen. Viele Jahre hat man bei Furore mit Volontärinnen gearbeitet, findet aktuell aber keine mehr. Ebenso sieht der Musikverlegerverband mit rund 350 Mitgliedern die Gewinnung an qualifiziertem und sofort einsatzbereitem Personal als aktuelles Problem.

Bereits im Jahr 2017 wurde am Rande einer Tagung der Gesellschaft für Musikforschung die Idee geboren, einen Studiengang „Musikverlagswesen“ zu konzipieren und etablieren. Zum Wintersemester 2023/24 hat dieser anwendungsorientierte Studiengang an der Universität Kassel seinen Betrieb aufgenommen. Auf der Homepage des Studienganges heißt es: „Musikverlagswesen bedeutet heutzutage nicht mehr nur den klassischen Druck von Noten und Büchern, sondern in wesentlichem Umfang auch digitale Distribution sowie Lizenzverwaltung.“

Verlage als Praxispartner

Kassel als Standort für diesen Aufbaustudiengang bot sich an. Hier ist der Sitz der Verwertungsgesellschaft Musikedition und von vier namhaften Musikverlagen (Bärenreiter, Furore, PAN, Merseburger). Sie alle fungieren im neuen Studiengang als Praxispartner. Durch diese Partner, zu denen außerdem der Helbling-Verlag in Esslingen gehört, haben die Studenten die Möglichkeit, neue Kenntnisse direkt in der Praxis zu erwerben, beziehungsweise dort umzusetzen. Die abschließende Masterarbeit, so der Studienleiter, Professor Jan Hemming, darf gern im direkten Umfeld der Praxispartner entstehen und ist durchaus schon eine Arbeitsprobe für künftige Tätigkeiten.

Inhaltlich ist der Studiengang neben typischen Angeboten in Historischer und Systematischer Musikwissenschaft sowie zu Musikpädagogik und Musikvermittlung geprägt von praxisnahen und zukunftsorientierten Themen und Herangehensweisen. Hierzu zählen Grundlagen in Layout und Notensatz, in Betriebswirtschaft und Urheberrecht ebenso wie Veranstaltungen zu Digitaler Musikvermarktung, zum Strukturwandel im Musikverlagswesen oder eine Ringvorlesung zu neuen Geschäftsmodellen. 

Durch diese breit aufgestellte fachliche Expertise haben die Absolventen dieses Studienganges, laut Homepage, „einen Vorteil gegenüber Mitbewerber:innen etwa aus nicht spezialisierten Masterstudiengängen der Musikwissenschaft“. Der Studiengang Musikverlagswesen ist ein Aufbaustudiengang mit dem Ziel den Grad eines „Master of Arts“ zu erlangen. Voraussetzung für die Aufnahme in den Studiengang ist eine „bestandene Bachelor-Prüfung in Musikwissenschaft, in Musikpädagogik oder ein Bachelor of Music (B.Mus.) an einer in- oder ausländischen Hochschule nach einer Regelstudienzeit von mindestens sechs Semestern“. Auch möglich ist eine Bewerbung mit einem Staatsexamen im Fach Musik oder einem gleichwertigen Abschluss in einer mit Musik verwandten Fachrichtung. Genaue Angaben darüber gibt es auf der Homepage und in der Studienberatung. Das Studium dauert vier Semester, die in Präsenz zu erbringen sind. Das Studium kann immer nur zum Wintersemester begonnen werden. Die Bewerbungsfrist und die Zulassung für das Studiun liegt jährlich zwischen dem 1. Juni und dem 1. September.

Mehr Zulauf erwartet

Für den ersten Durchlauf des Studienganges im laufenden Semester gibt es nur einen einzigen Studenten. Hemming hätte sich mehr gewünscht, ist aber auch nicht zu Tode betrübt. In seinen regelmäßigen Zoom-Sprechstunden hat er ein reges Interesse gespürt und hofft, die mögliche Gesamtzahl von 15 Studenten pro Semester vielleicht schon im kommenden Wintersemester 2024/25 erreichen zu können. Er gibt zu, dass er sich bei der Zielgruppe seiner Werbung vielleicht zu sehr auf die Musikwissenschaftler gestürzt hat. Tatsächlich hätten ihn mittlerweile aus dem Bereich der praktischen Musikausübung von Musikhochschulen und Akademien zahlreiche Anfragen erreicht, die sich diesen Arbeitsbereich quasi als zweites Standbein vorstellen könnten.

Hemming betont, dass es viele Möglichkeiten der Betätigung gibt und auch einen großen Bedarf an Absolventen. Er sieht dabei insbesondere zwei wachsende Arbeitsbereiche: die Verwaltung von immateriellen Tracks im Bereich der U-Musik und das aufkeimende Interesse an Komponistinnen. Renate Matthei benennt es ganz klar: „Da gibt es diese Arroganz, die sagt, was ich nicht kenne, das gibt es nicht“ oder schlimmer: „das kann nichts taugen“. Sie sieht aber auch seit kurzem ein zunehmendes Interesse an Werken von Komponistinnen von namhaften Interpreten und Orchestern. Aus ihrer eigenen Verlagsarbeit weiß sie, wie viel Musik da noch in Archiven und Schreibtischschubladen schlummert und wie viel Arbeit über Jahrzehnte es allein in diesem Bereich noch zu tun gibt.

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