Mit einem Festakt sowie verschiedenen Konzerten und Präsentationen feiert die young academy rostock (yaro), das Internationale Zentrum für musikalisch Hochbegabte an der Hochschule für Musik und Theater Rostock, am 10. November ihr zehnjähriges Bestehen. Tags zuvor lädt die yaro die Verantwortlichen der anderen Frühförderinstitute deutscher Musikhochschulen zu einem Gedankenaustausch nach Rostock ein. Mit dem Leiter der young academy, Prof. Stephan Imorde, sprach Juan Martin Koch über sein Institut und das geplante Treffen.
Wie genau startete die young academy rostock vor zehn Jahren?
Die yaro hat sich nach und nach entwickelt, das Konzept war aber von Anfang an da: Das Herzstück dabei ist die Gemeinsamkeit mit den Musikschulen. Was es schon vorher an gemeinsamen Initiativen gab, wurde nun zur Institution gemacht – die Workshops und Konsultationen, bei denen einmal im Jahr alle Interessierten zu uns kommen können. Diese Kontaktebene ist das Wichtigste. Darauf aufbauend haben wird dann 2008 die erste Gruppe der Netzwerkschüler/-innen gebildet, die dann regelmäßig über uns, über die yaro weitergefördert wurden.
Wie groß ist diese Gruppe?
Wir haben das Konzept für 50 Teilnehmer ausgelegt, die hatten wir anfangs noch nicht, aber das ging dann sehr schnell, jetzt sind wir schon bei über 70… Ein Jahr später haben wir dann angefangen, auch Aufnahmeprüfungen für das Frühstudium anzubieten.
Wie unterscheiden sich das Netzwerk und das Frühstudium?
Im Netzwerk haben wir eine Kooperation mit den Musikschulen, das heißt, die Schüler bleiben dort – das ist ganz wichtig – und bekommen zusätzlich viermal im Semester Unterricht durch einen Hochschullehrer. Dabei begrüßen wir ausdrücklich, wenn die Musikschullehrkräfte anwesend sind.
Damit nicht aneinander vorbei unterrichtet wird…
Genau. Das ist in der Praxis nicht leicht, schon aufgrund der Distanzen, die hier in Mecklenburg-Vorpommern zu überwinden sind. Aber es klappt am besten, wenn sich Beide der Idee und der Kommunikation stellen. Das Frühstudium ist der Punkt, wo die Hochschule vollständig die Aufgaben übernimmt, und zwar dann, wenn sich im Einvernehmen mit der Musikschule herausstellt, dass die Schüler sich wirklich ganz eindeutig für die Musik entscheiden und das professionell betreiben möchten. Dann werden sie zu 100 Prozent an der Hochschule unterrichtet und bekommen einen vollen Studienplatz in der Hauptfachklasse. Das ist eine Besonderheit, meine jüngste Frühstudentin ist jetzt elf Jahre alt! Ich entscheide mich also für einen Frühstudenten und kann dafür keinen Vollstudenten aufnehmen. Das ist ein starkes Engagement der Hochschule, die das mitträgt und der Frühförderung einen solchen Rang einräumt.
Gibt es Altersbegrenzungen?
Wir haben uns grundsätzlich einen Rahmen von acht bis achtzehn Jahren gegeben. Das ist der Aktionsraum, aber die Grenzen sind fließend. Unter acht habe ich bisher noch keine Schüler erlebt, aber über achtzehn, da wird es manchmal etwas gedehnt, weil manche dann noch nicht mit der Schule fertig sind. Wir versuchen da insgesamt sehr unbürokratisch zu agieren. Wir haben uns zum Beispiel keine feste Studienordnung gegeben, wir haben auch kein Curriculum. Aber natürlich haben wir Inhalte: Hauptfachunterricht, das Nebenfach, Theorie…, aber wir haben keine feste Semestereinteilung.
Der Stoff wird also gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Anreisezeiten und des schulischen Pensums entsprechend gestreckt?
Richtig. Außerdem ist es beim Theorieunterricht natürlich etwas anderes, ob man eine 11-Jährige oder einen 15-Jährigen unterrichtet. Wir versuchen immer wieder, individuelle Zugänge zu finden, etwas maßzuschneidern. Sie sollen ja auch Spaß bekommen an diesem theoretischen Wissen!
Welche Institutionen sind am Modell yaro beteiligt, welche Kooperationen gibt es?
Wir sind insgesamt ein kompromisslos auf Kooperation angelegtes Modell. Die Hochschule agiert niemals isoliert, was gerade die Zusammenarbeit mit den Musikschulen, unseren wichtigsten Partnern, angeht. Die yaro soll ein stärkendes Modell für beide Seiten sein. Das wird von den Musikschulen vielleicht noch nicht überall in gleichem Maße so gesehen, aber genau das ist unser Ansporn. Außerdem haben wir viele weitere Partner gewonnen, die für uns Konzerte an besonderen Orten organisieren, zum Beispiel das Grand Hotel Heiligendamm, oder unseren Hauptsponsor, die Stadtwerke Rostock, die uns nicht nur finanziell unterstützen, sondern sogar Konzertformate mit uns entwickelt haben. Die yaro ist dort ein Teil der Betriebskultur geworden. Unser Patenorchester ist die Neubrandenburger Philharmonie, eine Partnerschaft, die sich sehr gut entwickelt hat. Das Orchester widmet den jungen Talenten jedes Jahr einer ganze Arbeitsphase.
Fallen Gebühren an?
Nein, und das ist, denke ich, ganz maßgeblich für den Erfolg und die Akzeptanz. Nichts ist bei uns mit Gebühren belegt, kein einziger Unterricht. Wir werden vom Land als eine Abteilung der Hochschule finanziert, haben aber inzwischen viele Förderer gewonnen, die uns helfen. Die yaro ist mit Abstand der Hochschulbereich, der am meisten Drittmittel akquiriert. Die yaro ist außerdem medial sehr präsent.
Nach zehn Jahren blicken Sie auch voraus in die Zukunft. Welche Entwicklungsperspektive hat die yaro?
Wir werden durch die Alfred Toepfer Stiftung im Rahmen von deren Programm Lehren gefördert. Bei einem ersten Seminar kam heraus, dass wir die yaro ganz neu denken wollen, gerade auch die Zusammenarbeit mit den Musikschulen. Wir wollen da nochmal ans Eingemachte gehen. Da gibt es ja durchaus Reibungspotenzial, weil sich hier zwei Systeme aneinander stoßen: Das ist zum einen die SVA, die studienvorbereitende Abteilung der Musikschule, zum anderen unser Frühstudium. Da gibt es zum Beispiel Enttäuschungen, wenn die begabtesten Schüler an die Hochschule kommen. Die Frage, die wir uns stellen ist also: Verschmelzen wir nicht vielleicht den Bereich SVA mit dem Frühstudium? Kann das nicht zu einem großen, tragenden Modell werden? Die Vision ist folgende: Wie kann die Musikhochschule sich noch mehr einbringen, damit Musikschulen gestärkt werden, damit dort bessere Bedingungen herrschen?
Es stecken also auch politische Forderungen dahinter?
Ja, denn die Hochschulen werden letztlich ausgetrocknet, wenn die Musikschulen nicht mehr die Bedingungen vorfinden, die sie brauchen, um junge Talente so zu fördern, dass sie bei uns aufgenommen werden können. Wir versuchen das zu kompensieren durch Frühförderinstitute, aber das ist im Grunde nie genug. Wir müssen an die Strukturen ran: Dazu gehören auch bessere Verträge für die Musikschullehrkräfte, die Attraktivität des Berufs geht ja zurück! All das sind Gründe, das System noch einmal neu zu denken.
Müsste da nicht auch die allgemeinbildende Schule miteinbezogen werden? Braucht man nicht auch ein Musikgymnasium oder Ähnliches?
Auch darüber denken wir nach und sind auch schon einige Schritte gegangen. Wenn wir Frühförderung so umfassend denken, brauchen wir auch ein adäquates schulisches Angebot. All das sind Überlegungen, die erst möglich geworden sind durch die zehn Jahre Erfahrung und Arbeit. Denn jetzt ist die Hochschulleitung auch überzeugt, dass die Frühförderung eine der wichtigsten Säulen der Zukunft sein muss. Das war vor zehn Jahren noch nicht abzusehen, heute sieht man: Wenn man diese Frühförderung nicht ausbaut, wird es irgendwann ein böses Erwachen geben, denn es wird immer stärker an Nachwuchs mangeln. Inzwischen sind die Hochschulen soweit, dass sie sagen: Wir müssen uns in alle Strukturen der Frühförderung einbringen: Musikalisierungsprojekte in Kitas, Jeki und was es alles sonst noch gibt. Das kann den Hochschulen nicht egal sein, denn das sind alles vorbereitende Schritte für Menschen, die irgendwann bei uns landen können.
Wie schon vor fünf Jahren laden Sie zum Jubiläum die Frühförderinstitute anderer Musikhochschulen nach Rostock ein. Welche Idee steckt hinter dem Treffen?
Es ist ein schönes Zeichen, dass bei unserem Treffen am 9. November achtzehn Institute teilnehmen werden, vor fünf Jahren waren es noch elf. Da hat sich etwas entwickelt und das Bedürfnis ist da, dieses Thema stärker zu artikulieren. Man möchte in einen intensiveren Austausch kommen und dem Thema mehr Aufmerksamkeit schenken. Ein Ziel unseres Treffens ist es also auch, sich möglicherweise auf eine regelmäßige Ebene des Austausches zu verständigen, damit die Dinge an den eigenen Hochschulen besser durchsetzbar werden. Frau Rode-Breymann, die Vorsitzende der Rektorenkonferenz der Musikhochschulen (RKM), wird auch da sein.
Bisher gibt es keine eigene Arbeitsgruppe für dieses Thema in der RKM, oder?
Nein, deshalb ist das Ziel, diese Frage einmal in den Raum zu stellen: Ist das nötig, ist das möglich? Um dann möglicherweise eine Struktur dafür zu schaffen. Das Bedürfnis ist da, das sieht man an der starken Nachfrage zu unserem Treffen. Wenn wir da Impulsgeber sein können und dürfen, wunderbar – so verstehen wir auch unsere Rolle in Rostock.
Wie wird der Geburtstag Anfang November darüber hinaus gefeiert?
Wir schießen am 10. November mit verschiedenen Formaten sozusagen aus allen Rohren: Unter anderem werden wir ein Jubiläumsorchester mit Schülerinnen und Schülern der yaro und des Emils Darzinš Musikgymnasiums Riga zusammenstellen. Das ist einer unserer internationalen Kontakte, die wir in Zukunft übrigens auch ausbauen wollen. Es gibt einen Festakt, außerdem wird yaro in Aktion zu erleben sein, eigene Ensembles der Musikschulen werden sich präsentieren… Wir wollen einen möglichst bunten Tag gemeinsam verbringen!
Interview: Juan Martin Koch
Informationen zur young academy rostock und zum Programm des Festtags am 10.11.2018 unter: www.young-academy-rostock.de